
Das Fest ist gefeiert, und eigentlich wäre jetzt durchatmen und die Pause „zwischen den Jahren“ genießen schön, wenn alles einen Gang runterschält. Es ist ja so im Großen und Ganzen irgendwie doch „alles gut“. Weshalb es also nicht einfach mal gut sein lassen. Aber im Detail steckt halt doch ein Ringen um ebendies „gut“ darin. So geschieht mein „zwischen den Jahren“ im seltsamen Nebeneinander von Slo-mo und Zeitraffer, und ich weiß nicht, ob mir nur alles so dichtgedrängt vorkommt und ich mit meinen Erwartungen und Plänen daneben liege, oder ob es wirklich so ist. Anscheinend aber bin ich nicht die Einzige, die so empfindet.
Für Vorweihnachtsfreude hatte ich wenig Sinn dieses Jahr. Das Weihnachtsfest der Maxi-Kolbe-Schule war ein rarer, schöner Moment. Das Mädel singt im Chor, und ich war hinterher ganz dankbar darum, dass ich quasi gezwungen gewesen war, hinzugehen. Ich fand´s toll. Mit viel Gesang und zauberhaften Lichtspielen. Voll schön. Es ging um Licht und Liebe, darum, dass kein Kind zur Welt kommt und weiß, was Hass ist – den lernt es unter ungünstigen Umständen erst später – dass jedes aber sofort Liebe erkennt. Liebe ist der Natur des Menschen viel näher. Das ist ganz meine Parole. Mit Liebe ist alles besser. Manche finden „Bitte“ sei das Zauberwort. Meines ist „trotzdem“. Trotzdem lieben. Jeder hat seinen eigenen Vogel, sag ich immer, mindestens einen, viele mehrere. Solange die nicht gemeingefährlich sind, ist das halb so wild. Wobei nicht jede Zumutung als „gefährlich“ gelten kann. Die Zumutungen gehören mitunter zum „trotzdem“. Nicht alles läuft immer rund und ist trotzdem gut. Ich habe mich mit einer Mitmutter unterhalten darüber, wie schwer die Hilflosigkeit zu ertragen ist, mit der wir das Altwerden der Eltern hinnehmen müssen, auch da, wo sich tragische Elemente hineinschieben. „Je oller je doller“, das gilt auch für die Vögel. Und an Weihnachten fliegen auch sie gerne himmelwärts und richtig hoch. „Das Fest wird schön werden, so oder so!“ haben wir uns einander Mut zusprechend verabschiedet. Und das war es dann auch, schön, aber nicht rund.
Weihnachten war anders dieses Jahr. Oma kommt unsere Treppe nicht mehr hoch, deshalb waren wir mittags dort. Das war chaotisch, aber auch sehr nett, und das obwohl es just an diesem Heiligen-Abend-Tag einen innerfamiliären Bruch gab, mit dem ich so auch nicht gerechnet hätte. Die liebe Familie – manchmal bin ich überrascht, was da alles möglich ist. Ich hatte gedacht, ich kennte die Vögel meiner Nächsten. Das war ein Irrtum. Von manchen hatte ich keine Ahnung. Und wer weiß, was da noch alles brütet.
Da wirft einer an Heilig Abend aus der Ferne einen Bettel hin, von dem ich behauptet hätte, dass der gar nicht hinzuwerfen ist, so wie ich ja nun immer zb „Eltern“ bin, egal was passiert und wie ich dazu stehe. Weil ihm seine eigene Geschichte heuer im Weg ist und jetzt alle so tun sollen, als wäre sie nie geschehen, und weil die Eltern eine Türe aufmachen, die er streng verschlossen hält, durch die er einst aber selbst gekommen ist. Unsere Eltern haben IMMER anderen die Türe aufgemacht, das hat sich nicht geändert und muss es auch nicht, an Festen, bei denen es um Gastfreundschaft geht, schon gar nicht. Und dann regt er sich auf, dass keiner mitzieht. „Wer nicht für mich ist, ist gegen mich“ – find ich blöd, und selbst die Bibel hat nicht in allem Recht. Auch als loyal Liebende muss ich nicht bei jedem Mist dabei sein.
Ich habe mich über Opas Dickfelligkeit und Ignoranz schon so aufgeregt, dass ich in einer Lautstärke hätte schreien wollen, die man am Nordpol noch hört. Hier fand ich diese Dickfelligkeit nun ganz brauchbar – wir nehmen zur Kenntnis und warten ab, was die Zukunft bringt.
Von den Großeltern ging´s zum Familiengottesdienst in der Predigerkirche, wie in eigenen Kindertagen. Ich hatte es mit den Kindern vor einigen Jahren mal versucht, was ein Desaster gewesen war. Es war nicht unsere beste Zeit gewesen, und den Kindern mangelte es an Aufmerksamkeit und Sitzfleisch. Es hat mich eigentlich gewundert, dass wir nicht hochkant rausgeflogen sind. Die mitleidigen Blicke der Banknachbar*innen haben allerdings Bände gesprochen, und eine Frau vor mir hat sich umgedreht und mir sanft zugeflüstert, ihre Enkelin habe sich schon übergeben, so überdreht sei sie gewesen. Und ich schluckte und dachte „prima, das also ist die Kategorie, in der wir uns hier bewegen“. Fortan haben wir die Geschichte mit Gästen zuhause selbst gespielt. Jetzt aber war Zeit für einen neuen Versuch. ….
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