– auf dem Kongress des ChaosComputerClub, der über einen eigenen Himmel verfügt, erzählte die Frau des Leiters vom kleinen Zelt beim Kulturufer in Friedrichshafen, nämlich „sofort, kollektiv, technikbegeistert und zielorientiert“. Engel gibt es viele auf diesen Kongressen; sie sind zuständig für Müll und allerhand andere Logistik, die es braucht, wenn 30.000 Leute technikbegeistert und zielgerichtet Probleme fixen. Und die Engel haben ihre Base, wie kann es anders sein, im „Himmel“, der ein Zelt ist, das wiederum kein geeigneter Zufluchtsort ist bei einem Unwetter. Wenn es blitzt und stürmt, muss man raus, denn der Himmel ist nicht geerdet. So war es auch bei Gisbert zu Knyphausen und dem Pianisten Kai Schumacher, die ihr Konzert im großen Zelt in Friedrichshafen abbrechen mussten, und das, obwohl man ihnen hätte eigentlich dankbar sein müssen. Kai Schumacher hatte den Regen beschworen. Erst war da nur Wind gewesen, dann legten Schumachers Hände sich auf die Tasten und lockten, und erst kamen vereinzelte Tropfen, und wie die Hände schneller und schneller und schneller wurden und endlich wie wild geworden über die Klaviatur rasten, so prasselten schließlich auch die Tropfen aufs Zeltdach, Klavier und Sturm wurden eins. Magic. Wenigstens den „Leiermann“ von Schubert hat es vor Abbruch noch gegeben. Gisbert von Knyphausen – mega.
Der Himmel-Satz begleitete mich tagelang, an den Jongleuren, Akrobaten und Feuerspeiern vorbei, ins Klezmerkonzert, wo die Luft schwül waberte und die Klänge virtuos ins Ohr schwammen, zu Fred Wesley, einer Funk-Legende, die so schräg wie cool war. Bestimmt lag es an meinem Blickwinkel. Ich stand, weil ich nicht vorne sitzen wollte, seitlich in den oberen Rängen und sah ihn von schräg oben. Steinalt und in sich zusammengesunken auf einem quietschroten Küchenhocker sitzend, schwarze Waden über knallgelben Schuhen. Das dunkle Hemd über den rostbraunen Shorts spannte an der Brust und stand ab dem Hosenbund offen auseinander, was einen stattlichen Bauch vermuten ließ; „vielleicht hat er einen Buckel“, dachte ich. Ein hell leuchtender Heiligenschein umgab das schwarze Gesicht. Voll schräg, und soo cool. Er animierte das Publikum zu Lippenakrobatik, „back to the boogie“ oder so ähnlich, mit so vielen Bs aneinandergereiht, dass die Lippen sich verhedderten, später im Wechselgesang „bake a bread with my mom“ und „pass the piece“. Das Publikum erhob sich von den Stühlen, irgendwann standen, tanzten und sangen alle. Auch Fred Wesley stand, alt, aber nicht steinalt, der heiligenschein waren weiße Haare, der Küchenhocker war ein recht schickes Designermöbel, und Wesley hatte keinen Buckel und war auch gar nicht dick. Im Stehen war er weniger schräg, aber immer noch total cool. Manchmal liegen Himmel und Erde schon sehr nahe beieinander. Das Leben kann so schön sein. Liebe und Wein, See und Sommer, vor der Wohnwagentüre eine Schlemmermeile, Musik, Theater und Straßenkunst, und jeder Quadratmeter birst schier vor Lebensfreude. Den Kindern würde das gefallen, dachte ich, dies Lager am Bodenseeufer, die Wiese mit den vielen Zelten, in denen sie werkeln und basteln, bauen und spielen. Kurz dachte ich an den letzten Tag vor der Abreise, an Rottweils „Ferienzauber“. Die Tochter und ich haben uns mit einem ganz gleichen Duo dort getroffen. War sehr schön; wir kennen uns lange genug um zu wissen, wie wir eine gute Zeit zusammen haben können, egal wo. Der Fahrradparcours im Kinderbereich war bereits abgebaut, die Spielgeräte belagert, im Zelt gab´s Schmetterlingsbasteln. Wir haben unsre Kinder genötigt, „macht mal!“, damit sie wenigstens Etwas im Kinderbereich gemacht hatten. Ferienzauber war schon ein großes Kinderspektakel mit Werkeln, Bauen, Tanzen und so gewesen – bevor Party und Bands vollends übernahmen und es nun reine Location war, mit eher weniger Zauber. Sei´s drum. Mittlerweile sind beide Kinder in ihren jeweiligen Sommerlagern. Ich habe bis jetzt nichts gehört, demnach ist wohl alles okay. Beim Großen konnte ich nur noch hinterhergerufen „viel Spaß!“, und schon war er weg. Die Kleine war hin und gerissen zwischen Nähe und Abstand, die Tränen so dicht hinter dem Auge, dass jede Berührung die Dämme einzureißen drohte. Besser nicht dem Weinen nachgeben, dachte sie wohl. Nach ner halben Stunde im Zug war´s bestimmt eh vergessen. Wir sind ganz getrennt, fern voneinander. Ich hoffe, es geht allen Familienmitgliedern so gut wie mir gerade. Ich habe, nachdem die Kleine verabschiedet war, noch zu meiner Freundin gesagt „hoffentlich geht alles gut“. Mir war schon etwas schwer ums Herz. Und sie, deren Kinder jahrelang dabei waren: „es sieht chaotischer aus, als es ist, sie bringen´s immer hin, und wenn nicht gleich, dann etwas später. Und was soll´s – sonst erfahren sie auch nur, dass auch mal was NICHT klappt und glatt läuft, sie erfahren, dass Dinge auch scheitern, und das lernen sie eigentlich viel zu wenig“. Stimmt. Auch Scheitern will gelernt sein. Ich weiß nicht, weshalb es mir jetzt einfällt. Als große Träume kläglich scheiterten….
Runterkommen ist schwerer als rauf. Bergsteiger wissen das. Der Abstieg lässt nicht so prusten, aber er geht mehr in die Beine. Als Radfahrerin bevorzuge ich das Bergab. Seit ich ein EBike habe, ist es eigentlich ziemlich schnuppe, das ist das Schöne daran, jeder Berg wird flach. Trotzdem hat es sich in mir festgebrannt – lieber bergab, und so brauchte es nun eine Weile, bis mir klar wurde, weshalb ich mich so wundere und schwertue dieser Tage. – Weil mir das Runterkommen schwerer fällt als raufwärts.
Als familienbedingt das Leben plötzlich so voll wurde, dass jeder Tag zu kurz wird und die Woche zu wenig Tage hat, ging es leicht, mich drauf einzustellen. „Das ist jetzt so.“ Basta. Dann wird anders geplant und jeder Leerlauf rausgeschnitten. Dann gibt es keine Minute mehr ohne „dringend“. Ohnehin verschieben sich die Prioritäten; das Notwendigste zuerst. Alles, das warten kann, tut das auf unbestimmte Zeit. So geht´s.
Aber irgendwann merke ich dann doch, dass es mir zuviel wird. Wenn sich rechts und links meiner Strecke zu viel anhäuft, wenn all das Liegengebliebene, Wartende, anfängt auf mich runterzuschauen. Dann schiebt es sich in die Nächte und drückt auf die Laune. Dann werde ich unduldsam in Momenten, die das weder verschuldet noch verdient haben. Mein darauf folgendes schlechtes Gewissen macht die Lage nicht besser. Spätestens dann weiß ich, es muss was geschehen.
Sie waren im Grunde an mir vorübergezogen, die Montagsspaziergänge. Ich bleibe so leidlich meinem Neujahrsvorsatz treu und schiebe die geballte Wucht der Krisen öfter mal beiseite. Aber neulich saß ich montags um kurz vor sechs an der Bushaltestelle und wunderte mich über den Menschenstrom, der sich Richtung Schwarzes Tor und Fußgängerzone bewegte. Ich habe einige Leute darin gekannt, nette, friedliche Leute, die mit rechts null und nichts und null am Hut haben. Es dauerte, bis ich kapierte, dass sie wohl Teilnehmer des Protest-Demo-Spaziergangs waren. Über die wird jetzt gestritten. Muss das sein und wieso und geht das nicht auch anders und weshalb sind sie gegen was eigentlich und vor allem mit wem. Mancherorts gibt es Gegendemonstrationen, und dann wird gestritten, wer sich falscher verhält. Den einen gehen die Maßnahmen nicht weit genug, andere lehnen sie alle rundum ab. Und zwischen den Gegensätzen „NoCovid“ und „Gar keine Maßnahmen“ ist viel Wut und Unverständnis und anscheinend „Spaltung“. Ich mag dies Trennen in „geimpft“ und „ungeimpft“ und den Druck, der darauf aufgebaut wird, auch nicht. Aus Infektionsschutzgründen mag das die am nächsten liegende Lösung sein, aber mit etwas mehr Mut und Willen hätte es vielleicht doch auch andere Wege gegeben. Hin wie her – spalten tun wir wenn, dann selbst. Wir sind es, die auf die jeweils andern schimpfen und uns entzweien. Die Politik kann kaum besser sein als die Bevölkerung, über die sie regiert. Wären wir nicht so leidenschaftlich bereit zu streiten und uns zu entzweien und wären wir toleranter gegenüber anderen Haltungen und nachsichtiger bei Fehlern, die es überall gibt, wo gehandelt wird, würde sich nichts und niemand spalten. Wir sind mitunter schrecklich kleinmütig…..
Es fühlt sich nicht „dazwischen“ an, sondern mitten drin. Meine Mutter erzählt, früher haben sie gearbeitet bis HeiligAbend vier Uhr. Bis dahin musste alles gemacht sein. Dann war geschafft, vorbereitet und das Haus blitzblank. Dann kam Waschen und Umziehen, und die Weihnachtszeit begann. Und der Rest des Lebens ruhte. Das Vieh wurde versorgt, sonst nichts. Vielleicht war da „zwischen den Jahren“ echt Auszeit und ein Dazwischen.
Egal. Weihnachten ist vorbei, und es war schön, so, wie es sein soll, mit Frieden, Freuden und Kuchen. Über Konsumrausch und Völlerei lässt sich streiten, aber trotzdem finde ich wundervoll zu wissen, dass zeitgleich Menschen überall auf der Welt die Liebe und den Frieden feiern und kindliche Unschuld, die der Stern sein soll, an dem man sich orientiert. Ich schenke gern zu diesen Ehren und meine, wenn das überall geschieht, dann ist das Christkind so als Idee doch auch ziemlich real, auch ohne Frömmigkeit.
Und nun steht Silvester vor der Tür. Ich habe eine Weile getüftelt, bis ich einen Rahmen beisammen hatte. In diesen kontaktreduzierten Zeiten scheinen sich allmählich auch Umfeld und Freundschaften zu verändern. Vor Corona ließen sich viele Kontakte nebenbei halten. Man traf sich an Fasnet, Ferienzauber, Stadtfest und Weihnachtsmarkt, Geburtstage wurden groß gefeiert, man traf immer wieder aufeinander. Der Kreis der Nächsten scheint kleiner geworden. Wenn wer ausfällt, fällt schnell auch die Party flach, es müssen ja Groß und Klein zueinander passen, und außerdem will ich mich schon einigermaßen an die Kontaktbeschränkungen halten, nach einigem Dafürhalten interpretiert, das schon, aber nicht negiert.
Es ist nur eine Frage der Wahrnehmung. Je weiter rechts jemand steht, desto früher beginnt links. Für die CDU ist die FDP schon Teil eines Linksrutsches. Das wäre witzig, wenn es nicht so bitter wäre.Deren Steuerprogramm entlastet die Spitzenverdiener von allen am meisten. Was gerade geschieht, ist nicht ein Linksrutsch, sondern einer nach weit rechts. Vergangene Woche war Kanzlerkandidat Armin Laschet in Rottenburg und beklagte zwar Hass und Hetze, welche die Afd in die Parlamente und die Gesellschaft trüge, und „die Afd muss weg“,aberin der CDU hat halt auch ein Maaßen Platz, der in Thüringen Direktkandidat ist – mit guten Aussichten, weil es keinen passenden CDU-Mann gibt, und Maaßen klingt wie von der Afd, was dort gut ankommt. Die Afd und die Werteunion stehen sich nahe. Sie haben ähnliche ´Werte´. Mit „Wir“ meint man nur sich selbst. „Freiheit“ steht für Egoismus und Rücksichtslosigkeit, und „normal“ ist wie „wir“ nur das eigene. Und was einem nicht passt, das gibt es nicht. Nach rechts ist die CDU offener, als sie behauptet. Und das ist es, was diesen den Weg bereitet.
Jedem seine eigene Panik. Die einen fürchten Corona, die anderen die Maßnahmen. Die einen den Klimawandel, die anderen den Verzicht. Man hat zum Wegwerfen, aber ´weniger´ ist keine Option. Die einen werfen Greta Thunberg vor, sie schüre Panik, die aber ist nichts gegen die Panik in manchen Chefbüros vor einer auf Nachhaltigkeit geeichten Politik. Und die einen fürchten rechten Nationalismus, die andern Rot-rot-grün. Eine Partei, die die Flagge der sozialen Gerechtigkeit hochhält, mit einer, die die für Klima und Umwelt trägt, mit einer, die die krass auseinanderklaffende Schere zwischen Arm und Reich schließen möchte. Kompromisse machen müssen alle. Aber für Leute, die in den Jahren des geruhsamen Vor-sich-hin-Regierens gelernt haben, wie man die entstandenen Netzwerke zum eigenen Vorteil ausnutzt und seine Schäfchen ins Trockene bringt, und denen es ein großes Anliegen ist, das nicht zu verlieren, denen ist DIES ein ärgerer Horror als so ein Ausländer-raus-Deutschland-den-Deutschen-und-Klimawandel-gibt-es-nicht-Ding? Geht’s noch?
Ich will die SPD nicht in Schutz nehmen. Cum-Ex geschah unter Scholz´ Ägide. Aber die Skandale bezüglich Korruption und Machtmissbrauch betreffen fast samt und sonders die CDU/CSU. Worum geht es denen?
Die Linken wollen umverteilen. Was daran ist verkehrt? Ein paar Handvoll Leute sind so reich, dass sie die Politik kaufen können, die sie gerne hätten. Und wir tun ihnen den Gefallen und wählen so, dass sie auch in der nächsten Legislaturperiode die altbekannten Büros aufsuchen und weiter ihren Deals nachgehen können? Wieso??
Die Linken hadern mit der Nato und der Aussenpolitik. Sie haben dafür gute Gründe. Diese ganzen Kriege, die da geführt werden, sie sind lang, und teuer, grausam und meist vergeblich. Und wenn man nach Arabien guckt, sieht man Europa vor 100 Jahren: die Kriege hören erst auf, wenn alle komplett am Arsch sind und keiner mehr kann. Frieden ist nur die Pause zwischen zwei Kriegen. Sobald eine neue, kräftige Generation herangewachsen ist, soll diese wieder losziehen wegen irgendeinem anderen Irrsinn, der genauso daneben ist. WOZU? Die Frage nach den Wegen zum und im Frieden darf gestellt werden! Diese Haltung ist in einer globalisierten Welt sperrig, und eine Regierung würde unklug handeln, wenn sie einfach so Bündnisse aufkündigte. Das wissen die Linken auch. Es geht aber auch nicht um Umsturz und Revolution. Es geht um neue Akzente und Diskussionen. Die Grünen haben schon mit einer ähnlichen Haltung in einer Koalition mitregiert. Und die Welt ist nicht untergegangen. Noch nicht mal in Baden Württemberg, wo die Grünen seit 2016 am Ruder sind.
Ich finde dies Rechts-Links-Ding, „die Rechten“ und „die Linken“, perfide, zumal mit der doch sehr antiquierten Belegung „recht = gut, link = heimtückisch“, (in seiner ganz gehässigen Form ein Relikt aus dem Nationalsozialismus; ursprüngl. von linkisch – ungeschickt und also falsch. Weil überwiegend mit rechts besser gearbeitet wird. Aber das ist Übungssache. Linkshändern wird eine bessere Vernetzung ihrer beiden Gehirnhälften nachgesagt, und das ist sicher kein Nachteil). Ursprünglich kommt die politische Unterscheidung in Rechts-Links-Spektren aus der französischen Nationalversammlung 1789. Rechts saßen die Freunde der Monarchie, links die Republikaner.
Wer wofür steht, wer was zu verantworten hat, was da recht und richtig, was falsch ist, sei dahingestellt. Die französische Revolution kam jedenfalls nicht aus dem Nichts; es bestand da ein absurdes Verhältnis zwischen Adel und Volk.
Rechts war (und ist! Anders ist das Selbstbild zb der Werteunion nicht zu verstehen), mit bestem Wissen und Gewissen, „elitär“. Viele Strömungen des Liberalismus sind es auch. Man findet eine Ungleichheit in der Gesellschaft richtig und wichtig. Das sporne an zu Leistung und fördere die Ausbildung von – eben – Eliten, welche die Geschicke dann lenken. Freiheit wird in diesem Zusammenhang als das Recht zur freien Entfaltung angesehen. Was ich als nichts anderes verstehe denn als ein „Recht des Stärkeren“. Dass ´Talent´ dem widersprechend dann auch Herkunftssache ist, weil besser ausgebildet wird wo besser verdient, wird hingenommen. Ein in-/akzeptables Maß an Ungleichheit ist nicht definiert.
Links war, und ist, „egalitär“. Alle Menschen sind gleich, allen dieselben Rechte. Keine Gruppe darf systematisch benachteiligt werden. Keine Gruppe darf dauerhaft über eine andere herrschen.
Egalité! Ganz klar! Was sonst. Die Freiheit des einen hört bei der des anderen auf.
Dies ´rechts-links´-Schema bildet nur einen Bruchteil ab. Ich stehe in unterschiedlichen Aspekten auf unterschiedlichen Positionen dieser schlichten Skala. Es wollen sowieso alle ´Mitte´ sein. Dabei geht es auch um die, die am Rand stehen, oder außerhalb. Die gar nicht reinkommen – dürfen.
Die Rechten wollen nicht mehr rechts heißen. Die Linken nennen sie aber gerne links. Wenn es von ganz rechts kommt, sind´s oft Tiernamen aus dem Reich der Gattungen, die die Menschen schnell als Plage empfinden. Das kann nur den einen Grund haben: man IST gar nicht republikanisch gesinnt. Man ist eigentlich elitär und empfindet das Ende der Monarchie – und wenn es nicht König heißt dann halt Führer oder was in der Art – jedenfalls ein feststehendes Oben und Unten – als einen großen Verlust. Und die, die das Untere auch mal nach oben holen und das Obere nach unten, die für maximalen Chancengleichheit eintreten, die sind dann Plage und Gefahr.
Und dann fragt man sich, woran die Demokratie krankt. Daran! Daran, dass Leute gar nicht verinnerlichen wollen, wofür sie angeblich stehen.
Was ist so verwerflich am Links-sein? Sozialen Ausgleich zu wollen, ist erstmal nicht aggressiv. Und linksextrem ist auch nicht gleich rechtsextrem. Natürlich gibt es Leute, die hin und her switchen zwischen beidem. Ich kenne welche. Das ist aber weniger politisch als Wesenszug. Die brauchen den größtmöglichen Aufruhr. Bei denen, die eine politische Haltung haben, ist es anders. „Extrem“ drauf sein übersetze ich mal mit „notfalls mit kaputtmachen“. Aber bei den Linksextremen sind es Sachen, bei den Rechtsextremen Menschen. Das ist ein großer Unterschied. Und damit will ich nicht relativieren. Ich bin nicht für ´extrem´. Ich bin für konsequent und mutig. Es gibt bessere Wege. Ausgleich. Teilen. Integrieren. Es haben nicht alle denselben Weg hinter sich, deshalb kann man trotzdem an einem Tisch sitzen.
Es geht um Krieg oder Frieden. Der Weg zum Frieden geht über Frieden. Und das schließt Gesellschaft, Wirtschaft, Politik, alles mit ein. Welchen Preis ist man bereit, für den Frieden zu zahlen. Frieden gibt es nicht umsonst. Wie die Kriege auch nicht. Einige verdienen sogar gut daran. Dem Rest erzählt man, dass die Kosten durch wirtschaftliche Vorteile aufgewogen würden. Demnach wird der Krieg von alleine und von anderen bezahlt; vom Gegner, ´danach´. Das schließt den nächsten Krieg gleich mit ein. Frieden kostet vorher, und den Preis bezahlt man selbst. Alle bezahlen. Etwas. Und alle gewinnen – den Frieden. Das ist immer billiger.
Die Afd wird im Osten vermutlich stärkste Kraft, und die CDU beschwört einen Linksrutsch. Gute Güte. Da muss man mal drauf kommen. Für Laschet stand die SPD immer „auf der falschen Seite“, in Wirtschafts – und Finanzpolitik. Mindestlohn und Grundrente – falsche Seite. Verhinderung von Transparenzregeln in der Korruptionsbekämpfung, Verhinderung einer Vermögenssteuer für große Vermögen – richtige Seite. Ah ja. Wer viel Geld für viele Aktien hat, hält öfter auch welche der Rüstungsindustrie im Portfolio, oder die von großen Konzernen, die es mit der Fairness eher lax handhaben und denen Nachhaltigkeit hinderlich ist. Da mag man anders wählen.
Aber bitte, diese Panik vor einem Linksrutsch – die ist lächerlich.
In London dauern die Proteste wegen der Ermordung einer jungen Frau namens Sarah Everard an. Sie war auf dem Nachhauseweg entführt und ermordet worden.
Männer werden öfter Opfer von Gewaltverbrechen. Aber ich glaube, sie werden anders behandelt: wer Opfer, wer Täter ist, ergibt sich aus Hergang und Schaden und ist weniger eine Frage von Moral und Inanspruchnahme persönlicher Freiheiten. Unter dem Hashtag #reclaimthesestreets rumort es jetzt in England auf Straßen und Plätzen, an Küchentischen und in den sozialen Netzwerken. Man redet über Gewalt an Frauen und wie die Gesellschaft damit umgeht. Und ich meine, das ist gut so.
Was mich aufstört, ist weniger der Umstand, dass Sarah Everards Mörder Polizist ist. Er hätte auch Bäcker, Nerd oder Steuerberater sein können. Überall gibt es solche und solche. Polizisten sind keine besseren Menschen. Was mich aufstört ist, wie die Polizei gegen die demonstrierenden Frauen vorging. Es hätte um die Durchsetzung von Coronaregeln gehen können, ums Abstandhalten und Mundschutz tragen. Aber dazu muss man nicht auf den Boden drücken und gewaltsam abführen. Nein, es war gegen die Frauen gegangen. Und diese Gewalt ging leicht von der Hand – das Feindbild lag nahe. Die, die ihre Verbundenheit mit dem Opfer demonstrierten, weil jede wie Sarah Everard Opfer hätte sein können, die waren plötzlich die Schuldigen. Und das ist eine Erfahrung, die Frauen als Opfer immer wieder machen. Vielleicht kam die Härte der Polizei daher, dass der Täter ein Kollege war und man sich persönlich auf den Schlips getreten fühlte. Damit man selbst nicht am Pranger steht, stellt man andere hin. Angriff als Verteidigung, ein gängiges Prinzip. Ich weiß es nicht, und es ist auch egal. Es kann nicht Aufgabe der Opfer sein, die Motivation der Täter zu begründen. Sicher weiß ich, dass in der Abwehr die Londoner Polizei so manches verkannte, und ganz bestimmt, dass das Verhältnis zwischen Polizei und Frauen kein unbelastetes, von Lauterkeit getragenes Terrain ist, sondern ganz im Gegenteil eine schwierige Geschichte. Und deshalb wäre in heiklen Momenten deutlich mehr Vorsicht geboten. Das ist so in London, und in Deutschland, und in Rottweil auch. Das weiß ich aus eigener Erfahrung……
Ich bin noch immer befasst mit meiner Übung, gute Momente zu sammeln, jeden Tag mindestens einen festzuhalten. Es gibt Tage, da gelingt das ganz locker. Wenn ich morgens aufwache, und das Erste, das ich höre, ist „ich liebe dich“. Ist mir vergangene Woche passiert. Kann ein Tag besser beginnen? So eindeutig ist es freilich selten. Neulich habe ich lange gegrübelt und wusste am Schluss wenigstens, was ich NICHT wollte – es ging um Zwischenmenschliches. Vielleicht gilt auch das als ´gut´. Schlecht und Gut liegt ja mitunter verblüffend nah beisammen. Mal wieder die Stadt von oben gesehen. Das war gut. Zum arabischen Essen eingeladen gewesen und im Gespräch auf Weltreise gegangen. Auch gut. In einer Situation ruhig und überlegt geblieben, in der ich schon aus der Haut gefahren bin. Super! Bin ich stolz drauf. An anderen Tagen muss ich mich sehr anstrengen. An Tagen wie diesem heute zum Beispiel, wenn ich alleine aufwache und die komplette Trostlosigkeit des Daseins zuschlägt, mit Schneeregen im März, wo das Herz nach Frühling verlangt, und stattdessen eine Wettervorhersage die Sonne auf Tage hinaus hinter die Wolken verbannt….
Manchmal lasse ich mich auf Facebook -Diskussionen ein. Meist vermeide ich es oder blockiere solche Posts. Weil sie so ätzend sind und das Diskutieren darüber so müßig. Und weil es sich halt auch scheiße anfühlt. Manchmal mach ich´s. Weil ich etwas nicht so stehen lassen will und den Nerv übrig habe, meine Wohlfühlblase zu verlassen.
Diesmal war es eine Fotomontage, eine auf den Betrachter zu fliehende Menschenmenge und darüber der Spruch, bald müsse man selbst flüchten. Darunter zig Kommentare, bei denen einem übel werden konnte. ´Wir´ und ´die´. Die nichts schaffen wollten, die kriminell seien, und wir, die wir so fleißig seien, es verdient besser hätten, die wir nichts zu sagen hätten – dieser ganze Rotz. Mir dreht sich da der Magen rum, und ich will eigentlich bös werden. Aber das bringt auch nichts. Also deutlich, aber höflich gehaltene Kommentare und Richtigstellungen meinerseits. In dem Zusammenhang eben dann der ´Gutmensch´ und ob ich einen Teddy wollte.
Danke. Ich habe einen.
(Eben wollte ich ein Foto von diesem Kommentar machen, so eine Art Auszug aus einem screenshot. Da war der ganze Post weg. Ich habe nachgefragt und erfahren, dass er auf Mahnung von Facebook entfernt wurde).
Also einmal ´wir´.
Wir haben in all diesen globalen Deals Vorteile auf unserer Seite und nutzen und genießen sie. Wir genießen Wohlstand und Frieden und eine Gesellschaft, die uns weitestgehend sein lässt was wir sein wollen. In Kriegen wird geraubt und vergewaltigt, und das systematisch, das machen alle Kriegführenden so, und je länger jemand damit lebt oder aufwächst, je mehr lernt er das. Und wir produzieren fleißig die Waffen, mit denen anderswo Krieg geführt wird. Wir machen Profit und halten den Wohlstand für verdient. Ja haben denn die, die da in Not sind, ihr Los ebenfalls verdient? Das unterstellen wir damit doch. Nein! Und wir drehen uns weg, wenn wir mit den Folgen unserer Privilegien konfrontiert werden und bilden uns noch ein, was Bessres zu sein.
Das ist absolut ekelhaft.
Und es sind nicht nur die krätzigen Rechten, die sich daran noch laben. Wir sehen alle zu wie Leute an der Grenze zur EU um ihr Leben ringen. Wir sehen zu und getrauen uns nicht das Richtige zu tun. Aus Angst vor den krätzigen Rechten. Oder aus Feigheit, weil wir Angst haben was zu verlieren.
Verlieren kann man immer was. That´s life. Deshalb müssen wir uns doch aber nicht vor Angst in die Hosen machen. Wir sind doch fleißig, und schlau! Außerdem haben wir im Überfluss und können abgeben, ohne dass irgendwer hier Not leiden müsste. Und wer sagt überhaupt, dass immer dieselben die Reichen sind? Oder die Mächtigen. Gibt es da ein göttliches Recht oder was?
Das ist rassistisch, wenigstens feudal. Wie dieser abgebrührte Kaiserenkel, der Besitztümer zurückfordert und Wohnrechte und ernsthaft denkt, das wäre ehrlich erworben und stünde ihm zu, als ´Enkel von´, einem wohlgemerkt, der am Drücker war, als ein ganzer Kontinent und eine ganze Generation dem Erdboden gleich gemacht wurde, und als Neffe von einem, der beim nächsten noch schlimmeren Kriegen und Treiben auch auf der Seite der Macht war. Dieser Enkel lässt sich noch als kaiserliche Hoheit anreden und will Schlösser zurück. Geht’s noch? Soll dankbar sein, dass es ihm noch so gut geht, dass es zu goldenen Wasserhähnen und diesem ganzen restlichen herrschaftlichen Luxus reicht.
Solche Machtfülle und solcher Reichtum ist NIE ehrlich verdient. Kann es nicht sein. Es gibt keine Stundenlöhne, mit denen man es aus eigener Kraft zu Milliarden bringen. Das ist immer auch Ellbogen und Hartherzigkeit, und die Rücken anderer. Und wenn man am Schreibtisch sitzt und Geld aus Geld macht, dann auch. All das ist Schläue, keine reale Leistung.
Schlau darf man sein, zweifellos. Das ist eine Gabe. Aber wer sagt, dass sie berechtigt alle anderen aufs Kreuz zu legen, Leute, die andere Talente haben?
Teilen. Einfach helfen.
Hier wird gefastet. Und bis in ein paar Wochen gedenkt man Kreuzigung und Auferstehung und so, für den, der für uns gestorben ist. So heißt´s. Ich will überhaupt nicht, dass wer für mich stirbt. Keiner, damals nicht und heute nicht. Ich will meine Nächsten lieben und auch die weiter weg und überhaupt den ganzen Planeten. Jawohl, so ein Gutmensch bin ich. Weil – was ist denn das Gegenteil davon? Wie lautet das? Und ist das etwas, das man ernsthaft und guten Grundes wollen kann?
Ich sähe gerne, wenn Rottweil zum sicheren Hafen würde. Ich bin sicher, wir hätten gewonnen. Weil man einfach das Richtige tut und nicht verkorkst das Egoistische verteidigt.
Einfach das Richtige tun. Weshalb tut man sich damit so schwer? Und weshalb mitunter gerade die, die Recht und Ordnung und Werte und all das so plakativ vor sich hertragen?
Frieden wollen heißt nicht nur, aber auch, bereit sein zu teilen.
Und zum internationalen Tag der Frauen
In Portugal ist der ganz klasse. Da ist Feiertag und der ganze weibliche Teil einer Familie, alle Generationen und Verwandtschaftsgrade, feiern miteinander.
Ich war gestern mit den Freundinnen weg.
Wir haben einander Neuigkeiten erzählt und allerhand beratschlagt. Es ging unter anderem um Frauen im Job, und Männer dazwischen, die streiten, und Frauen, die den Streit übernehmen und einander nicht beistehen. Und es ging darum, welche davon als Feministin gelten und weshalb. Es ging um die Frage „Was ist für uns Feminismus“.
Selbstbestimmung, klar. Und Gleichheit aller. Und Solidarität. Feminismus bedeutet, dass Frauen einander beistehen.
An der Grenze zu Griechenland sitzen auch Frauen fest, im Matsch, und Mädchen, und Mütter, die ihre Kinder auch in Frieden und Geborgenheit großziehen wollen, Frauen, die jetzt auf offenem Feld schlafen, zwischen Männern, die auch nicht mehr wissen, wo ihnen der Kopf steht.
Das neue Schuljahr läuft. In der zweiten Klasse wird spürbar
´verlangt´; es geht nicht mehr nur so darum, sich an die Schule als solches zu
gewöhnen und irgendwie halt mitzukommen; es geht um abrufbare Leistung.
Vielleicht liegt es daran, dass das morgendliche Aufstehen heuer schwerer
fällt.
Auch der Kindergarten hat schon mehr begeistert. „Du bist
nicht mehr meine Freundin“, sagt die eine, und das Kind spielt allein, und weil
alles absolut gesehen wird – Zeit, Freundschaft, alles – ist das jetzt ´immer´
so und wird ´nie wieder´ anders sein. „Probleme sind Lös-Sachen“, sage ich.
Aber mit fünf fühlt man sich den meisten Lösungen gar nicht gewachsen. Und so
müssen wir uns beide in Geduld üben, was zumindest mir seit je schwer fällt.
Im Frühjahr wächst neues Grass. „Just remember in the winter far beneath the
bitter snows, lies the seed, that with the suns love in the spring becomes the
rose”. Das ist doch ein Trost.
Im Job geht´s schon um Weihnachtsfeiern und Nikoläuse. Jedes
Jahr kommt mir das zu schnell. Wir haben gerade erst die Kastanienketten
aufgehängt. Advent, Weihnachten, Besinnlichkeit – ich kaufe Spekulatius für die
Bewohner und manövriere mich nach bestem Wissen und Gewissen durch all dies
´Menscheln´, das ein Betrieb mit über tausend Mitarbeitern so mit sich bringt.
An manchen Tagen menschelt es so sehr, dass die Sache mit der Besinnlichkeit
eher utopisch ist. Das sind auch die Tage, an denen ich froh bin, keine Karriere
gemacht zu haben.
Die Gitarre verstaubt in der Ecke, und ich hadere mit der
schieren Unmöglichkeit, neben all den vielen Müssens des Alltags noch Zeit für
die Wollens zu finden. Dabei straffe ich schon und lass die Neun gerade. Der
Hof ist noch immer nicht ganz abgeräumt, und die Palmen, die nicht mehr in die
Wohnung passen, warten bis dato aufs Eingepackt-werden. Ich wünsche mir einen
Zeitgeist, der den Müßiggang hochhält und nicht so penetrant und
gebetsmühlenartig Selbstoptimierung propagiert. Klar versuche ich, immer mein
Bestes zu geben. Aber muss man das wirklich pausenlos tun? Dann gibt´s ja immer
was zu tun, immer. – Voll stressig.
Ich verfolge die Nachrichten nur noch im groben Überblick. AKK
sagt mir gar nichts. Heckler und Koch soll verkauft werden. Dafür WILL ich mich
interessieren. Aber bis ich eine Zeitung erwische, ist es schon nicht mehr
drin. Die Grundrente interessiert mich nicht sehr, wie mich Rente überhaupt
wenig interessiert. Wer weiß schon, was bis dahin ist. Und ich habe auch gar
nicht den Ehrgeiz, irgendeinen Lebensstandard halten zu müssen. Ich habe keine
Angst vor ´weniger´, vielmehr könnte ich mir vorstellen, dass das Altern
leichter fällt, wenn ich das Weniger-werden akzeptiere. Irgendwie ist das ja
logisch und alles MUSS weniger werden,
die Energie, die Kräfte, und vielleicht auch die Wollens, und weshalb nicht
auch Hab und Gut. Mitnehmen kann man´s eh nicht, und das Meiste ist ohnehin
eine ziemliche Last. Trotzdem habe ich den leisen Verdacht, dass dieser Deal
mit Grundrente und Unternehmenssteuerreform ziemlich bescheuert und ein ganz
absurdes Bürokratiemonster ist.
Für die AfD WILL ich mich nicht interessieren. Es ist
gesagt, was gesagt sein muss – diese Partei führt nichts Gutes im Sinn, und wer
sie wählt, öffnet dem Hass die Tür. Das ist ein von Nazis und Faschos geführter
Haufen Grundwütender, mit deren Wut ich mich nicht auseinandersetzen MUSS, weil
zum Donnerwetternochmal jeder irgendeinen Grund hat wütend zu sein und das noch
lange nicht das Recht gibt, sich so daneben zu benehmen und andere zu terrorisieren.
(Ach – es geht nicht anders – sie regen mich halt auf!: Da
giftet doch tatsächlich einer gegen Merkel und moniert, er verstehe nicht,
´dass eine Frau so wenig Mitgefühl und Liebe empfindet zu dem Volk, das sie
regiert und repräsentiert´.
Wow. Da muss ich schlucken. So eine Unverfrorenheit. Redet der von Liebe.
Jemand, der weiß, wovon er spricht, spürt, wo Liebe ist, und
wo nicht. Und dieser Herr will nicht Liebe, sondern Lob und seinen Willen.
Dieser Herr denkt, Lieben ist gleich
Auf-einen-Thron-setzen. Dieser Herr möchte Muttis kleiner Prinz sein.
Und wenn Mutti ihren Prinzen liebt, dann bekommt der den Garten ganz für sich
allein. Und da darf er einladen, wen er will, und so spielt er auch immer nur
mit ausgesuchten Gästen, nie mit einer zufälligen, irgendwie
zusammengewürfelten Gesellschaft, und bitte auch nur, was ER will, es sind schließlich
seine Sachen. Und dann gehen alle brav abends zur selben Zeit ins Bett und
stehen morgens tapfer auf und leisten
etwas, fettfettfett – Leistung! –
und so muss sich dann keiner fragen und darüber nachdenken, ob und wie man
wirklich all das so tun muss und ob es nicht auch anders geht und ob hinterm
Gartenzaun die Welt vielleicht sogar weitergeht. Und natürlich will er auch
fürs Leisten gelobt sein. Er ist schließlich der Beste – Muttis kleiner Prinz.
Diese Herrschaften haben vom Lieben keinen Schimmer und
Mitgefühl auch nur für sich selbst und ´ihr Volk´. Und genau diese Definition
von ´Volk´ ist so ätzend und krank. Wie kaputt muss man sein, um das zu wollen.
Ein anderer sieht das Land auf den Weg in die Diktatur und
den Geist der Unfreiheit. Und damit hat er ja sicher Recht –nur kommt der aus
seinen eigenen Reihen.
Die verdrehen schamlos, machen aus dem Täter das Opfer und
aus dem Übelwollen die gute Tat und denken, damit kämen sie durch. Bei mir
nicht.)
Das muss jetzt aber wirklich genügen zur AfD.
Über den Irankonflikt weiß ich zu wenig, und ständig nehme
ich mir vor, mich zu informieren, aber dann ist wieder was andres, ich suche
Opas Gebiss, zum Beispiel, und finde es schließlich zwischen Toaster und
Brotschneidemaschine, im Schrank unten rechts. Oder ich muss das Einhorn meiner
Tochter reparieren, das aus dem Horn die magische Fülle verliert.
Vom Wochenende ist noch ein Sekt offen im Kühlschrank. Ich
werfe den Korken in den Müll, und da fällt mir ein, dass die Müllgebühren
steigen sollen. Zwanzig Prozent oder was. Das ist nicht von Pappe. Und ich
denke, ich würde diese zwanzig Prozent gerne zahlen, wenn ich dafür die
Gewissheit hätte, dass der Müll auch wirklich so entsorgt wird, wie das
versprochen ist. “Wir nennen es Wertstoff!“ So steht´s auf dem Müllauto. Und so
nenne ich das auch. Der Korken ist Wertstoff, der Metallbügel, die Flasche, die
Verpackung der Pralinen, die´s geschenkt dazu gab – alles Wertstoff. Und doch
werfe ich das meiste davon, nämlich alles, worauf keines dieser besonderen
Embleme gedruckt ist und was nicht groß genug ist, dass das Band automatisch
richtig sortiert, in den Hausmüll, weil ich mir da wenigstens sicher sein kann,
dass der nicht nach Malaysia oder sonstwohin verschifft und versehentlich über
Bord gespült wird. So hat es die Dame vom Landratsamt gesagt – „wenn Sie sich
nicht sicher sind, dann werfen Sie in den Hausmüll“. Die zwanzig Prozent seien
Ausschreibungskosten. Okay. Aber mich würde interessieren, was da eigentlich
wie ausgeschrieben ist.
Und dann geht es um Bäume in der Hochbrücktorstrasse. Herrje
– ich fass es nicht, wieviel Wirbel um ein paar Bäume gemacht werden kann.
Bäume in der Innenstadt fände ich toll. Ich habe alte Fotos gesehen von einem
grünen ´Schwarzen Graben´. Die Stadt war mal grün. Von mir aus darf sie das gerne
wieder sein. Aber mir scheint, Stadt und Grün passt in vielen Köpfen nicht
zusammen, oder nur als Schau, als temporäre Geschichte, deren wirklich
Bleibendes dann wiederum Bauwerk sein soll. Ich dagegen stelle mir diese Schau,
die Landesgartenschau als späteres Highlight eines neuen, grünen Daseins vor,
mit hängenden Gärten, Bäumen in Fußgängerzonen,
Blumenwiesen, bespielbaren Bachläufen, mit Spazierwegen und Neckarufern, wo
Natur und Mensch verwoben sind, wo der Baum so viel Wert hat wie der Mensch,
der sich in seinen Schatten setzt, und wo spürbar ist, da ist Grün nicht Schau
und Wirtschaftsfaktor, sondern Lebensform.
´Liebe´- da ist sie wieder. Eine Landesgartenschau als eine
bombastische Liebeserklärung an ein neues, grünes, gleichwohl urbanes Leben.
Ich sehe sie halt nicht – die Liebe, wenn Bäume in Kübeln durch Straßen gekarrt
werden sollen, damit sie ja nie im Weg sind. Und ich sehe sie auch nicht – die
Liebe, wenn Randstreifen von Wegen so früh gemäht werden, dass keine Blume Zeit
hatte fertig zu blühen und keine Larve ein Heim darin fand zum Reifen. Ich sehe
sie nicht, wo grauenhaft laute Laubbläser jede kleine Ansammlung bunter Blätter
wegblasen, bis nichts mehr bleibt, worin ein Igel sich verstecken könnte.
(Abgesehen davon bringt es die Kinder um das völlig harmlose, kostenlose,
wunderbare Vergnügen, ein Bad in knisterndem Laub zu nehmen). Ich sehe sie
nicht, wo Maschinen, die groß genug wären, Mammutbäume zu fällen, einen
Kahlschlag anrichten, der aus forstwirtschaftlicher Sicht sich vielleicht
erklären lässt, dem aber jeder Flurschaden offensichtlich schnuppe ist – da
bleiben Furchen zurück, in denen man ersaufen könnte, und aus Waldsicht wäre
das Wort für all diese abgerissenen Äste und geknickten Stämme rechts und links
vermutlich ´Massaker´. Natürlich bleibt,
wo ein Baum gefällt wird – und es mag bisweilen gute Gründe dafür geben – eine
erstmal hässliche Leere. Aber mit etwas Feingefühl, da bin ich sicher, müsste
die nicht ganz so schockierend sein. Ich unterstelle diesen
Baumfällbeauftragten, wie auch den Lohnmähdreschern und Räum – und Streufahrzeugunternehmern
eine bubenhafte Lust am großen Gefährt, die nicht entscheidet nach
Notwendigkeit und Maß, sondern nach PS – es wird jeweils das stärkst mögliche
Gerät benutzt. Ein sensibler Umgang sieht ganz bestimmt anders aus.
Das ´Grüner´ sollte man schon wirklich wollen.
Und jetzt ist Sahra Wagenknecht zurückgetreten. Die war mir
bisweilen nicht unsympathisch, wenngleich ich bei den Linken nicht verstehe,
weshalb auch sie die Arbeit so hochhalten müssen. Als ob ein Mensch nur etwas wert
wäre, wenn er produziert. Schrecklicher Gedanke.
Die Tauben sitzen wieder auf dem Apo-Dach. Die scheinen
zufrieden. Immer wieder fliegen sie gesammelt auf und drehen ein paar
beschwingte Runden, bevor sie sich erneut niederlassen. Zum intensiven Turteln
ist dies nicht die Jahreszeit, aber ein bisschen sich unterhalten und zaghaft
die Flügel ausstrecken vor der nächsten Saison kann man ja mal. Die leben auch
vorrangig zum Spaß an der Freude. Eine weiße sitzt dazwischen; wir nennen sie
Helga. Eine entflohene Hochzeitstaube, von der unter den Hochzeitsgästen gemutmaßt
wurde, sie könne in Freiheit nicht überleben. Kann sie offenbar doch. Kann sie
ganz hervorragend.
Der Anschlag in Halle erschüttert mich immer noch. Geht da einer auf eine Synagoge los, an einem
jüdischen Feiertag, wenn die Synagogen schätzungsweise so voll sind wie bei
Christen die Kirchen an Heilig-Abend. Hetzt gegen Juden und alles, was ihm irgendwie
fremd vorkommt, erschießt im Vorbeirauschen zwei Leute, die so zufällig Opfer
werden, dass eigentlich klar ist – da geht´s gar nicht um Feinbilder, da geht´s
ums Wüten und Töten selbst, und da führt
sich einer auf wie ein Egoshooter im Computerspiel.
Ganz egal wie man zu Israel steht – das eine ist Politik,
das andere praktizierter Glaube. Wenn in egal welchem Land ein Mensch wohnt,
der halt Kippa trägt statt Kreuz am Hals, oder sonst ein nicht-christliches,
religiöses Symbolstück, aus Stoff oder Metall, Holz oder Fimo, wie auch immer,
dann soll der das tun und seine Feiertage feiern und seine Gebete sprechen und
seine Lieder singen – er tut nichts mehr als das. Er lebt sein Leben, und so
soll es sein, jeder nach seiner Façon.
Gerade in Deutschland muss man das verstehen. „Nie wieder!“ – Nie wieder solch ein Morden und Wüten wie es
das schon gab, nie wieder so ein „Wir“
gegen „Die“. Und wer das nicht versteht und sich mokiert und findet, nach (gerade mal)
70 Jahren könnte man das vergessen haben
–
(HeimatsalatistmandennvonallengutenGeisternverlassen
– es leben noch Zeitzeugen, es leben
Opfer, es leben deren Kinder und Enkel –
was sind schon 70 Jahre, es trägt doch hier auch ein jeder
noch die Geschichten seiner Großeltern in sich) –
wer das also nicht versteht und sich mokiert, der ist
pfeilgenau der lebendige Beweis, dass man nie aufhören darf zu erinnern und zu
mahnen.
(Ich finde diese
Gedenktafeln an Rottweils Geschäftshäusern gut. Wenn man mal drauf achtet, ist
doch an recht vielen Häusern ein silberner Davidstern. Wie groß und rührig die
jüdische Gemeinde hier einst gewesen sein muss! Jetzt kenne ich aber einen, der
einen kennt, der sagt, dass manche Geschäftsleute und heutige Besitzer sich
gegen das Anbringen solcher Tafeln an ihren Häusern gestellt haben. Finde ich
blöd. Gut finde ich dagegen, wenn es sichtbare Anker für die Erinnerung gibt.
Dann bleibt man dran und keiner ist mit seinen Gedanken und Bildern allein. Ich
kenne einen anderen, der einen anderen kennt, der im Krieg an der Ostfront war
und nur im Vollrausch an der Stammtischkante runter bitterlichst weinen und
erzählen konnte – wie sie ganze Dörfer in eisige Flüsse getrieben haben, wie
Frauen und Kinder geschrien haben, „wie´s Vieh“. Und sobald auch nur
schemenhaft Bild und Ton in mir entsteht, ist mir zum Mitweinen. Das darf es
doch niemals mehr geben! Man muss doch wissen und verstehen.)
Und dann kommt da so ein komplett Irrer daher.
Niemand hat ihm den Auftrag gegeben. Er tat, was er tat
allein – und doch –
Wieso passiert so was? Und was kann man dagegen tun? Man
kommt um die Frage nach Schuld und Verantwortung nicht herum.
Alice Weidel von der AfD hält es für eine haltlose
Diffamierung, wenn man ihrer Partei eine Mitverantwortung zuschreibt.
Ich sehe die auch.
Schläger, Stänkerer und Dumpfbacken gibt es. Da ist kein
Kraut gewachsen dagegen. Stänkern ist leichter als Zufrieden-sein, das einem
ein paar bewusst auszuhaltende Zumutungen lässt. Zur Zufriedenheit braucht es
Toleranz für Frust, Angst und Stress. Irgendwo drückt immer der Schuh,
irgendwas nervt, irgendeine Baustelle gibt es, immer, in jedem einzelnen Leben.
Damit muss man klarkommen.
Viele sind viel zu kaputt dazu. Das tut mir mitunter leid –
in dem Kaputtgehen stecken schlimme Erfahrungen. Helfen aber lässt sich, wo die
ureigenen wunden Punkte nicht gesehen werden wollen, die, wenn sie berührt
werden, komisch reagieren lassen, kaum. Dann
wird´s ungut.
Aber auch damit muss eine Gesellschaft leben. So isses halt.
Im Idealfall kümmert sie sich mit vereinten Kräften um die Baustellen und
schafft es damit, dem Unguten das Ärgste zu nehmen. Im Idealfall orientiert sie
sich nichtsdestotrotz an den Schönheiten des Daseins. Und ich unterstelle einen
Konsens darüber, dass Wüten nicht dazu gehört.
Eben diese Schönheiten des Daseins, das, was das Herz wärmt
und die Seele jubeln lässt – für mich zb
Freundschaft – erfordern Wohlwollen. Ob zu Mensch, Tier, Baum oder Stein – in
jedem Fall braucht es zum Glück Wohlwollen, was, wie ich meine, das Gegenteil
von Wut ist. Mit Wohlwollen zeigt sich das Schöne, mit Druck und Wüten halt nicht.
Natürlich wütet auch ein Hooligan nicht die ganze Zeit. Er
feiert ein Fest, er lacht und genießt ein Bad in der Sonne, und er küsst seine
Freundin. Aber er legt dabei nicht seine aggressive Gesinnung ab. Diese Wut ist mehr als nur ein momentanes
Gefühl.
Weshalb es jetzt Leute gibt, die diese üble Gesinnung schüren,
benutzen, sich vor den Karren spannen, das erklärt sich mir nicht.
Wie kann man Wut als Gesinnung und als politische Kraft
wollen? Wohin soll das führen, wozu soll das gut sein? Wo es das doch gar nicht
sein kann – ´gut sein´.
Nichts gegen Wut an sich. Jeder ist mal wütend und
unzufrieden. Ich auch. Und dann bin ich hart und ich übertreibe und bin bisweilen
so derb und verbalbrutal, dass ich vor mir selbst erschrecke. Aber stets weiß
ich, die Wut ist meine und zwar nur und ausschließlich meine. Der Anlaß kommt
von außen, mir widerfährt etwas, das mir gegen den Strich geht – die Wut, die
folgt, ist meine eigene. Was mich wütend macht, ist etwas anderes, als das, was
meine Freundin, meine Schwester, meine Nachbarin wütend macht, die alle andere
wunde Punkte haben, andere Ängste, andere Erfahrungen, andere Ausdrucksformen,
andere Empfindungen. Jeder ist aus ganz eigenen Gründen und auf ganze eigene
Weise wütend. Es gibt nicht DIE Wut.
Jeder ist für sich selbst und wegen sich selbst wütend. Und das ist eigentlich
große Klasse! Sie kann mich einen kurzen Moment mitreißen, aber sobald ich sie
erkenne, nehme ich sie an die Leine und lasse nicht mehr los. Dann kann ich
versuchen zu verstehen, was meine Wut mir sagt. Das kann mitunter recht
erhellend sein. Und ich kann mir überlegen, was ich ändern kann und die
Energie, die in der Wut steckt – und die ist immens – benutzen und mich ans Werk machen. Niemals aber darf ich die Wut entscheiden und
mich von ihr führen lassen. (Gab´s auch schon, war aber scheiße). Dann wird’s nur destruktiv. Wut ist ein
legitimes und bisweilen hilfreiches Gefühl, aber ein mieser Ratgeber.
Vielleicht ist das das Ticket der Hassredner : Wut ist ein
individuelles und temporäres Gefühl. SIE machen eine Grundhaltung, eine
Gesinnung daraus und vermitteln den Eindruck, es gäbe objektive und
allgemeingültige Gründe und eine gemeinsame Form der Wut, und es wäre richtig
und angebracht, ihr zu folgen.
Das ist fies. Die Höckes, Gaulands, Weidels und von Storchs,
die Salvinis und Trumps, und wie sie alle heißen, alle, die ständig am Hetzen sind – sie haben alle ein zufriedenstellendes
Leben. Unterstelle ich. Sie haben Jobs
und Karrieren, Familien, ein Heim, und mitunter Kohle bergeweise – sie wissen,
wie sich ein erfülltes Leben zusammensetzt, und sie könnten ihren Hobbys
nachgehen, Golf spielen oder hübsche Bilder malen, irgendwas, und den Rest der Welt in Frieden lassen.
Sie spielen ein doppeltes Spiel.
Sie sagen nicht „morde!“, aber sie erklären die Wut für
richtig und gut, sie geben die Schuld für jede Miesepetrigkeit anderen und
propagieren, man könne seinen angeblichen Anteil vom Glückskuchen einfach
einfordern. Funktioniert aber so nicht
und hat es bestimmt auch noch nie. Es braucht Rahmenbedingungen, damit Leben freudvoll
verlaufen können. Aber schaffen muss sein Glück jeder selbst. Im Wüten gelingt
das nicht.
Wozu also dies Propagieren der Wut? Ich versteh´s nicht.
Oder sind diese verbalen Wüteriche am Ende eben selbst auch völlig kaputt? Und lieben das Wüten um des Wütens willen?
Macht ist geil. Mehr Macht ist geiler. Truppen
aufmarschieren lassen ist megageil. Man
sitzt auf seinem Schloss, blickt aufs Land wie früher der Adel, (und wie der
das teilweise auch heute noch tut), und überlegt, (wie dieser Vordenker der Rechten in
Sachsen), wie man die Macht übernimmt,
die Truppen formiert und sie lenkt und
dirigiert gegen alles, das einem die
Gefolgschaft verweigert . Man gefällt sich selbstherrlich in seiner Gutsherrenpose und ist doch
eigentlich nichts als anmaßend und elitär.
Von solcher Art Herrschaften lassen sich die Chefs und
Chefinnen der AfD inspirieren und instruieren.
Ich wundere mich ja immer, dass ´Gutmensch´ ein Schimpfwort
ist. Keiner ist nur und durch und durch gut und lauter und rein wie ein
frisches Maiglöckchen. ´Viele Seelen wohnen ach in unsrer Brust´. Ich kenne das
Miststück auch in mir, das es in sich hat und das auch schon ziemlich viel von
seiner garstigen Seite betrachtet und angegangen hat. Der kurze Spaß und die
Prise Freude dabei hinterließen
allerdings einen langen, bitteren Nachgeschmack; ist also nicht zu empfehlen.
Ich halte das Miststück fest am Zügel
und gebe dem Guten den Vorrang. In der Tat. Ich will kein schlechter Mensch
sein, nicht Schlechtes in die Welt bringen. Was soll daran verwerflich sein?
Da rennt einer und folgt seiner ureigenen Wut und bläst zur
Jagd auf Juden und ´Kanaken´, (sorry – nicht MEIN Wort – O-Ton). Es tut mir so
leid. Ich find´s so scheiße.
Und da tragen Leute die Wut im Mund und tun so, als wüssten sie
nicht um die Wirkung ihrer Worte, und tun so, als fühlten sie sich ungerecht
behandelt, und tun so, als müssten sie
sich wirklich so dermaßen weinerlich mokieren.
´So gemein sind alle zur AfD, oh je´. Kein neuer Einfall, und doch immer wieder neu – der
Täter, der sich zum Opfer stilisiert.