„Gekippt“  sei sie, in dieser Zeit,

sagte eine Bekannte, die ich die ganze Coronazeit über nicht getroffen hatte. Wir teilen ein Hobby, über welches wir uns mitunter schon recht nahe gekommen sind.  Sie ist gebildet, hat Witz und Esprit, ist gesellschaftlich engagiert und finanziell gut gestellt. Sie steht noch immer mit beiden Beinen fest in ihrem Leben, nur anders, und es ist ein anderes Leben als zuvor, eines, das auf mehr Abstand konzipiert ist. Der Umgang mit Corona habe sie schwer enttäuscht, sagte sie. In Wissenschaft, Medien und Politik hat sie ihr Vertrauen verloren.  Und das ist natürlich übel. Ohne Vertrauen ist alles scheiße, jedes Leben, ich behaupte, selbst das nobelste. Die Diskussionen um die Impflicht haben ihr zugesetzt, und WIE dann geimpft wurde – „alles, was einen Arm hinstrecken konnte“, Schwangere, Kranke, alle. Jede Vorsicht, die beim Impfen stets gegolten hatte, war obsolet. Ich muss dazu sagen – sie ist Medizinerin und weiß, wovon sie spricht. Die Rigorosität der Politik, die mitunter drangsalierte, was sie zu schützen vorgab, die Medien, die keinen Diskurs mehr zuließen und Zweifeln, Ängsten und konträren Positionen meist nur so viel Raum gaben, dass sie sich gleichzeitig diskreditieren ließen – entsetzt war sie schließlich, als sie mitbekam, wie renommierte Wissenschaftler, die andere Thesen vertraten, Ämter und Reputation verloren, Thesen, die auch nicht von Pappe waren.

Das stimmt schon – diese verkürzten Diskussionen, bei denen es nicht mehr um Argumente geht und man sich mit dem gegnerischen Standpunkt tatsächlich auseinandersetzt, sondern Meinungsvielfalt zum Schlagabtausch verkommt, in dem unterschiedliche Positionen wüst und wild aufeinander eindreschen, die sind voll übel. Ich bekomm´s auf Twitter mit, das wegen jedem Mist hyperventiliert,  und ich find´s echt krass. Von „gesinnungsethischer Intoleranz“ sprechen Precht und Welzer in ihrem Buch „Die 4. Gewalt“.  Ich will mich der Medienschelte nicht anschließen. Mir will scheinen, in diesen krisengeschüttelten Zeiten haben alle das Bedürfnis nach Schulterschluss und klarer Position – „pro oder contra“ – Bürger, Politiker, Wissenschaftler, Journalisten und die *innen, alle. Polarisieren, weil in dem Dazwischen  so viele Unabwägbarkeiten stecken und das dann so anstrengend, wenn nicht zermürbend wird. Keine gute Entwicklung. Aber in der öffentlichen Diskussion müssen halt alle Stimmen abgebildet sein. Manche sind mir zu blöd für eine wirkliche Auseinandersetzung, weder ist die Erde eine Scheibe, noch sind wir von Aliens unterwandert, und den Großen Reset muss ich auch nicht unbedingt durchhecheln. Das sag ich dann auch. Aber „Politik und Öffentlichkeit“ sollte zu Ängsten, Zweifeln und Anliegen dennoch Stellung beziehen, so dass auch sie Gegenstand der öffentlichen Debatte sind. 

Das Gespräch kam, wie die Zeit eben auch, von Krise zu Krise, von Corona zum Krieg. „Wer jetzt im Krieg in der Ukraine zu Vorsicht mahnt, gilt sofort als Freund Putins“, monierte die Bekannte. Ich bin mit „Schwerter zu Pflugscharen“ und „Make love not war“ aufgewachsen. Mit dieser Kriegstreiberei tue auch ich mich schwer.

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Immer wieder montags

Sie waren im Grunde an mir vorübergezogen, die Montagsspaziergänge. Ich bleibe so leidlich meinem Neujahrsvorsatz treu und schiebe die geballte Wucht der Krisen öfter mal beiseite. Aber neulich saß ich montags um kurz vor sechs an der Bushaltestelle und wunderte mich über den Menschenstrom, der sich Richtung Schwarzes Tor und Fußgängerzone bewegte. Ich habe einige Leute darin gekannt, nette, friedliche Leute, die mit rechts null und nichts und null am Hut haben. Es dauerte, bis ich kapierte, dass sie wohl Teilnehmer des Protest-Demo-Spaziergangs waren.
Über die wird jetzt gestritten. Muss das sein und wieso und geht das nicht auch anders und weshalb sind sie gegen was eigentlich und vor allem mit wem. Mancherorts gibt es Gegendemonstrationen, und dann wird gestritten, wer sich falscher verhält. Den einen gehen die Maßnahmen nicht weit genug, andere lehnen sie alle rundum ab. Und zwischen den Gegensätzen „NoCovid“ und „Gar keine Maßnahmen“ ist viel Wut und Unverständnis und anscheinend „Spaltung“.
Ich mag dies Trennen in „geimpft“ und „ungeimpft“ und den Druck, der darauf aufgebaut wird, auch nicht. Aus Infektionsschutzgründen mag das die am nächsten liegende Lösung sein, aber mit etwas mehr Mut und Willen hätte es vielleicht doch auch andere Wege gegeben. Hin wie her – spalten tun wir wenn, dann selbst. Wir sind es, die auf die jeweils andern schimpfen und uns entzweien. Die Politik kann kaum besser sein als die Bevölkerung, über die sie regiert. Wären wir nicht so leidenschaftlich bereit zu streiten und uns zu entzweien und wären wir toleranter gegenüber anderen Haltungen und nachsichtiger bei Fehlern, die es überall gibt, wo gehandelt wird, würde sich nichts und niemand spalten. Wir sind mitunter schrecklich kleinmütig…..

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„Zwischen den Jahren“

Ein Blick zurück, vor und ein Mal ringsum

Es fühlt sich nicht „dazwischen“ an, sondern mitten drin.  Meine Mutter erzählt, früher haben sie gearbeitet bis HeiligAbend vier Uhr. Bis dahin musste alles gemacht sein. Dann war geschafft, vorbereitet und das Haus blitzblank. Dann kam Waschen und Umziehen, und die Weihnachtszeit begann. Und der Rest des Lebens ruhte. Das Vieh wurde versorgt, sonst nichts. Vielleicht war da „zwischen den Jahren“ echt Auszeit und ein Dazwischen.

Egal. Weihnachten ist vorbei, und es war schön, so, wie es sein soll, mit Frieden, Freuden und Kuchen. Über Konsumrausch und Völlerei lässt sich streiten, aber trotzdem finde ich wundervoll zu wissen, dass zeitgleich Menschen überall auf der Welt die Liebe und den Frieden feiern und kindliche Unschuld, die der Stern sein soll, an dem man sich orientiert. Ich schenke gern zu diesen Ehren und meine, wenn das überall geschieht, dann ist das Christkind so als Idee doch auch ziemlich real, auch ohne Frömmigkeit.

Und nun steht Silvester vor der Tür. Ich habe eine Weile getüftelt, bis ich einen Rahmen beisammen hatte. In diesen kontaktreduzierten Zeiten scheinen sich allmählich auch Umfeld und Freundschaften zu verändern. Vor Corona ließen sich viele Kontakte nebenbei halten. Man traf sich an Fasnet, Ferienzauber, Stadtfest und Weihnachtsmarkt, Geburtstage wurden groß gefeiert, man traf immer wieder aufeinander. Der Kreis der Nächsten scheint kleiner geworden. Wenn wer ausfällt, fällt schnell auch die Party flach, es müssen ja Groß und Klein zueinander passen, und außerdem will ich mich schon einigermaßen an die Kontaktbeschränkungen halten, nach einigem Dafürhalten interpretiert, das schon, aber nicht negiert.

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Corona

Update

Die 4. Welle rollt; die Deltavariante sorgt für Sorgen. Auch Geimpfte erkranken, wenn zumeist auch nicht schwer, und sie geben das Virus weiter. Ungeimpfte infizieren sich leichter. Aber die Erkrankten sind im Schnitt jünger und erkranken auch deshalb meist nicht allzu schwer. Krankenhauseinweisungen bewegen sich im Rahmen und Sterberaten steigen nicht signifikant an. Richtig?

Wissenschaftler warnen dennoch und das verstehe ich: man muss die Ausbreitung eindämmen, um weiteren Mutationen vorzubeugen. Und das Gesundheitssystem soll nicht überlastet werden. Dort arbeitet man eh am Limit, und alle haben nur zwei Hände – mehr Arbeit an der einen Stelle wird durch weniger an anderer ausgeglichen.

Trotzdem. anfangs hieß es, es solle eine Impfrate von 60 % mindestens erreicht werden, inzwischen sprechen die Entscheider ganz locker von 80 oder gar 90 %, die erreicht werden müssten. Das gekoppelt mit unterschiedlichen Regeln für geimpft und ungeimpft und viel Druck – es ist noch keine, aber dann ist man von einer Impfpflicht nicht weit weg.

Ich bin jetzt selbst zwei Mal und kreuzgeimpft und fühle mich ganz gut damit. Aber das war meine Entscheidung, und wenn sich jemand anders entscheidet, soll das okay sein. Wer sich impfen lassen will, konnte das mittlerweile tun und soll das weiterhin können. Ich bin nicht für ein Trennen zwischen Geimpften und Ungeimpften, und ich bin auch nicht dafür, irgendwie Druck auszuüben. Mit ner Bratwurst locken, meinetwegen, aber dann ist auch gut. Ich bin vorerst für ein Beibehalten der AHA-Regeln, und wer in ein Konzert oder ins Kino will und nicht geimpft ist, soll sich testen lassen können. Wie bisher und umsonst. Weil wer ungeimpft ist, ist er nicht schuld an diesem blöden Virus.  Ich bin nicht für ein Trennen zwischen Geimpften und Ungeimpften. Das tut nicht gut.

Und ich finde es wird Zeit, die Frage zu diskutieren, welche Welle man denn rollen lässt. Man wird nicht jede aufhalten und brechen können. Wo die Verläufe leichter und verträglicher werden, muss es auch das gesellschaftliche Leben tun.

Empören wir uns

Das Reden über den Impfstatus ist so allgegenwärtig wie der Smalltalk übers Wetter. „Bist du schon oder machst du noch?“  fehlt in kaum einem Gespräch. Und meistens verläuft das auch so nonchalant wie Wettergespräche – den einen stört der Regen, der andere beschwört dessen segensreiche Wirkung, jeder geht halt irgendwie damit um, und es ist vollkommen schnuppe, wen was stört und was nicht. Es ist, wie´s ist. Und so könnte man es eigentlich auch sein lassen.

Ich bin frisch geimpft und freu mich richtig. Das finde ich lustig, weil ich Impfen so noch nie erlebt habe. Es war immer Nebenbeisache: weil die Stiko es empfahl und ein Rückblick in die Geschichte zeigte, dass Impfen da Gutes bewirkt hatte, oder weil ich verreisen wollte, oder weil ich Leute kannte, die an just der Krankheit litten, gegen die ich mich also nun impfen ließ und in der Risikoabwägung das Impfen gewonnen hatte. Ein Pieks, ein Stempel und fertig – Impfbuch zurück in die Kiste, und irgendwann ist das Pflaster weg und keiner denkt mehr dran. Noch nie war das ein so heiß gekämpfter Glaubenskrieg gewesen. Plötzlich ist Impfen eine Riesenkiste. Gestern kurz vor knapp ein Anruf, „es klappt doch“, und ich fuhr los, keine Zeit, das Fahrradschloß zu suchen. Die Reinigungskräfte machten schon sauber und schleppten Mülltüten, da bekam ich noch geschwind meine erste Dosis in den Arm. Am Ende war´s mir jetzt ganz egal, welcher Impfstoff es ist.  Der, den ich am Liebsten gehabt hätte, Novavax, den gibt es noch eine ganze Weile nicht, und diese Corona-Geschichte läuft weiter, und so hab ich mich umentschieden  – „ich mach doch“  – und jetzt nahm ich, was es gab. Ich bin ein Herdentier und habe was übrig für Herdenschutz. Und ich bin ein Individuum von robuster Gesundheit. Mir haben weder Krankheiten noch Impfungen bis jetzt groß was anhaben können. Und so, denke ich, wird das auch bleiben. Das Altern wird das seine halt bringen, da kann ich mich jetzt schon drauf einstellen. Wenigstens weiß ich, ist auch mein Immunsystem nicht mehr ganz jung und unerfahren; es wird wissen, was es zu tun hat. Keine große Sache also. Eigentlich. Ist es aber doch. Vorgestern bekam ich Emojis mit klingenden Sektgläsern, und tatsächlich war mir zum Feiern. Und ich bekam andere, empörte und abfällige Nachrichten. Es gibt Whatsapp – und Facebookkontakte, die haben mich jetzt blockiert, entfreundet und sich verabschiedet. Das finde ich krass. Ich habe keinen Druck gespürt, mich impfen zu lassen; keine ChefIn hat gedrängt, keine Angehörige,  keine Freundin. Ich hab´s mir nur anders überlegt. Die ganze Sache verläuft halt auch anders als erwartet. Der Druck, den manche Impfgegner ausüben, den empfinde ich dagegen als ungemein aggressiv, mehr als alles andere. Was soll das denn jetzt! Da ist wer mutwillig am Spalten.

………

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Gefühlsbäder – ein Aufguß

Nordschwarzwald. Regen am Fenster, das Prasseln der Tropfen auf dem Dach, leises Vogelgezwitscher. Ansonsten Stille. Und das ist gut so. Es ist der erste Mai, der Tag der Arbeit, und ich war die Woche so müde, dass ich mich jeweils gleich nach dem Aufstehen aufs Bett-gehen freute. Heute ist der Tag dafür. Wenigstens. Eigentlich wäre es der Tag nach überschwänglichem Tanz. Den gab´s heuer nicht. Es ist noch lange hell, aber wenn man die Vorhänge zuzieht, stört das nicht.

Eine Schicksalsergebenheit macht sich breit in mir, von der ich nicht weiß, ob ich sie gut finden soll. So manche Ungerechtigkeit und in unserem Coronadasein manche Regel, die ich für uneffektiven Quatsch halte, regen mich ungeheuer auf. Diese Allesdichtmachen-Aktion war wohl ziemlich missglückt, dennoch halte ich auch so manche Maßnahme  für nicht ganz dicht. Ich nehme dennoch hin und kooperiere. Weitestgehend halt. Da geschieht etwas, das größer ist als das bisher Gewesene, und ich begegne dem mit einigermaßen Respekt. Zum Teufel wünschen tu ich´s trotzdem. Ich würde gerne mal wieder schöne Pläne schmieden, von Reisen und rauschenden Festen, von Badefreuden und mit dem ganzen Kreis der Freundinnen durchzechten Nächten. Was Schule ist, was Ferien wäre klar, und ´Daheim´ wäre wieder der Ort, an den wir spät abends fröhlich zurückkehren, nachdem wir uns den Tag tosend um die Ohren gehauen haben. Hach, wäre das schön.

Stattdessen…….

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Good vibrations – eine Sammlung

Ich bin noch immer befasst mit meiner Übung, gute Momente zu sammeln, jeden Tag mindestens einen festzuhalten.  Es gibt Tage, da gelingt das ganz locker. Wenn ich morgens aufwache, und das Erste, das ich höre, ist „ich liebe dich“. Ist mir vergangene Woche passiert. Kann ein Tag besser beginnen? So eindeutig ist es freilich selten. Neulich habe ich lange gegrübelt und wusste am Schluss wenigstens, was ich NICHT wollte – es ging um Zwischenmenschliches. Vielleicht gilt auch das als ´gut´. Schlecht und Gut liegt ja mitunter verblüffend nah beisammen. Mal wieder die Stadt von oben gesehen. Das war gut. Zum arabischen Essen eingeladen gewesen und im Gespräch auf Weltreise gegangen. Auch gut. In einer Situation ruhig und überlegt geblieben, in der ich schon aus der Haut gefahren bin. Super! Bin ich stolz drauf. An anderen Tagen muss ich mich sehr anstrengen. An Tagen wie diesem heute zum Beispiel, wenn ich alleine aufwache und die komplette Trostlosigkeit des Daseins zuschlägt, mit Schneeregen im März, wo das Herz nach Frühling verlangt, und stattdessen eine Wettervorhersage die Sonne auf Tage hinaus hinter die Wolken verbannt….

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Die Fasnet, die nicht war

Doch, am Ende, so im Nachhinein, meine ich doch, fühlte sie sich an wie ausgefallen. Abgesagt und ausgefallen. Was war, war keine neue Form von Fasnet, eine der Pandemie angepasste. Ja, es war noch nicht mal eine Notlösung. Es war eher eine Art Ehrbezeugung, a tribute to -, als würde halt irgendwie der Umstand, dass sie gewesen wäre, gewürdigt.

Die Clips mit der Schmotzigengruppe und mit den Kindern waren schön zu machen. Da war kurz Fasnet. Außerdem waren just in diesen Tagen diverse Kindergeburtstage, verkleidete natürlich. Wenn so ein Kind sich ein ganzes Jahr auf seinen Geburtstag freut, und dann ist der und es darf aber nur ein einziges weiteres Kind einladen, dann macht das die Sache nicht einfacher, wenn das Ganze  dennoch eine Party geben soll. Wir hingen uns also ziemlich rein, und am Abend des Schmotzigen hing die Krone denn auch schief und war die Schminke verschmiert. Fürs Zoomtrinken anschließend hatte ich kaum mehr Energie. So weit so gut. Am Samstag eine Freundin auf einen Fasnetssekt besucht, am Abend die Küche geputzt. Am Sonntag wäre normal der Bajassumzug gewesen, da waren die Kinder heuer nicht mal da. Stattdessen die Eltern besucht und abends Schulsachen sortiert. Stapelweise Arbeitsblätter versucht einem Wirrwarr von Schnellheftern zuzuordnen, deren Inhalt bestimmt einem System unterlag, aber keinem, das ich verstand. Jetzt ist alles irgendwo drin, und es sind neue Ordner gekauft. Künftig will ich aufmerksamer Schulranzen aufräumen. Alles ist zu was gut. Ich bin näher dran jetzt. In viele Hefte hatte ich kaum je wirklich hineingeguckt. Am Montag wurde ich um sechs Uhr wach, weil eine kleine Prozession, ein mageres, trauriges, herzanrührendes Orchester in noch stockfinstrer Nacht, das erste  Morgengrauen war noch weit, am Fenster vorüberzog und „Oh-jerum“ spielte, in Moll. Dazu defilierte ein langer Mann vorüber, der mir aus dieser Perspektive fremd vorkam – der Kopf riesig, und so harte, kantige Züge; ausserdem schien der Körper geschrumpft. Ich kannte den langen Mann eher aus Kinderperspektive, die eigenen Augen irgendwo auf Kniehöhe, darüber bis zum fernen Kopf hoch oben viel wallendes Blau. Komisch. So sieht der aus? In diesen Zeiten ist sogar der lange Mann nicht mehr das, was er mal war.

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HomeschoolingII

Hausaufgaben – ein Reizwort, sobald  es fällt. Ich fange an das zu verstehen. Familiär steht´s für  Disziplin und Ordnung – wer und welche Familie hat wieviel Energie übrig, sie durchzusetzen – weil ein Wollen ist´s ja selten. Politisch steht´s für Ignoranz und Anmaßung. Hausaufgaben sollen immer da gemacht werden, wo Schlendrian und zu großes Wünschen bei zu wenig Initiative unterstellt wird.

Homeschooling ist eine ziemlich große Hausaufgabe. Die hat niemand ausgesucht, die ist einfach so geworden. Ist halt ein Elend mit diesem Corona. Mit der Schule meiner Kinder bin ich allgemein und hier insbesondere hochzufrieden. Man hat versucht für alle Klassenstufen ein  praktikables Modell des Homeschoolings anzubieten – eine Mischung zwischen zugesandten Plänen inklusiv Arbeitsmaterial und Online-Schulstunden, die dem Ganzen durchaus Rhythmus, Schulbewusstsein und sogar ein gewisses Gefühl von Klassengemeinschaft vermitteln.

Wir kennen nun alles. Homeschooling ohne jede Form von Digital, homeschooling mit Digital, und Notbetreuung. Und wir kennen die jeweiligen Vorzüge und Nachteile. Notbetreuung funktioniert überraschend gut, was die Motivation der Kinder angeht. Die finden´s dort ganz prima. Sie kommen mit  weitestgehend gemachten Aufgaben heim. Aber kontrollieren und korrigieren muss man zuhause trotzdem. Sie sind dort betreut, nicht unterrichtet. Fair enough. Homeschooling ohne Digital ist gechillt und bietet Freiräume, hat aber wenig mit Schule zu tun. Homeschooling mit Digital bietet einen gewissen Komfort, schon was das frühmorgendliche aus dem Bett und in die Klamotten quälen angeht, ist bisweilen durchaus effektiv, fühlt sich echt an wie Schule daheim, hat aber auch seine Tücken. Manchmal hindert einfach Unlust oder zu viele Ablenkungsmöglichkeiten. Der Kater legt sich aufs Blatt, die Barbie oder Legofigur drängt sich auf, man hat Hunger, Durst, muss aufs Klo, muss aus dem Fenster gucken, sieht zum ersten Mal im Leben, dass schräg gegenüber ein Kind wohnt, hat nochmal Hunger, nochmal Durst, muss nochmal aufs Klo, braucht endlich eine Pause. Das dreht sich im Kreis und kann sich über Stunden ziehen…..

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Eine Wette auf die Zukunft

Harte Wochen! Und statt Erleichterung kommt´s nur immer noch dicker. Aber ein Ende scheint absehbar. Irgendwann ist auch wieder Frühling, und man kann mehr nach draussen verlagern, und außerdem wird geimpft, und dann ist irgendwann gut. Das hoffe ich, ich habe auch vor, mich impfen zu lassen.

Bald ist Corona Geschichte. Dann geht man wieder zur Tagesordnung über – und zu Politik as usual. Ich weiß nicht mehr – eine Bundestagsdebatte, glaube ich, war es, bei der es um eine Corona-Vermögensabgabe ging. Da sagte Frau Merkel zu den Kosten dieser Pandemiebekämpfung, das bezahle zukünftiges Wachstum. Diese Kosten belaufen sich je nach Rechnung auf Tausende Milliarden  bis zu eineinhalb Billionen, nur für Deutschland.  Das ist ein Betrag, vor dem man Respekt haben kann. Dies mag es leichter machen, von vornherein und kategorisch zu erklären, dass vorhandenes Guthaben und die Gegenwart dafür also nicht in Anspruch genommen wird.

Trotzdem finde ich das ungeheuerlich. Keine Vermögensabgabe? Die Zukunft soll die Pandemiekosten bezahlen?

Wir streiten  hier um sehr diesseitige und auf unsere eigene Generation bezogene Leiden. Da ist eine Pandemie – wohlgemerkt entstanden auch unter den Bedingungen eines ungebremsten Wachstumsglaubens – und die Überlegung, wie man damit verfährt…..

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