Hausaufgaben – ein Reizwort, sobald es fällt. Ich fange an das zu verstehen. Familiär steht´s für Disziplin und Ordnung – wer und welche Familie hat wieviel Energie übrig, sie durchzusetzen – weil ein Wollen ist´s ja selten. Politisch steht´s für Ignoranz und Anmaßung. Hausaufgaben sollen immer da gemacht werden, wo Schlendrian und zu großes Wünschen bei zu wenig Initiative unterstellt wird.
Homeschooling ist eine ziemlich große Hausaufgabe. Die hat niemand ausgesucht, die ist einfach so geworden. Ist halt ein Elend mit diesem Corona. Mit der Schule meiner Kinder bin ich allgemein und hier insbesondere hochzufrieden. Man hat versucht für alle Klassenstufen ein praktikables Modell des Homeschoolings anzubieten – eine Mischung zwischen zugesandten Plänen inklusiv Arbeitsmaterial und Online-Schulstunden, die dem Ganzen durchaus Rhythmus, Schulbewusstsein und sogar ein gewisses Gefühl von Klassengemeinschaft vermitteln.
Wir kennen nun alles. Homeschooling ohne jede Form von Digital, homeschooling mit Digital, und Notbetreuung. Und wir kennen die jeweiligen Vorzüge und Nachteile. Notbetreuung funktioniert überraschend gut, was die Motivation der Kinder angeht. Die finden´s dort ganz prima. Sie kommen mit weitestgehend gemachten Aufgaben heim. Aber kontrollieren und korrigieren muss man zuhause trotzdem. Sie sind dort betreut, nicht unterrichtet. Fair enough. Homeschooling ohne Digital ist gechillt und bietet Freiräume, hat aber wenig mit Schule zu tun. Homeschooling mit Digital bietet einen gewissen Komfort, schon was das frühmorgendliche aus dem Bett und in die Klamotten quälen angeht, ist bisweilen durchaus effektiv, fühlt sich echt an wie Schule daheim, hat aber auch seine Tücken. Manchmal hindert einfach Unlust oder zu viele Ablenkungsmöglichkeiten. Der Kater legt sich aufs Blatt, die Barbie oder Legofigur drängt sich auf, man hat Hunger, Durst, muss aufs Klo, muss aus dem Fenster gucken, sieht zum ersten Mal im Leben, dass schräg gegenüber ein Kind wohnt, hat nochmal Hunger, nochmal Durst, muss nochmal aufs Klo, braucht endlich eine Pause. Das dreht sich im Kreis und kann sich über Stunden ziehen…..
Eine Frau. Sie hat einen guten Mann. Er säuft nicht, schlägt nicht, er liebt seine Kinder – eines ist noch ein Baby – und er verrichtet seine Arbeit. Das soll SIE auch tun, sagt er, und er sagt auch, was ihre Arbeit ist. Schließlich ist er der Mann im Haus. Sagt er. Was immer das bedeuten soll. Völlig wurscht, was in der Hose ist. 2021, aber so was gibt es. In Deutschland. Nicht zu fassen. Immerhin, er kocht, und das nicht schlecht. Sie soll viel und reichhaltig essen. „Für die Milch“, sagt er. Es geht ums Baby. Das wird gestillt. Sie ist immer daheim, ob mit Lockdown oder ohne. Daheim und Mutter-sein – das muss zum Glück genügen. Sagt er. Lockdown ist quasi der natürliche Daseinszustand im Haus.
Aber dies ist keine Coronageschichte. Es ist zumindest teilweise eine afrikanische Geschichte.
Da ist eine andere Frau. Aus Afrika. Bei ihnen, erzählt sie, ist keine Mutter alleine. Die Familien sind groß und beisammen, und in der Gemeinschaft gibt es immer mehrere Mütter, die gerade stillen. Wenn eine zum Markt geht, dann kann sie das stressfrei und bequem tun ohne Baby, denn sie weiß, wenn es schreit, ist eine Frau da, die es anlegen wird. So hat jedes Kind zig Geschwister und ein halbes Dutzend Mütter. Die helfen sich auch aus, wenn die Brust einer Frau leergetrunken ist. „Hat jemand Milch?“ kann es durch einen Bus rufen, und dann wird ein Baby über die Köpfe durchgereicht zu einer Frau, die noch hat.
Das kann ich mir bildhaft vorstellen. Es passt zu einer Geschichte, die meine Mutter gerne erzählt. Es ist eine ihrer Lieblingsgeschichten. Sie und unser Vater waren in Afrika an der Elfenbeinküste zu Besuch bei einem Freund unseres gerade erst verstorbenen Bruders. Auf dem Rückflug saßen sie im Flughafen von Abidjan und warteten auf den Aufruf zum Boarding. Mit ihnen wartete eine Gruppe Touaregs; große, dunkle Menschen, stolz und schön wie Statuen, die Frauen in prächtige Farben gehüllt und goldbehangen. Meine Mutter saß und bewunderte – und bekam plötzlich ein Baby in den Arm gedrückt. Die Touaregmutter bedeutete ihr, sie müsse mal. Und meine Mutter wiegte das Baby und war selig und beglückt. Vielleicht hat die Frau ihr angesehen, dass man dieser weißen, älteren Dame guten Gefühls sein Herzblatt anvertrauen kann. Hätte meine Mutter gekonnt, sie hätte auch gestillt.
Unsere Familien in Mitteleuropa sind – zumindest oftmals – zu klein und zu schlecht aufgestellt für die Vielfalt der Aufgaben, und das auch dann, wenn Kitas und Schulhorte mithelfen und einen Teil übernehmen sollen. Wo´s schwierig wird, werden Verantwortungen hin und her geschoben und man steht sich gegenseitig im Weg mit seinen unterschiedlichen Definitionen von Erziehung und Konsequenz.
Ich finde auch, es liegt etwas durchaus Ambivalentes in diesem ´Konsequenz´. Freilich, jeder muss wissen, dass unterschiedliches Verhalten unterschiedliche Folgen nach sich zieht – je nachdem. Schon Kinder müssen das erfahren. Aber so ein „wer nicht hören will, muss fühlen“ ist auch nicht zwangsläufig die Lösung aller Probleme, auch dann nicht, wenn „Be-greifen“ von „Greifen“ kommt. Ich wünsche mir ja ohnehin Köpfe, die VORHER verstehen, VOR der schlimmen Konsequenz. Verstehen und Lernen ohne didaktisch eingebaute Eskalationen. Ist langsam und zäh und voller Verwirrungen. Aber es soll ja der Planet nicht kippen müssen, bevor man versteht, man muss was ändern. Nur ein Beispiel. Manche Konsequenzen kann und will man sich einfach nicht leisten.
Ich weiß nicht –
Die Kinder sind noch klein, und sie müssen noch so viel lernen. Manchmal bin ich ganz entzückt und denke, sie haben schon so viel verstanden – das werden sie auch weiterhin und stetig zunehmend, und ich kann Vertrauen haben und gelassen bleiben. Bis es sich wieder irgendwo verhakelt und ich an der glatten Wand hochlaufen will, weil zwei und zwei partout nicht vier ergeben will.
Ich habe das Rezept noch nicht entschlüsselt. Mir fehlen einfach ein paar Zutaten. Ich komm noch drauf!
Ich war ein dickes Kind. Und damit hatte ich eigentlich keine Probleme. Ich habe mich wohl gefühlt in meiner Haut, hatte Spaß an Bewegung und habe zwar gerne Süß und Wurst und Pommes gegessen, aber auch viel Obst und Käsebrot und Spinat und Co. Mein Problem war nicht mein Speck, mein Problem war das Problem, das andere mit meinem Speck hatten. Mein Problem war, dass alle so taten, als sei irgendwas völlig aus dem Ruder, gefährlich und verkehrt. Das war es nicht. Ich war nur nicht schlank. Das Einzige, das ich so gelernt habe, war, dass ich meinem eigenen Gefühl nicht trauen sollte. Wenn ich mich wohl fühle, während alle anderen warnen, dann müssen die wohl Recht haben, ob ich das nun verstehe oder nicht. Ich hab´s nicht verstanden, und deshalb habe ich mich nicht nur dick gefühlt und das als anstößig gelernt zu empfinden, sondern auch doof. Und so, glaube ich, kommt das, dass irgendwann irgendwelche schlanken Arschgeigen daherkommen und über Dicke vom Leder ziehen, als seien sie selbst besser, nur weil sie weniger auf den Rippen haben, und schließlich gilt dick gleich doof.
Alles schreit nach Individualität und Freiheit. Alles darf man sein. Weiß schwarz grün rot blau, getreadet, behaart, rasiert oder bemalt, gepierct, geburnt, rechts links oben unten oder voll daneben, alles, bloß nicht dick. So kommt´s mir vor.
Es gibt Leute, die essen gerne und viel und auch Süß und Junk und nehmen halt nicht zu. Die haben Glück. Dann gibt es Leute, denen ist Essen nicht so wichtig. Die haben entweder andere Leidenschaften oder aber gar keine, was ich auch bedauerlich finde. Und dann gibt es Leute, die essen gerne, und bei denen setzt es an. Die machen Speckröllchen draus. So what.
Wer sagt, dass Dick nicht schön sein soll und kann? Schönheit liegt im Auge des Betrachters. Es gibt Leute, die beurteilen Schönheit anhand von irgendwelchen Ästhetiktheorien: zwei unterschiedliche Mischungen von Rot passen nicht zusammen, unterschiedliche Muster kombiniert gehen nicht, Leute mit Krampfadern dürfen keine Shorts tragen, in Sandalen dürfen keine Socken. Und Dicke sollen ihre Formen überspielen. Kein Minirock, keine Spaghettiträger, kein enges Top. Weil der Kopf vielleicht ja noch geht, Masse da, wo andere keine haben, aber anscheinend nicht.
Das ist eine bodenlose Unverschämtheit! Rottöne gehen bestens in Kombination, geblümtes Oberteil und gestreifte Hose mit gepunktenen Strümpfen ist klasse, Socken – naja – wer´s mag, ist ja eher so eine Gefühlssache – und überdies kenne ich sehr viele dicke Leute, die sehr schön sind, schöner als manch Schlanke, und das auch und gerade da, wo man die Masse fett sieht. Irgendwer behauptet, dick sei nicht gut, sei nicht schön, und nicht gesund, und alle folgen? Fettsucht und Essstörungen gehören behandelt. Freilich. Aber nicht Speckröllchen. Das ist Polster, auch für schlechte Zeiten, und ist der Gesundheit durchaus nicht abträglich.
Es sind die wenigstens kleinkarierten Gefühle der Mahner, die das Problem sind. Bloß weil die ihren Blick nicht wohlwollend weiten können, sollen andere neurotisch anfangen Kalorien zu zählen und eine intime Beziehung mit der Waage eingehen. Und jeden Bissen, den sie zu sich nehmen, sollen sie mit schlechtem Gewissen kauen. Das ist fies und niederträchtig und schafft bloß blöde Stimmung.
Natürlich ist man bis zu einem gewissen Maß Herr über seinen Körper, und auch Dicke können abnehmen und schlank sein. Aber wozu? Viele haben´s probiert und gefunden, dass die Selbstkasteiung, die sie betreiben müssen, um auch schlank zu bleiben, zu sehr auf die Lebensfreude drückt. Nur um es ein paar Leuten recht zu machen, deren Sinn für Schönheit nicht vom Herzen, sondern von Lehrbüchern kommt? Pah! Es böte sich genauso an, die Muskulatur der Mittelfinger zu trainieren und diese öfter mal kraftvoll in die Höhe zu recken, wenn sich wer mokiert.
In diesem Sinne – lassen wir einander und vor allem die Kinder in Ruhe und es uns einfach allen schmecken!
(Die obigen Bilder sind Ausschnitte und gemalt von Sabine Kalmbach, eine Auftragsarbeit nach Foto. Nachfragen an s-kalmbach@live.de)
…….. sagt Arbeitsminister Heil, sollen die Arbeitsbedingungen in der Fleischindustrie verbessert werden. Die Fleischindustrie selbst ist natürlich dagegen und prophezeit einen Preisanstieg von bis zu zwanzig Prozent. (Ich hätte gar nichts dagegen). Mit Summerfeeling hat das freilich nichts zu tun. Aber dies Jahr fühlt sich alles anders an als sonst, sogar der Sommer.
´Fleischindustrie´. Ich mag schon das Wort nicht. Es wird schließlich nicht Kunststoff hergestellt oder Zement gebrannt. Da geht es um lebende Wesen und um deren Lebens – und Sterbensbedingungen. Natürlich müssen die Arbeitsbedingungen der Leute, die das mittragen, auch verbessert werden. Erfährt man selbst keinen Respekt, geht man mit denen, mit welchen man zu tun hat, entsprechend mies um. Ich schätze, ein Tier erfährt die schlechte Laune des Schlachters mit seinen letzten Atemzügen. Schlecht leben, elend sterben und für einen despektierlichen Preis an der Theke verhökert werden – das ist dann die Würdelosigkeit, die wir uns wiederum reinstopfen.
Wann, wenn nicht jetzt… Aber ich habe keinen Kopf mehr für das Thema.
Wie ich auch keinen Kopf mehr habe für den Plastikmüll – auch ein Text, der angefangen und in Zetteln rumliegt, zusammen mit etlichen anderen Themen. Ich habe eine Reportage gesehen, eine andere als letztes Mal, als das Thema mich schon mal umtrieb – aber wieder war darin ´mein´ Frühlingsquark am malaysischen Strand, und außerdem gezeigt wurde eine Demonstration, wieviel Mikroplastik in zB Peelings steckt, eine satte Messerspitze spüle ich jedes Mal in den Abguss, und was Weichmacher mit uns machen, (zB zeugungsunfähig, was mann ja nun nicht unbedingt will). Im Jahr 2050 werden in den Ozeanen mehr Kunststoffteile sein als organisches Material. Das ist so schrecklich wie unvorstellbar. Wir werfen´s auf die Deponie oder verschippern nach irgendwohin und nennen´s recycelt. Weil eine Zahl dann in diese Rubrik der Statistik darf. Das ist „außen hui, innen pfui“ – bloßer schöner Schein. Ich sortiere falsch, weiß ich jetzt. Ich muss Deckel und Gefäß voneinander trennen und die Stoffe so in den gelben Sack stecken, dass sie maschinell oder mit einfachen Handgriffen sortiert werden können. Oder am besten gar kein Plastik mehr kaufen. Ich bin zurück am Kistenschleppen, Quark, habe ich entdeckt, gibt es auch in Pfandgläsern, und die neuen Vesperdosen für die Kinder sind aus Metall, es wird offen gekauft, was es autounabhängig offen gibt, und was Reinigungs – und Hygieneartikel betrifft, mache ich mich nochmal schlau, was sich wie umweltschonend gestalten lässt. Ich kann auch nicht ewig aufschieben –
Das tue ich genug, und bisweilen purzelt´s dann übereinander. Im Moment ist der Kopf so voll, dass die Koffer mehrfach umgepackt werden, als hätte das eine direkt mit dem andern zu tun. Ein bisschen geht es mir wie Candide, der stets sicher war, in der besten aller Welten zu leben und immer wieder mit der Nase darauf stieß, dass dem nicht so war. Ich neige dazu, die Worte und Vorhaben der Politik mit ihrem Handeln gleichzusetzen und anzunehmen, dass es für alle Abläufe, um die es geht, die betreffenden Regeln gibt. Um später festzustellen, dass es wieder bloß eine Idee war, oft noch nicht mal um eine einzuschlagende Richtung. Nichts verändert sich, und nichts darf sich verändern, weil sofort irgendwer aufschreit, grade sowieso, wo jeder der Wichtigste ist. Vielleicht geht es alles auch gar nicht. Vielleicht ist es wirklich zu viel Wirtschaftstreiben, das da reglementiert und kontrolliert und gelenkt werden müsste. Und vielleicht ist Solidarität auch nur so eine Idee, ein schönes Wort.
Es scheint zu viel für die Welt, zu viel für die Regierenden, zu viel für mich. Zumindest im Moment. Familyaffairs, volle Pulle. Die Kinder werden groß, die Eltern alt und jedes der Geschwister geht anders damit um. Bisweilen bin ich froh, wir schaffen es, die Dinge so zu regeln, dass sich alle noch liebhaben können.
Ich bin an Einschulungsthemen. Manche Schulsachen sind bereits ausverkauft. Zum Glück ist wenigstens die Schultüte jetzt fertig. Wie das mit dem Fest wird, lassen wir auf uns zukommen. Und so halten wir´s auch mit der Fasnet, um die sich bereits gesorgt wird. Das juckt mich noch überhaupt nicht. Ich denke, es gab Ostern trotz Corona, Pfingsten und sogar Freibad und Sommerferien, es wird einen Advent geben und Weihnachten, und eine Fasnet bestimmt auch, anders halt und bestimmt unvergesslich.
Dann natürlich Corona. Die große Demo in Berlin diesen Samstag ist verboten worden. Ich könnte mir vorstellen, den Organisatoren kommt das Verbot mitunter entgegen. So können sie ´trotzdem´, und das ist eigentlich viel geiler. Mir scheint ja, es sind gar nicht so sehr die einzelnen Coronaregeln der Stein des Anstoßes. Abgesehen davon, dass man Regeln nicht gut finden, sondern sich an sie halten soll – in der Tempo-30-Zone kann man auch fünfzig fahren wollen, und Steuertricksereien gelten vielen als schlau – scheint mir, ist es nicht die Maske, die, wer sie nicht mag, ohnehin unterm Kinn trägt, und auch nicht der eineinhalb-Meter-Abstand, den man überall im Land brechen kann, ohne dafür nach Berlin reisen zu müssen. Dies zu tun ist in der Masse allerdings, friedlich und doch provokant, bei Weitem öffentlichkeitswirksamer. Es geht dort auch weniger, könnte ich mir vorstellen, um die Künstler, die wieder auftreten wollen oder um Reiseveranstalter, die ihre Reisen verkaufen wollen, und vielleicht noch nicht mal um die Angehörigen von Patienten und Bewohnern in Krankenhäusern, Hospizen und Pflegeheimen, die ihre Lieben besser begleiten wollen. Es geht hauptsächlich um die Frage „wer ist der Staat, und darf der das überhaupt“, mit Verweis auf die deutsche Geschichte, die in der Tat eine besondere Verantwortung mit sich bringt. Die Frage nach staatlicher Macht muss jeder regelmäßig neu beantworten. Aber dabei muss man eben auch abwägen. Eine Regel, die die Freiheit einschränkt, ist nicht zwangsläufig ein Unterdrückungsinstrument. So darf ja auch nicht jeder einfach bauen, wo und wie es ihm passt, nicht mal, wenn ihm das Land gehört. Ökosystemen sind Grundbucheinträge egal. Deshalb gibt es Flächennutzungspläne und Vorschriften. Nur ein Beispiel – es gibt unzählige. Man muss schon differenzieren. Wo Menschen zusammenleben, gibt es Regeln. Und es mag nicht jeder dieses Virus einfach vom Tisch wischen. Nun soll es da also einen großen Aufmarsch geben, die, die durchweg ´nein´ sagen gegen die Staatsmacht. Na prima. Das ist genau, was das Land jetzt braucht. Ich meine, Corona ist eine Krise, die ihre Härten mit sich bringt und ihre Antworten braucht, aber – da gebe ich den Zweiflern Recht – wir leben nicht im Mittelalter und haben es nicht mit der Pest zu tun – sie ist vergleichsweise handelbar und noch lange nicht die ärgste Krise, in der wir stecken. Wenn wir diese nicht packen, einigermaßen geeint als Gesellschaft, wie dann erst die anderen, für die man sich noch viel mehr einschränken muss, denen man viel geeinter begegnen muss. DA wird mir bang.
Mit Macht umzugehen hat man hierzulande noch immer nicht gelernt. „Nein“ und „nicht mit mir“zu skandieren ist nicht per se ein Zeichen souveräner Aufgeklärtheit. Aber es will halt jeder ein bisschen König sein.
Ich auch. Ich muss aber meistens die Böse spielen. Da fällt mir ein, ich habe die Krone vergessen. Das Prinzessinnenkleid ist eingepackt, der Zauberstab auch, die Krone fehlt. In unseren Spielen sind die Rollen klar verteilt; der Plot wird besprochen, im Konjunktiv, dann geht’s los, irgendwann sagt eins ´Spielstopp´. Das haben sie so im Kindi gelernt und es gefällt mir gut. Danach geht´s real weiter, Diskussionen um Notwendigkeiten und Müssens inklusive, immer wieder neu abgewogen. Es muss für alle passen.
Koffer nochmal auf. Krone rein. Und wieder zu. Jetzt ist´s aber gut. Nix wie los ans Meer. Ich habe Angst um die Zukunft der Kinder. Aber erstmal wollen wir genießen, so gut wir können. Ferien, Sommer, Meer. So schlecht ist alles vielleicht auch gar nicht. Maske auf und zum Zug – yeah
Ich habe Urlaub gebucht. Mit dem Zug an die Ostseeküste. Rügen. Das ist ein Stück Weg; so lange haben meine Kinder noch nie Mundschutz getragen. Aber ich würde behaupten – das ist die Reise wert. Ich freue mich riesig und habe den hilfsbereiten Damen im Reisebüro – die Buchungsseiten der Bundesbahn überfordern mich völlig – zum Dank handgefertigte Pralinen gekauft. Mir selbst habe ich ein Glas Prosecco am Kappelenhof genehmigt – das Ticket in der Tasche ist ein Grund zu feiern. Die Sonne im Gesicht wird die Stadt zur Insel im Meer, und das leise Rauschen vom Ufer der Hochbrücktorstraße lullt alle Sorgen ein. Das Leben ist schön.
Dann ist der Prosecco leer, der Geldbeutel auch, ich gehe. Eine Nachricht auf dem Handy, jemand fragt nach den Hausaufgaben. Ach ja – die schon wieder. Der Große geht wieder täglich in die Schule, und zuverlässig vergällen uns das frühe Aufstehen und die Hausaufgaben wieder einen nicht unbeträchtlichen Teil des Tages. Eine Neun-Uhr-Schule, die bis mittags um drei geht und ohne Hausaufgaben heimlässt – das wär´s! Für die Kleine werden der Abschied vom Kindergarten und die Einschulung vorbereitet. Sie hat ihre erste Zahnlücke und erlebt zwischen diesen Meilensteinen des Großwerdens regelmäßige eigene Höhen und Tiefen. Es würde mich nicht wundern, wenn ich irgendwann im Rückblick diese ganzen Jahre als eine Abfolge unterschiedlichster Pubertäten ansehen würde. Irgendwo schafft´s immer. Trotzdem sind eigentlich alle guter Dinge und grundfröhlich. Und so lange das so ist, will ich nicht zu laut jammern.
Ich laufe an Zeitungsständern vorbei und der Artikel vom Vormittag fällt mir ein, und die Nachrichten vom Vortag, und die der letzten Tage und Wochen. Es gibt zu viel Kinderleid in der Welt. Viel zu viel und viel zu schlimm. Und das wird gleichmütiger hingenommen als Krieg, Klimawandel, Wirtschaftskrisen und Corona. Das geschieht und kommt in den Nachrichten. Und damit sollen wir einfach leben. Das geht nicht.
Am Vortag habe ich in den Nachrichten Meldungen von etlichen am Unabhängigkeitstag in den USA getöteten Kindern gehört. Wenigstens zwei waren demnach aus vorbeifahrenden Autos erschossen worden. Ich habe etwas davon am Abend im Internet wiedergefunden ohne danach gesucht zu haben, und denke mal, es ist was Wahres dran. Im Vorbeifahren abgeknallt. Mein Verstand weigert sich das gedanklich zuzulassen. Aber ich schließe es nicht aus. Die Welt dreht sich täglich und dreht täglich durch. Und täglich wird über Normalität geredet und keiner weiß mehr, was ´normal´ eigentlich ist. Waffen produzieren bis über sämtliche Ohren und hetzen und Unfrieden schüren und dann werden Kinder einfach abgeknallt und das soll man als Kollateralschaden und ´normal´ hinnehmen. Geht’s noch?
(Die lautesten ´Macher´ machen am wenigsten neu. Kann das sein? Trump, der Macher, gibt die Schuld an diesen toten Kindern allen, nur nicht den Waffen, deren Industrie er eben NICHT antasten will und auch nicht der aggressiven Stimmung, die er schafft. ´Machen´ ist bei ihm und Konsorten gleich ´das Alte durchziehen´, um nur ja nichts verändern oder sogar neu schaffen zu müssen.)
Immer wieder, hier und da, habe ich über verstümmelte Mädchen und versklavte Buben gelesen, und dann eben, am Vormittag in der hiesigen Tageszeitung, diesen Artikel über Kindesmissbrauch in Deutschland. Solche Artikel lese ich meist nicht, sie machen mich fertig. (An dieser Stelle meinen allergrößten Dank an die, die ermitteln, meine Hochachtung, meinen Respekt. Es gibt viel Übel auf der Welt, aber manches sprengt auf eine Weise die Vorstellungskraft, dass es kaum auszuhalten ist. Möge den Ermittelnden alles zuteil werden, was es braucht, um auszuhalten). Es ist ja nicht bloß die bloße sexuelle Neigung. Wollen kann man viel. Es ist die Niedertracht, die Grausamkeit und das skrupel – und hemmungslose Austoben von Gewalt gegenüber Schutzlosen, das zwischen den Zeilen durchdringt und den Boden wegzieht. Dieser Artikel jedenfalls war kein Bericht mit vage angedeuteten Ungeheuerlichkeiten, es war ein Interview mit einem Polizisten und handelte von Verfolgung und Aufklärung.
Sieben bis acht Anläufe braucht es im Durchschnitt; sieben bis acht Mal erzählt ein Kind, zum Teil vermutlich auch unterschiedlichen Personen, von einem erlittenen Missbrauch, bevor ihm geglaubt und geholfen wird. Sieben bis acht Mal. Im Durchschnitt. Das allein ist ungeheuerlich. Jeder weiß, dass es das gibt, und so unvorstellbar es auch bleibt in seiner Monstrosität – jeder weiß, dass das keine Einzelfälle sind, sondern sich wie eine Seuche auszubreiten scheint und nicht selten in ganzen Netzwerken organisiert wird. Ein Virus, das sich verbreitet. Das weiß man. Und dann wird dem Opfer nicht geglaubt. Weil man das Böse, Grausame Schlimme, Unvorstellbare nie in den eigenen Reihen sehen will. ´Bei uns doch nicht!´
Doch. Das glaube ich schon. Auch bei uns. Auch hier. Möglich ist es überall. Weshalb sollte es nicht hier geschehen. Es ist abstrus. Es ist – es fehlen die Worte – böse, krank, beides, irre. Ich weiß es nicht. Aber es ist. Und das darf es nicht.
Jedes Jahr kommen Zahnärzte in die Kindergärten, und in die Schulen kommen Sport-, Drogen-, allerhand Beauftragte. Das ist so weit so gut. Aber ich stelle mir vor, dass von der Krippe bis zum Abitur jedes Jahr jemand in alle Einrichtungen kommt, in der Kinder und Heranwachsende sind, jemand, der dem Kind aufs erste Mal glaubt und Hilfe im Gepäck hat. Das ist sicher schwierig, und es gibt Unmengen von Institutionen, die überhaupt keinen Nerv für derlei Überlegungen haben. (Ich will mich nicht darüber auslassen. Aber es sind oft religiös motivierte Institutionen, die mit dem Glauben an die Unschuld argumentieren, die vor derlei Themen geschützt werden müsse und die dann mitunter ihren eigenen Schindluder damit treiben). Man muss auch nicht die kindliche Unschuld zerstören; man kann über Liebe erzählen, und darüber, dass die zwischen Kind und Erwachsenem anders aussieht als zwischen Erwachsenen. Man kann über Geheimnisse reden, die zwei miteinander haben können, die aber Verrat und Gemeinheit sind, wenn nicht beide gleich gut wissen, worauf sie sich eingelassen haben.
Man kann über Zahnpflege reden; weshalb sollte man nicht auch über – sagen wir – Intimpflege reden können und darüber, was wo hindarf und wann und wie und wann nicht. Ich weiß nicht, wie man das am Geschicktesten verpackt, altersgerecht. Aber ich weiß, dass kindliche Unschuld es aushält auch mit schwierigen, nicht unbedingt altersgemäßen Themen konfrontiert zu werden, solange Sprache und Aufgabe altersgemäß bleiben. Themen fragen nicht nach Alter, Themen verlangen nur unterschiedlich.
Ich weiß es nicht. Aber das Thema hat mir nun diesen Text abgerungen, und das, obwohl ich so frohgemut am Inselfeeling gestartet bin.
Ich bin stinksauer. Habe gerade die Einkäufe eingeräumt. Und ich stelle fest, ´zurück zu normal´ heißt für viele, wir passen jetzt auf gar nichts mehr auf. Ganz viele halten sich weder an Abstandsgebot noch das Tragen eines Mundschutzes. Im Kaufland ist die Hölle los und da hat man jeden Quadratmeter so vollgestellt mit Aufstellern und Wühlboxen, dass an einen Abstand überhaupt zu denken ist. Und auf dem Markt trägt kaum jemand Mundschutz, und es wird ungeniert ins Genick gepustet und auf die Pelle gerückt, und fröhliche Frauen erzählen fröhlich, wie viel Platz man hat, sobald man ein Mal herzhaft niest.
Mir fehlen die Worte für ein solches Ausmaß an gutbürgerlichem, fehlendem Anstand.
Ich trage den Mundschutz auch nicht und halte den Abstand auch nicht wegen Angst, weil ich hypochondrisch veranlagt, neurotisch, überspannt oder sonstwas bin. Ich habe keine Angst vor dem Virus. Ich vertraue auf meine robuste Natur und auf ein robustes Gesundheitssystem. Im Übrigen weiß ich, dass ich sterblich bin und habe auch damit kein Problem. Ich halte mich an die Regeln aus Respekt, (zumindest an die, die mein eigenes Gebaren betreffen. Was die Kinder angeht, so sehe ich nicht mehr wirklich ein, weshalb ich sie isolieren sollte). Aus Respekt vor den Kleinen nämlich, vor den ganz Kleinen.
Ständig wird gefaselt, wir Großen sollten uns an die Regeln halten aus Solidarität mit den Alten und Schwachen. Das ist Nonsens. Wir sollten es tun wegen uns selbst. Es ist die mittlere Generation, der nicht im Home-office arbeitende Teil der Bevölkerung, der am häufigsten infiziert ist, und der derzeit auf den Intensivstationen liegt. Denn es stimmt auch nicht, dass Covid19 nur bei den Vorbelasteten einen schweren Verlauf nimmt – das kann es auch bei Jungen, Gesunden tun. Die genesen zwar wieder, müssen aber mitunter wochenlang beatmet werden (und tragen davon teilweise bleibende Lungenschäden davon). Wir tun es also aus eigenem Interesse, zum eigenen Schutz.
Die Kleinen aber, die tun es nicht für sich selbst. An den Kleinen geht eine Infektion meist problem – bis symptomlos vorüber; sie hätten eine wunderbare Chance auf ganz natürlichem Weg eine Herdenimmunität wenigstens ihrer Generation aufzubauen. Sie werden weggesperrt, damit sie die Großen nicht anstecken. (Was dem Virus nicht ganz leicht zu fallen scheint; anscheinend stecken sich Kleine eher an Großen an als andersherum). Sie werden isoliert für uns. Das heißt im Umkehrschluß je besser wir Großen auf uns selbst aufpassen, desto freier könnten die Kleinen sich bewegen. Wenn wir Großen unter uns bleiben, Abstand halten, die Hände waschen, all das, wenn wir Großen dafür Sorge tragen, dass wir das Virus nicht weiterreichen, dann könnten die Kleinen auch wieder in Kindergärten, Schule und auf Spielplätze. Dazu müsste jeder Große a) Kontakte minimieren bzw sich in dem Maß isolieren, wie man es derzeit von den Kindern verlangt, b) auf die Hygieneregeln achten, c) sich selbst genau beobachten, sprich Temperatur messen, auf Husten, Niesen, Geschmackssinn usw achten und d) beim ersten leisen Verdacht einen Test bekommen und im Zweifel auch vorsorglich zu Hause bleiben (dürfen).
Und das ist der springende Punkt. In all diesen ´Zurück zur Normalität´-Reden stehen die ganz Kleinen an letzter Stelle, werden häufig nicht einmal genannt. Die Großen gehen shoppen, halten locker vom Hocker einen fröhlichen Quatsch auf dem Markt, und die Kleinen dürfen noch nichtmal auf den Spielplatz. Und wenn es die Tage in den Nachrichten hieß, Ziel sei, dass alle Schüler vor den Sommerferien Präsenzunterricht bekämen und die Kinder in die Kindergärten könnten, vor allem die Vorschüler, so klang das in einem Brief der Kultusministerin Eisenmann heute schon wieder anders, ´wenn es die Lage erlaubt´. Jajaja. Das kennt man ja. Man wollte, aber es ging halt nicht. Das ist schon wieder halb zurück gerudert.
Und das ist die Unverschämtheit unserer Generation: damit wir uns nicht so plagen müssen, werden die ganz Kleinen weggesperrt Aus den Augen aus dem Sinn. Und es wird so getan, als könne man im Lehrplan grade so weiterfahren, damit das nächste Schuljahr dann kraftvoll angegangen werden kann.
Geht’s noch?
Ich bin nicht dazu da, einem Grundschüler die Lehrerin zu ersetzen. Ich ersetze bereits Freund und Freundin. Und ich werde den Teufel tun und meine Beziehung zum Kind mit neuem Schulstoff belasten, den ich nicht gelernt habe zu vermitteln. Das ist Aufgabe der Lehrer, und wenn die Zeit in diesem Schuljahr eine Einhaltung des Lehrplans nicht erlaubt, dann wird der Lehrplan angepasst und nicht das Elternhaus, und nicht die Ferien, und nicht das Kind.
Die Kinder erdulden gerade genug. Und wie Herr Spahn sagt, wir werden viel verzeihen müssen. Das mag sein. Dann können wir nur hoffen, die Kleinen werden das dereinst auch können. Wer weiß, was sie erinnern, was aus dieser Zeit sie im Gedächtnis behalten. Das Isoliert-sein wird manchen sehr präsent bleiben. Und wenn sie irgendwann kapieren, dass man sie nicht zum eigenen Schutz, sondern zu dem der Großen weggesperrt hat, damit die es ein bisschen netter haben, dann kann gut sein, sie haben wenig Lust zu verzeihen, sondern sind erstmal wütend. Grund dazu hätten sie.
Leute, lasst die Kinder raus und passt auf euch selbst auf! Haltet diesen beschissenen Abstand und tragt einen Lappen vor dem Gesicht, wascht euch die Hände und beobachtet euch sorgsam. Es ist einfach nicht fair, die Last den Kindern aufzubürden!
Zur Diskussion über Ferienkurse und also eine Verkürzung der Ferien.
Ich nehme ja an, dass das nicht sowohl als auch zur Debatte steht. Wobei – wundern tät´s mich nicht. Was muten wir den Kindern eigentlich alles zu?
Die machen das alles super! Sie malen Regenbögen und halten sich von Spielplätzen fern, sie bemühen sich im Daheim auch die Schule zu sehen und treffen keine Freunde. Sie sehen nur Erwachsene und die viel am Telefon. Viele sind das einzige Kind, viele sehen kein anderes. Und fürs Quatschen mit Freunden am Handy sind sie zu klein. Sehr viele sind viel isolierter als viele Große.
Dabei überstehen sie eine Infektion in aller Regel symptom – bis problemlos, und sie werden von Erwachsenen eher angesteckt, als sie ihrerseits die Erwachsenen anstecken.
Ich finde gut, wenn sie wieder in Schule und Kindergarten gehen, die Älteren zuerst, die packen das, dann die Kleineren, die können sich abgucken wie der neue Schulalltag geht. Und es wird getestet was das Zeug hält. Und es sind die Großen, die Erwachsenen, die untereinander den Abstand halten.
Was bürden wir den Kindern eigentlich auf? Was ist mit ihrem ´ zurück zur Normalität´?
Sie gehen wieder in Schule und Kindergarten. Weil sie das so kennen, weil es dazugehört zu ihrem ´normal´. Sollte sich die Frage nach einer generellen Möglichkeit zum Homeschooling stellen, sei die an anderer Stelle diskutiert. Sie waschen sich die Hände und niesen in die Armbeuge, in der Schule sitzen sie möglichst weit auseinander, und die Fenster stehen offen. Man ist angehalten Abstand zu halten, Strafarbeiten gibt es deshalb aber nicht, und auf dem Pausenhof gibt es Spiele. Keiner macht Panik, weil man Stoff verpasst hat, und man setzt nicht da an, wo man aufgehört hat, sondern da wo man noch früher war – und holt erst mal zurück in die Normalität. Und dann noch ein,zwei Sachen aus dem Lehrplan, ohne Stress, nur damit Neues in die Köpfe kommt, und dann sind Ferien, jawohl, und Ferien sind Ferien, auch zu Coronazeiten, ob man nun verreist oder nicht. Es ist Sommer, kein Homeschooling, keine Aufgaben, Eltern haben Urlaub – ich habe meinen eingereicht und genehmigen lassen und lege Wert darauf, diese Zeit mit meinen Kindern zu verbringen – und für die gibt es einen Weg, einen darf es geben, minimiert, aber nicht auf Null gesetzt, einen Weg, Kontakt zu anderen Kindern zu haben, einen, der Spaß macht und nicht Ferienkurs heißt. So wie die Großen auch ihre Wege haben.
Es geht nicht nur um versäumten Lehrstoff. Dann passt man wegen Corona halt die Lehrpläne an. Davon geht die Welt nicht zugrunde. Und in der Nach-Coronazeit wird es berücksichtigt. Wie eine Art Rettungsschirm. Es geht darum, möglichst stark aus dieser Krise hervorzugehen. Es ist nicht die einzige und wird nicht die letzte sein.
Ich komme aus dem Staunen nicht mehr raus. Das ist neu. Boah. Ich kenne keinen, der einen kennt, der einen kennt, der sowas schon mal erlebt hat.
Das Leben ist lahm gelegt.
„Vermeiden Sie unnötige Kontakte!“
Fällt mir einigermaßen leicht. Ich bin gerne mit mir und meinen Kindern allein. Und es gibt ja social media, und streaming, und allerhand häusliche und familiäre Vergnügungen. Es war auch schon anders – es gab schon Zeiten, da hätte mir diese erzwungene Isolation schwer zu schaffen gemacht, und ich kann gut nachvollziehen, dass es das heute bei vielen tut.
Was heißt schon ´nötig´? Das gehen die Definitionen weit auseinander.
Meine Kinder empfinden es als schier unfassbaren Einschnitt, wenn sie keine Freunde mehr treffen können. Und ich verstehe sie. Die Großen, die gehen arbeiten, nach wie vor, sie gehen einkaufen, reden hier und machen da – nur das Nötigste, freilich, aber sie haben Kontakt zu ähnlich gestellten. Den haben die Kleinen nun nicht mehr. Mitunter gar nicht mehr. Das ist nicht leicht zu nehmen, auch mit Spazierengehen, Spielzeug und Internet nicht. Irgendeine Form des Austauschs und Abgleichs braucht´s auch für die, die zu klein sind zum Chatten und dergleichen, zum kontaktlosen Kontakt.
Mit den Kindern war ich am Wochenende noch auf dem Spielplatz. Diese Woche dürfen wir schon nicht mehr. Letzte Woche traf der Sohn noch den Nachbarsbuben. Ob er das nächste Woche noch kann, kann ich ihm nicht versprechen.
Ich war alleine spazieren. Mache ich eh am Liebsten, dann kann ich ungestört meinen Gedanken nachhängen. Von der Haustüre weg brauchte es ein paar Straßenecken, bis ich den ersten Mitmenschen sah. Die Stadt oberhalb des schwarzen Tores war wie ausgestorben, in der oberen Hauptstraße schließlich war es ruhig wie an einem Sonntag im August. Und überall Schilder ´geschlossen´.
Ich traf ein paar Bekannte, drei Leute, die sich ebenfalls zufällig getroffen hatten und sich unterhielten. „Wenn jetzt noch zwei dazukommen, stehen wir so weit auseinander, dass wir Platz brauchen bis auf die andere Straßenseite!“ Irgendwann rufen wir uns nur noch aus der Ferne zu. (Oder wir singen wie die Italiener – das ist wundervoll!)
Bei entgegenkommenden Spaziergängerpaaren tritt eins hinter den anderen und man läuft Kolonne, so dass man beim aneinander-Vorbeikommen den nötigen Sicherheitsabstand einhält.
An der Kasse wurde ich heute dagegen gerügt. Ich hatte mich nicht vordrängeln wollen. Ich hatte die Dame, die so weit weg stand, nur nicht als das Ende der Schlange erkannt.
„ Flatten the curve!“ Vorweg – ich verstehe den Sinn all dieser Maßnahmen und befolge sie, ergeben, aber nicht gerne, bisweilen zähneknirschend. Aber ich befolge sie – weitestgehend. Es gibt immer eine gewisse Spannbreite, in der Regeln ausgelegt werden können. In den diversen Diskussionen in Whatsapp-Gruppen und Chats liege ich schnell im Clinch mit den Hardlinern, deren Kontakte außerhalb des direkten familiären Umfeldes auf Null gefahren sind. Null. Niemand. Nichts mehr Alles darüber Hinausgehende gilt als ´unnötig´. Damit tu ich mich zugegeben schwer. Vorauseilender Gehorsam ist mir kaum gegeben. Immer hat es ein doppeltes und dreifaches ´Nein´ und eine gute Begründung gebraucht, damit ich folgen konnte. Und ´Einschränken´ ist nunmal nicht ´Streichen´.
Das Gesundheitssystem muss die Erkrankungen auch verschaffen können. Das leuchtet ein. Es soll niemand mit einem ernsten Verlauf dieser oder einer anderen Krankheit auf Hilfe verzichten müssen, weil das System überlastet ist. Aber deshalb kann ich doch zum Beispiel die alten Eltern nicht auf Wochen und Monate hinaus ihrem Schicksal überlassen. Das wäre das Gegenteil von Zusammenhalt.
Auch Isolation hat ihre Grenzen.
Ich habe beim Gesundheitsamt angerufen. Die sagten nicht „Sie dürfen“, aber sie sahen die Problematik – und überlassen die Entscheidung mir. Immerhin. Und ich entscheide, ich gehe. Ich war nicht in einem Risikogebiet, habe keine Symptome, war nicht mit einem Menschen in Kontakt, der welche hatte oder gar positiv getestet wurde, und wenn ich darüber hinaus ein paar hygienische goldene Regeln berücksichtige – dann kann ich – eingeschränkt – das auch tun.
´Systemrelevant´. Ein Wort, bei dem ich ein komisches Gefühl bekomme., weil ich nichts als irrelevant einstufen will., und weil es viele Systeme gibt, die am Laufen gehalten werden wollen. Systemrelevant für unser gesellschaftliches, als Staat organisiertes Leben ist vieles. Nach den Eltern gucken empfinde ich als absolut systemrelevant.
Und mein Sohn würde sagen, Kinder treffen ist absolut systemrelevant, für sein System ist es das.
Zum Teil stellt uns die gesamtgesellschaftliche Quarantäne vor durchaus auch vor willkommene Aufgaben. Kino ist zu, Freizeitpark ist zu, Schwimmbäder, Indoorspielplätze – alle diese Sachen, die regelmäßig gewünscht werden und ein Vermögen kosten, sind zu, und es ist nicht Mutters Schuld und Kleinlichkeit, sondern mit guten Gründen verordnet. So gesehen perfekt. Das Angebot wird bescheidener, und gleichzeitig vielfältiger, weil Tätigkeiten in Betracht kommen, die im sonstigen Angebot meist den Kürzeren zogen.
Oder homeschooling. Ein interessanter Versuch, vor allem mit dem Jungen, der alle Müssens, die mit der Schule üblicherweise zusammenhängen, verabscheut. Letzt geht´s ums reine Lernen und die Bereitschaft dazu. Ich bin gespannt, wie wir das hinbekommen.
Aber allzu lange können wir auf Kinderkontakte nicht verzichten. Eine Ausgangssperre gar wäre ein Horror. Und da fängt bei mir die Unsicherheit an. „Zwei bis drei Wochen“ „hieß es. Aber abgesagt werden Veranstaltungen bis in den Sommer hinein, und wappnen tut man sich für eine Erkrankungswelle, deren Zenit noch lange nicht überschritten ist. Wie lange soll diese Isolation denn anhalten?
Kinder, so habe ich gelesen, stecken sich eher bei Erwachsenen an als ihrerseits diese anzustecken, und eine Infektion überwinden sie in aller Regel leicht.
Ein großes Problem in diesem „Was darf man alles nicht“ und was überhaupt noch, ist ja, dass es so schwierig ist, sich testen zu lassen. Man wolle die Infizierten UND gleichzeitig Gefährdeten weil Vorerkrankten oder Schwachen möglichst schnell herausfiltern – getestet wird nur, wer Symptome aufzeigt und auf irgendeine Weise risikobehaftet ist. Und das verstehe ich nun nicht. So geschieht es doch gerade, dass viele infiziert sind, es nicht wissen, und andere anstecken, ohne dass einer einer Risikogruppe angehört hat. Von irgendwoher kommen die täglichen Infektionen, und ich schätze mal, aus dem ganz normalen Umfeld. Wenn aber jeder rätseln muss – war mein Hüsteln und das Kratzen im Hals heute früh vielleicht ein Anzeichen, habe ich nur einen sehr schwachen Verlauf? Oder wie war das gestern mit meiner Müdigkeit und dem Kopfweh? – dann kann man auch nicht vernünftig entscheiden, wie man sich verhalten soll, und es gehen Leute zur Arbeit, die das nicht sollten, und die andererseits aber auch nicht unkollegial sein wollen, und andere, wie eben Kinder oder Alte, werden in die völlige Isolation gezwungen, und ein Großteil des öffentliches Diskurses kommt zum Erliegen .
Es gibt diese Tests. Und sie sind bezahlbar. Das habe ich in der Welt gelesen, die ja nun als konservativ und seriös gilt. Die Tests würden nicht zuletzt wegen föderaler Unstimmigkeiten ungeschickt verteilt bzw eben nicht verteilt. Keine Ahnung. Wenn das stimmt, plädiere ich in diesem Zusammenhang für eine Neuordnung!
Echt! Das mit diesen Tests, die nicht zu bekommen sind, ist sehr daneben.
Da liegt ist eine wunderbare, beeindruckende Entschlusskraft in dieser Zeit. Die finde ich großartig! Die würde ich mir in manch anderen Zeiten und Krisen auch wünschen, beim Umweltschutz etwa, beim Klimawandel und bei der Bekämpfung von Fluchtursachen. Kollektiv die Notbremse ziehen – Geht doch!
Und so beherzt, wie da jetzt entschieden und gehandelt wird – wenn man mit etwas mehr Ehrgeiz auch dafür sorgte, dass sich, wer unsicher ist, auch testen lassen kann, dann würde es das Ganze leichter verdaulich machen. Sicherheit hilft zur Selbstverantwortung. Auch das empfinde ich als systemrelevant. Es soll ja eben „nicht leichtfertig, und nur temporär“ auf die Lebensqualität gedrückt werden – so waren Frau Merkels Worte.
Ich vertraue den Bestimmenden durchaus. Ich bin sicher, sie wissen, was sie tun und haben gute Gründe. Manchmal verstehe ich nicht. Der Ablauf der Geschehnisse und die Informationen verwirren mich bisweilen und werfen mehr Fragen auf als sie beantworten. Dabei gestehe ich zu, dass die Situation für alle neu ist und man auf nicht sehr viel Erfahrung zurückgreifen kann. Und ich stelle zur Debatte und lasse mich aufklären. Aber erst einmal vertraue ich und halte es nicht mit Verschwörungstheorien. Lesen tu ich sie allerdings manchmal – schon wegen des Unterhaltungswertes: die Pharmaindustrie war´s. Die wollen mehr Umsatz. Oder ein in China entwickelter, versehentlich entwichener Virus. Oder das war in Russland, oder in den USA, oder in Israel. Oder er ist eingeschleppt und angehängt – dazu eine Liste aller derer, die immer die Ersten sind, auf die man zeigt und die man ausgrenzt. Und – auch nicht ohne – die Finanzindustrie steckt dahinter: weil man nämlich ein neues Finanzsystem einführen will, und dazu müssen die Zentralbanken abgeschafft werden, und weil das nicht so mir nichts dir nichts geht, muss man einen Notstand ausrufen und das wird also jetzt eingetütet, und dann kommt ein crash, und ein neuer Goldstandart, und ein Schuldenschnitt, und mit dem kommt dann auch der Frieden überall. Nur die EU wird noch zerschlagen und es wird zwangsgeimpft und jeder bekommt einen Chip. Aber dann ist alles wieder gut.
Uff. Da muss man auch erst drauf kommen.
(Ich habe das von jemandem, den ich ausgesprochen lieb habe, dessen Thesen ich gleichwohl mit allerhöchster Vorsicht genieße. Demnach wäre auch die Erde eine Scheibe. Also – bei aller Liebe…)
Ich stelle nur fest, dass keiner mehr über die zwischen der Türkei und Griechenland feststeckenden Flüchtlinge spricht. In diesen ganzen Krisengesprächen der EU-Spitzen war das offenbar nicht mehr Thema. Die Leute sind einfach immer noch dort. Und hier gilt die Parole „Abschotten“, und jeder findet es völlig in Ordnung und vernünftig und angebracht und richtig. „Vermeiden Sie unnötige Kontakte“ und „Grenzen zu“ – das macht Corona mit uns, und wir beschwören den Gemeinsinn und die Solidarität und den Schutz unserer Lieben.
Und Ostern fällt aus und wenigstens nageln wir keinen ans Kreuz.
Ein Trost – Es wird ein Leben nach Corona geben.
Ich habe eine Freundin umarmt. Ohne Küsschen, und auch nur ganz schnell und flüchtig und mit nur homöopathischem Haut-an-Haut-Kontakt. Und heimlich, nach Blick links und Blick rechts. Wir WOLLTEN einfach. (Getrauen sich eigentlich Liebespaare noch einander zu küssen und so? Ich bin nicht betroffen, aber ich wüsste es gern).
Eins steht fest, nach dem „Vermeiden Sie!“ muss was andres kommen. Vielleicht besteigt statt Frau Merkel Lena Meyer-Landrut den Ring, mit pinken, zum Turm auftoupierten Glitzerhaaren und verkündet trollsmässigen Knuddelalarm. Und die Glücksbärchis gehen Streife und überprüfen, dass er auch eingehalten wird. Muss ja keiner übertreiben. Make it, but make it safe.
Ich habe auch über die spanische Grippe gelesen. Die hat nach dem ersten Weltkrieg ein Mehrfaches an Toten gefordert als es sie in diesem gab, wo die Überlebensdauer an der Front im Schnitt 14 Tage betrug – dann musste der Nachschub anrollen. Das muss man sich mal vorstellen. Es war von bis zu 50 Millionen Toten weltweit die Rede. Das muss ein übler Virus gewesen sein, und er traf auf von vornherein dezimierte, erschöpfte, gequälte Bevölkerungen und darniederliegende Gesundheits – und Versorgungssysteme. Man wundert sich ja, dass es keine zwanzig Jahre später wieder genug Leute für einen neuerlichen Krieg gab. Die goldenen Zwanziger. Nicht nur in den schillernden Städten – anscheinend hat man es sich allerorten ein bisschen nett gemacht.
Nach der Pest, die die Bevölkerung glatt halbiert hat, erzählt eine Freundin, ist sie wiederum explodiert, und die Lebensfreude feierte neue Blüten. Damals – es hat wohl jemand als übertrieben empfunden – entstanden die Polizey –Ordnungen.
Nach Corona. Man darf gespannt sein. Ob bloß ein wenig geläutert und um eine Erfahrung reicher. Oder gechipt und geimpft und neu verstaatlicht und alle mit Nuggets in der Börse. Oder wir staunen wieder, weil gar nichts zusammengebrochen ist wie befürchtet, und weil man ganz neue Qualitäten entdeckt hat. Vielleicht wird auch einfach nur wieder mehr geküsst.
Es hat schon auch Vorteile, getrennt und unter verschiedenen Dächern zu wohnen. Die Fasnet hier, in der Stadt, Theaterpremiere dort, im Adler in Hausen, bei Papa – so hat alles seinen Platz. Die Kinder waren freilich in beides involviert. Sie haben zum Glück eine gewisse Übung im Wechseln zwischen verschiedenen Betriebszuständen.
Doch auch sie waren durchaus aufgeregt. „Premiere“ ist ein Wort, dessen Wichtigkeit sie kennen. Premierenwochen stehen unter einem besonderen Stern. Und diesmal spielten sie beide mit, diesmal war es auch ihre Premiere. Die kleine Tochter, gerade sechs geworden, sollte zum ersten Mal auf der Bühne stehen.
Sie wussten nicht recht, was da auf sie zukam und hatten viele Fragen und Unklarheiten. Die konnte ich kaum beantworten und klären. Schon deshalb freute ich mich selbst auch auf den Besuch der Premiere. Nach dem Besuch eines Theaters ist man bisweilen ja tatsächlich schlauer. Und ich gebe zu, ich habe mich seinerzeit auch in das Flair des Adlers verliebt. Ein Haus wie eine Burg. Ein Haus, das auch schon Unfrieden erlebt hat, und dennoch Frieden und Behaglichkeit ausstrahlt. Ein guter Ort, sich wenigstens einen stattlichen Teil der Zumutungen der Welt von der Pelle zu halten.
Natürlich waren meine Kinder klasse! Auch wenn sie in ihrem zweiten Auftritt so gut wie den gesamten Text vergessen hatten. Vielmehr, eins hat vergessen und das andere sich dann nicht mehr getraut. Aber sie waren großartig. Ich weiß ja, was sie alles an Rollen drauf haben – Prinzessin, Superman, der ultimative Ninja, Mutter, Vater, Kind, Monster, Fee oder Fiesling. Hier sind sie zwei Wildfänge. Das passt.
Wild daher geht´s im Stück. Bei den Kleinen fallen Stühle um, bei den Großen Krüge und ganze Männer. Bäume sind Raufklettersachen, Dellen Ansichtssachen und Moral spontane Sachlagensachen. Das Verursacherprinzip wird frei Schnauze ausgelegt. Wer mit dem Auto gegen einen Baum knallt, verklage den Baum. Schwäbisch, hemdsärmelig und vertraut; dabei wähnt man solche Justizapparate in Schurkenstaaten. Naja. So ist das eben. Ist immer alles relativ.
Hier geht es ja nicht um Macht. Im Grunde geht´s auch im zerbrochnen Krug ums Lieben und Begehren. Und was wie sein darf und wie nicht. Da kommen kleinere Manipulationen und Verdreher schnell als gute Tat daher.
Witzig ist´s. Ein paar gute Gags hat er immer drauf, der Herr Papa, das muss man ihm lassen. Und den sich im Schlamassel windenden, nichtsdestotrotz gewitzten Richter geben kann er auch. Und jetzt kann ich den Kindern erklären – woran es liegen könnte, dass ´Regina´ – (Regina Wisser) – die Mutter Marthe – so unbedingt wissen muss, wer den Krug zerdeppert hat. Wo es ihr doch gar nicht um den Krug geht. Und weshalb Mucki – Michael Otto – als Schreiber so viel mehr aussieht wie ein Richter, als Papa, der doch der Richter ist. Und worüber die beiden sich streiten. Und was hat die Regina – Mutter Marthe – eigentlich gegen den Tobi – Tobias Otto – Ruprecht – wo der doch so nett ist. Und wieso schimpft der Papa-Richter so mit der Jessica (Madeja), der Magd?
Ich weiß es jetzt. Ich bin im Bild. Und geh trotzdem nochmal hin. Kinder bejubeln, laut und frenetisch. Ich bin voreingenommen, absolut. Trotzdem – meine Begleiter*innen und ich hatten einen tollen Abend. Ich kann´s also empfehlen:
Weitere Vorstellungen sind am 14. und am 21. März, sowie am 04. April. jeweils 20 Uhr, im Adler in Hausen.
Kindergeburtstage. Rosa Fotoapparate und schwer bewaffnete Lego-Kämpfer, angegessene Kuchen und auf dem Teppich klebende Gummibärchen. Und Hoopsie-poopsie-cutie: Schleim kackende Püppchen.
Die Tochter wurde sechs und hatte sich das gewünscht, und die Freundin des Hauses und quasi Tante war gewillt den Wunsch zu erfüllen.
„Wo geht’s denn hier zum Schleim?“ hatte sie im Spielzeugwarenhandel gefragt.
„Junge oder Mädchen?“
Das gibt es geschlechterspezifisch! Als Experimentierkasten in blau, oder eben rosa Glitzerschleim in bunten Einhörnern, oder zum Selber-anrühren im einem Eiswagen nachempfundenen Plastikwägelchen; versteht sich von selbst – auch dies in Rosa. Und Tütchen mit Pulver, das Badewasser in rosa oder aber blauen Glibber verwandelt. Man bekommt schon von der Vorstellung Hautausschläge.
Nach dem Fest mit dem Sohn Thema für Thema, Punkt für Punkt die mit der Regelmässigkeit des Murmeltiers wohlbekannten Diskussionen durchgegangen: Hausaufgaben sind eine Zumutung, gegen die man mit stets demselben hitzigen Trotz rebellieren muss. Der Unterschied zwischen Können und Können-wollen ist Ansichtssache und also auch die daraus folgende Notwendigkeit des Lernens und Übens. Tabletzeiten zu begrenzen gehört verboten. Einen Unterschied zwischen richtigem Essen und Junk gibt es nicht; Essen ist, was schmeckt und satt macht. Ins Bett gehen müssen ist blöd, Zähne putzen auch, die Liste ließe sich fortsetzen. So viele Müssens.
Manche Müssens fallen mir schwer zu erklären. Weshalb fängt die Schule so früh an, dass man, zumindest im Winter, das Gefühl hat, man steht mitten in der Nacht auf? Ich bin nicht der Schulminister, sage ich dann. Wäre ich es, sähe Schule anders aus. (Eine Schulpflicht gäbe es nichtsdestotrotz; ich halte sie für eine Errungenschaft, nicht für eine Keule.) Müssens generell, meine ich, gibt es halt; nicht alles, was so ansteht, ist immer auch ein Herzenswunsch. Vieles gehört dazu, zum Dasein, also Augen zu und durch. Es ist auch nicht jede Rebellion es wert, durchexerziert zu werden.
Manchmal sind die Verlockungen der Zeit stärker als ich. Glibber und Schleim und Spielzeugwaffen mit Schaumstoffpatronen; Fernsehen und minecraft; Süßigkeiten und Nudeln mit Ketchup; so viel Junk ist so allgegenwärtig, dass er sich kaum draußen halten lässt. (Meine Kinder halten Apotheken für Gummibärenläden). Und so sehr ich dagegen anrenne, so sehr verlieren wir uns in täglichen Reibereien, die auch keinem guttun. Freilich stelle ich mich denen, das gehört zu meinen Müssens anscheinend dazu, aber das bedeutet nicht, dass ich immer gewinne. Ich kann einen Stecker ziehen, aber ich kann weder Salat zwangsfüttern noch in den Schlaf zwingen. Und ich will auch nicht das Gefühl vermitteln, es ginge immer nur um Nachgeben oder Sich-durchsetzen, und um Wollen contra Müssen. Manche Müssens stellen sich ohnehin manchmal als Chance heraus. Aber um das dann zu sehen, darf man nicht zu verhärtet dagegen Sturm laufen. Am Verträglichsten erscheinen mir in diesem Zusammenhang die lebensbejahenden, freudvollen Leute, und die, die differenziert betrachten und bereit sind, im Blöden auch das Gute und andersrum zu sehen. Nicht die, denen es zuallererst um Funktion und womöglich nur eine einzige Vorstellung von ´richtig´ geht. Wobei sich das freilich auch nicht akkurat auseinanderhalten lässt, Asche auf mein Haupt – ich liege auch gelegentlich daneben und vertrete meinen Irrtum mit aller Vehemenz, zu der ich fähig bin. Ich weiß jedenfalls nicht, wie man das an Kinder wirklich und erfolgreich hinbekommt und operiere trotzdem am offenen Herzen.
Manchmal finde ich Eltern-sein auch eine ziemliche Zumutung.
Zwei Geburtstage, zwei Jahre älter. Das ist immerhin ein Trost. Sie werden Argumenten zugänglicher. Mein Sohn wünschte sich zum ersten Mal KEIN Lego-Set, nicht wenig Material mit viel Schnickschnack für viel Geld, sondern Klötze zum Bauen. Halten Jahrzehnte und Generationen von Kindern aus. Fürs Tablet hat er eine Regelung vorgeschlagen, die wir beide gut finden können. Und meine Tochter hat mit Dreck und Matschepampe am Ende sowieso mehr Spaß als mit rosa Glitzerschleim.
Was mich erinnert an ein altes Thema: ein Spielplatz mit Wasserlauf zum Bauen und Matschen wäre klasse! Fehlt in der Stadt, absolut. Wäre im Ringen mit dem Quatsch des Konsumierwahns ein echter Fortschritt.