Alles tiptop sei´s, sagt er,

und ich bin hin und her gerissen und weiß nicht, ob ich das gut finden soll.

Ist ja schön, wenn´s läuft. Aber er ist Verschwörungstheoretiker, bei dem Corona Teil des großen Reset war und für den es den menschgemachten Klimawandel nicht gibt. Seine Geschäfte laufen, der Rubel rollt, und familiär klinkt er sich aus allem aus, was nicht passt. „Klar“, denk ich – wenn man ignoriert, dann ist leicht „alles tiptop“.

Vielleicht ist auch das Familie. Aushalten, dass ein andres Mitglied Familie anders sieht.

Ich kann das nicht. Ignorieren. Ich würde manchmal gerne. Ich ringe um Leichtigkeit. Der Frühling ist da, aber bislang noch ohne Frühlingsgefühle. Was nicht heißen soll, dass ich mich neu verlieben will. Aber die Freude übers Sprießen und Blühen, übers große Erwachen, die blieb bis jetzt aus. Stattdessen drückt mir das Elend der Welt so sehr aufs Gemüt, dass ich kürzlich schon angesprochen wurde „du läufst, als trügest du das Gewicht der ganzen Welt auf deinen Schultern“. Mann ey. So was hör ich gar nicht gerne. Ich bilde mir was ein auf meinen notorischen Optimismus. Ich WILL zuversichtlich sein, und sei es wider bessres Wissen. Einfach weil alles andre auch nicht hilft. Aber es ist was dran – mir reicht ein Bruchteil der täglichen Nachrichten, um genug zu haben. Da braucht´s keine eigenen Baustellen dazu. Wenn da dann auch noch was kommt, ist´s schnell zuviel.

Ich bin fassungslos ob der zunehmenden Ignoranz für die Aufgaben der Zeit. Klimawandel gilt nicht mehr als heranziehende Katastrophe, sondern als „Wahn“ und „Hysterie“ von ein paar Wirrköpfen, die der Welt Kommunismus und Steinzeit aufs Auge drücken wollen. Jeder Klimaschutz ist grüne Zumutung.

Manche geben dafür der „Letzten Generation“ die Schuld, die die Stimmung so aufheize. Aber herrje, wir sind die letzte Generation, die mit heutigem Stand der Wissenschaft gegen den Klimakollaps was tun kann – rein objektiv betrachtet, haben sie einfach Recht. Und soo sehr abzugehen braucht man auch nicht ob ihren Aktionen. Die Kunstwerke, an die sich da geklebt wird, gehen den meisten am Allerwertesten vorbei, und Staus nimmt man im normalen Alltag auch als unvermeidbar hin. „Freie Fahrt für freie Bürger“ – ungestört quasi Luftlinie von A nach B – das ist ja nur ein Traum von ein paar abgehobenen Luftikussen.

Aber es sind diese Luftikusse, die derzeit die Richtung angeben und die alles mit Stumpf und Stiel verteufeln, was in eine sinnvolle Richtung ginge. Wenn es um den Flächenverbrauch geht und darum, dass nicht jede Generation ihre eigene Eigenheimsiedlung bauen kann, ist das nicht Einsicht und Vernunft, sondern ein „ideologischer Kampf der Grünen ums Eigenheim“. Wenn es um Massentierhaltung geht und um den Fleischkonsum, dann ist jeder Ansatz, diesen zu drosseln, Ideologie und Verbotskultur. Als wären nicht unendlich viele Verhaltensweisen verboten wegen mangelnder Allgemeinverträglichkeit. Ideologie ist links und grün besetzt und basta.

„Der Markt löst all unsere Probleme, wenn wir ihn nur frei und unreglementiert agieren lassen“ : das sind für mich die eigentlichen Ideologen – die, die nicht mal bereit sind auch nur zu reden über die Tücken eines Wirtschaftssystems, das immer neue Bedürfnisse schafft, für das der Wohlstand nie „genug“ ist, und das bloß „mehr“ und „Wachstum“ kennt. Wenn das mal nicht ein Tanz ums goldene Kalb ist. Ich neige seit der Erstkommunion der Tochter zu religiösen Metaphern. Nichts soll sich wirklich ändern – unser Leben dreht sich ums Auto, bauen und heizen will man dürfen wie in den goldenen Fünfzigern, ohne Rücksicht auf Verluste, und reisen und essen will man auch wie eh und je. Klimaschutz – „nur wenn´s besser und billiger ist“, schrieb einer auf Twitter, in das ich nur noch reinschaue wie man ein Thermometer wo reinsteckt – um zu sehen, wo es überkocht und welche Sau gerade durchs Dorf getrieben wird. Ich halt´s eigentlich kaum mehr aus, und die Diskussionen mit Klimaleugnern sind mir zuwider. „Weniger“ ist nicht denkbar; als ob uns mit unserer Geburt lebenslanger Sonnenschein versprochen worden wäre. Aber die „Letzte Generation“ ist „wohlstandverwahrlost“, und wer „Verzicht“ im Wort führt, ist bestenfalls naiv.

„Das haben wir uns verdient“, wird entgegen gehalten, wo um die Statussymbole des Wohlstands gefürchtet wird. Als ob nach uns nicht auch fleißige Leute zur Welt kämen, die eine Chance auf „Verdienen“ verdienen. Und als ob diese heutigen Verdienste nicht vollkommen fiktiv und mitunter absurd überhöht wären.

Ich habe den, für den alles tiptop ist, gefragt, was er denn an Maßnahme tolerieren würde: „Plastikverpackungen verbieten“. Gut. Da bin auch dafür. Aber ob das klimaschutzmäßig der Riesenbringer ist – dahingestellt. Ich bin sehr für #Technologieoffenheit – jede Technologie an ihrem idealen Platz. E-fuels sind eine tolle Technik, aber als Antrieb für massenhaften Individualverkehr sicher nicht mehr klimaneutral. Wenn „der Markt“  so agiert, dass neue Möglichkeiten nicht eingesetzt werden für mehr Nachhaltigkeit, sondern er alles nur abklopft auf das Spaßpotential für die, welche es sich leisten können – und das müssen nicht viele sein – wie beim Auto – man setzt gerne auf das Luxussegment – dann muss man „den Markt“ doch hinterfragen und mäßigend lenken. Ganz ohne Ideologie.

Ich versteh´s nicht. „Freiheit!“. Ich kann´s nicht mehr hören.

Döpfners Entgleisungen wundern mich kein bisschen. Wie viele seines Schlags schaut er nach unten und verachtet rundweg. Nur leider macht er als Chef des Springerhauses damit Meinung. Wenn er in seiner Position den Klimawandel gutheißt, weil er „warm“ für besser hält, weiß man, was die Stunde geschlagen hat: Klimaschutz ist so was von in der Defensive – die Widerlinge geben den Ton an. Dass andre bei dem prima „warm“ in dann nicht mehr bewohnbaren Landstrichen wohnen – deren Problem. Gerade ist wieder ein Boot mit Zig Flüchtlingen gekentert, nur 5 haben überlebt.  Was soll´s er- deren Problem. Europa macht die Grenzen dicht, und gut ist.

Döpfner ist ein böser Mensch. Wie Merz. Und wie Lindner, den Döpfner unterstützt. Ein FDP-Mann hat in einer Twitter-Diskussion über zu viele „Lowperformer“ geklagt. Grundgütiger. Es gibt also  „Highperformer“ und „Lowperformer“. Das Leben ist eine Performance, und es geht darum, eine gute Figur zu machen. Und „Freiheit“ ist die Rücksichtslosigkeit, mit der die einen ihr Glück zum Leid der anderen schmieden. Je größer Druck und Raubbau, um so mehr gehen daran zugrunde. Eine Gesellschaft, die nur noch Sieger will und keine Schwächen und kein Scheitern duldet. Wer will so leben?

Die Erstkommunion ist gefeiert. „Bei denen sein, die an Gott glauben“, hatte das Mädel gewünscht. Sie lebt in einem katholischen Umfeld – es war dies, was sie meinte, und so sollte es sein. Ich halte Religion zwar für etwas, das man eigentlich, wie Medizin, die nur in der richtigen Dosis hilft, nur mit Gefahren und Risiken erklärendem Beipackzettel verabreichen sollte. Aber bitte – in der richtigen Dosis kann es Halt und Rahmen sein. Auf dem Weg zur Kommunion habe ich allerdings gemerkt, dass mir das Protestantische doch näher ist. Es wird weniger Brimborium veranstaltet, stattdessen hat die Predigt einen zentralen Stellenwert und ohnehin mehr Gegenwartsbezug. Im katholischen Glauben, so scheint´s, hat man alles richtig gemacht, wenn man sich an die Riten hält. So ist es leicht, ein guter Christ zu sein und sich selbst auf die Schulter zu klopfen. Die Protestanten muten einander mehr Eigenverantwortung zu, und die wird auch erklärt.

In der evangelischen Karfreitagspredigt hat die Pfarrerin den Kreuzweg als das Leiden Gottes am Elend der Welt erklärt. Gott brauche unseren Beistand. Das ist doch ein Auftrag, den man verstehen kann. „Seid gut zueinander!“ In der katholischen Ostersamstagsandacht ging es – und das sei traditionell die Ostersamstagsliturgie – um den Auszug aus Ägypten. Wo der Zusammenhang zur Auferstehung liegt, blieb entweder gänzlich unerklärt oder war so nebenbei eingewoben, dass es leicht war zu überhören. Man sah sich selbst als „das auserwählte Volk“, was ich für nicht mehr zeitgemäß und nicht sehr klug erachte, und dass die ägyptischen Verfolger samt und sonders im Meer ertranken, wurde quittiert mit „Herr wir preisen dich“. Nach ein paartausend Jahren könnte man die Schadenfreude auch mal überwunden haben, meine ich. Dann wurden alle Heiligen namentlich angerufen „steh uns bei“ und sämtliche möglichen Leiden aufgezählt, „erbarme dich unser“. Es geht um die eigene Befindlichkeit; Eigenverantwortung diesbezüglich Fehlanzeige.

Vielleicht verstehe ich es auch falsch.

Ich finde den katholischen Pfarrer nett, und bestimmt ist er ein sehr gescheiter Mann, der mehr drauf hat als den Zeremonienmeister in einem zweistündigen, für mein Empfinden vollkommen absurden Ritual zu geben. Ich überlege, mal an einem stinknormalen Sonntag in die Kirche zu gehen und zu hören wie da gepredigt wird – ob es nicht doch etwas hergibt. 

Ich bin am Schimpfen. Grad macht mich das Treiben in der Welt so grantig, dass ich sofort ins Schimpfen komme. Ich kann das selbst nicht leiden. Ich will´s doch gut sein lassen.

„Und wenn ich wüsste, dass morgen die Welt untergeht, würde ich heute noch einen Apfelbaum pflanzen.“ Martin Luther wird das zugeschrieben. Das ist vielleicht nicht die schlechteste Idee. Wir wollen eh in Opas Garten einsteigen. Apfelbäume hat´s da, aber Himbeersträucher nicht. Und eine Magnolie wäre auch schön. „Narren hasten, Kluge warten. Weise gehen in den Garten“.  Das habe ich im russischen Viertel in Potsdam gelesen. Auch nicht schlecht. Die Kleingartensiedlung – immer undenkbar gewesen. Jetzt will ich es angehen. Ich nehme es mir fest vor. Und dann klappt´s bestimmt auch mit dem inneren Frieden und den Frühlingsgefühlen.

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„Frieden“ scheint ein provokantes Wort

Und damit tue ich mich echt schwer.

Ich kann nichts Schlechtes darin sehen, Frieden zu wollen. Ich will den mit den allerbesten Gründen. Auf einer Demo war ich deshalb nicht und habe keine Fahne mit Friedenstaube und Peace-Zeichen geschwenkt, nicht bei der Wagenknecht-Schwarzer-Demo neulich in Berlin, und auch auf keiner anderen. Wie bei Corona stimme ich manchen Forderungen der Proteste zu. Ich habe das Manifest der beiden Frauen unterschrieben, das mit „Wir müssen reden“ betitelt war. Es ist darin nicht die Rede von einem Stopp der Waffenlieferungen an die Ukraine. Was ich auch schwierig fände. Man hat die Ukraine ja geradezu ins offene Messer laufen lassen – jetzt soll sie sich auch verteidigen können. In dem Manifest geht es um ein Ende der Eskalationsspirale, dieser Kriegstreiberei, die ich auch so empfinde. Das konnte ich mit gutem Gefühl unterschreiben. Zu einer Demo kann ich trotzdem nicht. Ich kann nicht mitgehen, wo man mit Rechten geht.

Vielleicht verkläre ich. Ich weiß es nicht. Ich hatte damals bestimmt eine jugendliche, bisweilen einseitig betrachtende Brille auf. Aber in den 80ern, als es um den Nato-Doppelbeschluss ging, als alle auf der Menschenkette waren und vor den Toren Mutlangens usw, da ging es einfach um dies –  um die Stationierung der Mittelstreckenraketen, und keiner hat irgendwelche Banner hochgehalten und Parolen geschmettert, worum es ihm sonst noch so ging. Keiner wollte irgendwas umstürzen, keiner hat gehetzt und polemisiert. Auch auf den Kundgebungen war der Ton ein anderer; Frieden hat sich nach Frieden angehört. Von der Menschenkette fuhren wir Kanon singend nach Hause; die Melodie habe ich immer noch im Ohr.

Heute klingt auch der Wunsch nach Frieden aggressiv. Überhaupt scheint die Zeit mir über jedes verträgliche Maß hinaus aggressiv. Der Umgangston ist vielerorts konsequent barsch und rau. Im Nahverkehrszug habe ich schon halbe Schlägereien erlebt.  Im Schulbus geht´s bisweilen zur Sache, fliegen Schulranzen und wird geschubst und gepöbelt. Und wenn der Bub mit seinem Freund auf dem Spielplatz war, kommen sie häufig heim und erzählen von Beschimpfungen, Drohungen und wüstester Anmache.

Als ob mit einem Mal alle verlernt hätten, sich konstruktiv auseinanderzusetzen. Ich versteh´s nicht. Es macht mir auch Angst. Die Warnungen zu mehr Klimaschutz werden immer dringlicher; es geht um ein „Ende der uns bekannten Zivilisation“. Und wir streiten wie die Berserker ums heilig Blechle, um Autobahnen, Schnitzel und Gendersternchen und unterteilen in irgendwelche komischen Völkergrüppchen. Wir Deutsche, die Syrer, die Afrikaner, die Afghanen, die Ukrainer – wir sind halt alles Leute, die ein gutes Leben wollen.

Es ist so absurd. Einigen geht es nach wie vor darum, rauszuholen, was rauszuholen geht. Über die FDP will ich nicht mal mehr den Kopf schütteln. Was die abzieht, spottet jeder Beschreibung. Die träumt von der alles rettenden Technik, die alle Probleme löst, ohne dass irgendwer auf irgendetwas verzichten muss. Traumtänzer! Die überlassen ungerührt den Nachkommen den großen Schock bis hin zu einer gut möglichen totalen Dysfunktion. Das ist wider jedes bessre Wissen gehandelt. Und dann treibt man erstmal Krieg als lebten wir im Mittelalter und die Erde wäre eine Scheibe. Und der liebe Gott wohnt obendrüber und wird es beizeit für die seinen wieder richten.

Wenn dieser Krieg vorbei ist und es um den Wiederaufbau geht, dann hat man nicht die Goldenen Fünfziger. Dann ist man mitten in der Klimakrise und hat mit dieser noch ganz andere Probleme. Ich habe mich ausgeklinkt; Vogel-Strauß-Prinzip. Im Grunde habe ich gar keine klare Haltung zu diesem Krieg. Ich kann für keine Seite uneingeschränkt sein. …..

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„Immer wenn´s am schönsten ist“- Ein Fasnetsrückblick

„Immer wenn´s am schönsten ist, ist es vorbei“, heult das Mädel und ist empört, wie kurz diese Tage doch sind im Vergleich zu den langen, zähen Schulwochen. Fasnet ist schon auch Kinderparadies – alle verkleiden sich, Lehrer werden ihres Amtes enthoben – was oben ist, ist unten und was unten oben, zumindest scheint es so – , im Kleidle sind alle inkognito, und ohne braucht man nur die Hand auszustrecken und es regnet Süßigkeiten. Heaven, was kann man mehr wollen.

Ich versteh sie und bin doch selbst ganz zufrieden, dass sie vorbeigeht, die Fasnet. Schön war´s und anstrengend. Lange hielte ich das gar nicht aus. Dabei war es eine Fasnet ohne Stress; ich war so gut vorbereitet wie nie. Ich hatte zeitig angefangen, fachfraulichen Rat und fand es im Übrigen auch angenehmer, mich mit Narrenbuch und dem Richten der Kleidle zu befassen, als mit täglichen Katastrophenmeldungen. Schon krass eigentlich, wie viel Raum diese 5. Jahreszeit einnimmt.  Fasnetsbälle habe ich keinen einzigen besucht; „wenn deine Kinder groß sind“, tröstete eine Freundin. Mal schau´n. Sie sollen sich beeilen, sonst bin ich zu alt dazu. Bliebe noch das jährliche Konzert der Stadtkapelle. Da war ich, nachdem ein Schmotzigenfreund dafür Werbung gemacht hatte, dieses Jahr das erste Mal. Uns gegenüber saß ein älteres Ehepaar das schwärmte „so toll war´s noch nie!“. Die Begeisterung brach ihnen aus allen Poren, und meine Freundin und ich, wir fanden´s auch klasse, ein sehr lustiges, musikalisch gekonntes, abwechslungsreiches, fantasievolles, rottweilspezifisches Fasnetsspektakel. Ich hatte eine Karte übrig und meinen Vater eingeladen. Der war ganz im Glück und rockte zwischen Tisch und Wand.

Der Schmotzige kam und mit ihm der abgesehen vom Beginn der großen Ferien liebste Schultag der Schüler*innen, da machen meine, obwohl noch zu klein für die große Sause in der Stadt, keine Ausnahme. Die große Sause sah gut aus dieses Jahr, kein Scherbenmeer, kein exzessives Komasaufen, stattdessen Musik, Tanz und ausgelassene Party. Und natürlich lustige Kostüme. Das witzigste habe ich allerdings am Fasnetssamstag im Schwarzen Lamm gesehen: Zauberstab, Feenflügel und ein Schemel auf dem Kopf, der kein Schemel, sondern Tisch sein wollte – der Name des Kostüms „Feetisch“.

Wir waren am Schmotzigen als „Hitparade“ mit Dieter Thomas Heck unterwegs und hatten von stürmischem Applaus und frenetischen „Zugabe-“Rufen bis hin zum Spielen vor vollkommen reglosem Publikum alles dabei. „Man ist sich gar nicht sicher, ob sie echt sind“, hab ich zu meiner Freundin gesagt. War schon ein bisschen spooky. Später war sowieso der Stecker gezogen – ihr versagte die Stimme. Ins Spital kamen wir so nicht, was ich schade fand. Ich hätte dem frischgebackenen OB schon gerne unter die Nase gerieben, wie schoofel ich finde, dass der Klimamanager schon kurz nach der Wahl nicht mehr wie im Wahlkampf großmundig angekündigt „direkt unterm OB angesiedelt“  sein sollte. „Es wird koi ´weiter so´ gäba, war versprocha. Es einzig „Neue“ bis jetzt sen allerdings Tempo und Leichtigkeit, mit dene Vorhabe über Bord gworfa werded. Dr Klimamanager hot solla direkt unterm OB ahgsiedelt sei. No hot der im Gemeinderat gfrogt, wie mers do gern hett, und die alte Herra hen gmoint, des breicht es it – des duads im Fachbereich 5, mit Isoliera on Zeig ka no ebber ebbes verdiena, drieber naus bassiert nix, on damit war´s gschwätzt.“ Und zu „Aber bitte mit Sahne“ : „Der Klimaschutz hot solla Chefsache sei; Mhmhmh oh yeah; doch so stoht dr Ruf für seine Ziele net ei; Mhmhmh oh yeah; die CDU, dia isch dagega, da muass der Ruf it lang überlega. Was goht mih mei Gschwätz von geschdern scho an? Schorle a mih na – Aber bitte mit Sahne“. Und so schön gesungen hat der Ludo Nirgends das. Schade. Aber sei´s drum – man wird vielleicht noch Gelegenheit haben, darauf zurückzukommen. Ich bin jedenfalls nicht die Einzige, die das krumm nimmt.

Wenigstens kam ich durch den frühen „Feierabend“ in den Genuß, selbst noch ein paar Gruppen zu sehen. „Plombazieher“ mit Omikron, Delta und Co fand ich mega, voll schräg. Und dann wurde die Nacht wieder lang mit Oberflächlichkeiten und Tiefgang, Leichtsinn und Tragödie.

Wie okay alles doch ist. Wie schön es sein kann, selbst in diesem Endzeit- und Katastrophenszenario. Man schämt sich fast. „Nobel geht die Welt zugrunde“. Mancher Spontispruch stimmt halt.

Ich habe den getroffen, mit dem ich am Schmotzigen auch schon rumgezogen bin, den ich nicht oft, aber auch sonst manchmal treffe, und der gerade zurück war aus Afrika, mit Daniel, dem 5-jährigen Jungen mit Tumor, welcher auf die Atemwege drückt. Wenn er nicht operiert wird, wird er ersticken. Man sammelt jetzt. Aber was, wenn die Spenden nicht reichen. So eine Behandlung übersteigt schnell jeden vorgestellten Bereich.

Ein anderer stand noch dabei, und es ging um die sich irgendwie doch als Realitätssinn verbrämte Abgebrühtheit „man kann nicht alle retten“. Ich fühl mich mies dabei. Es gibt Millionen schwerkranker Kinder. Das stimmt. Aber da gibt es „diesen magischen Moment“, sagte der, der ihn erlebt hat, „da kannst du nicht unbedingt vor dem Einen stehen, dich umdrehen, gehen und es seinem Schicksal überlassen“. Das glaube ich gerne. Wiederum ist auch nicht zwangsläufig dem Schuld zu geben, der geht. Vielleicht ist Bleiben eine Aufgabe, wie man sie nur ein einziges Mal im Leben stemmt. „Wer nur einen Menschen rettet, rettet die Welt.“ Ein Ausspruch aus dem Talmud, den ich gut finde. ……

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„Alles gut“ – Jedem seinen eigenen Vogel

Das Fest ist gefeiert, und eigentlich wäre jetzt durchatmen und die Pause „zwischen den Jahren“ genießen schön, wenn alles einen Gang runterschält. Es ist ja so im Großen und Ganzen irgendwie doch „alles gut“. Weshalb es also nicht einfach mal gut sein lassen. Aber im Detail steckt halt doch ein Ringen um ebendies „gut“ darin. So geschieht mein „zwischen den Jahren“  im seltsamen Nebeneinander von Slo-mo und Zeitraffer, und ich weiß nicht, ob mir nur alles so dichtgedrängt vorkommt und ich mit meinen Erwartungen und Plänen daneben liege, oder ob es wirklich so ist. Anscheinend aber bin ich nicht die Einzige, die so empfindet.

Für Vorweihnachtsfreude hatte ich wenig Sinn dieses Jahr. Das Weihnachtsfest der Maxi-Kolbe-Schule war ein rarer, schöner Moment. Das Mädel singt im Chor, und ich war hinterher ganz dankbar darum, dass ich quasi gezwungen gewesen war, hinzugehen. Ich fand´s toll. Mit viel Gesang und zauberhaften Lichtspielen. Voll schön. Es ging um Licht und Liebe, darum, dass kein Kind zur Welt kommt und weiß, was Hass ist – den lernt es unter ungünstigen Umständen erst später – dass jedes aber sofort Liebe erkennt. Liebe ist der Natur des Menschen viel näher. Das ist ganz  meine Parole. Mit Liebe ist alles besser. Manche finden „Bitte“  sei das Zauberwort. Meines ist „trotzdem“. Trotzdem lieben. Jeder hat seinen eigenen Vogel, sag ich immer, mindestens einen, viele mehrere. Solange die nicht gemeingefährlich sind, ist das halb so wild. Wobei nicht jede Zumutung als „gefährlich“  gelten kann. Die Zumutungen gehören mitunter zum „trotzdem“. Nicht alles läuft immer rund und ist trotzdem gut. Ich habe mich mit einer Mitmutter unterhalten darüber, wie schwer die Hilflosigkeit zu ertragen ist, mit der wir das Altwerden der Eltern hinnehmen müssen, auch da, wo sich tragische Elemente hineinschieben. „Je oller je doller“, das gilt auch für die Vögel. Und an Weihnachten fliegen auch sie gerne himmelwärts und richtig hoch. „Das Fest wird schön werden, so oder so!“ haben wir uns einander Mut zusprechend verabschiedet. Und das war es dann auch, schön, aber nicht rund.  

Weihnachten war anders dieses Jahr. Oma kommt unsere Treppe nicht mehr hoch, deshalb waren wir mittags dort. Das war chaotisch, aber auch sehr nett, und das obwohl es just an diesem Heiligen-Abend-Tag einen innerfamiliären Bruch gab, mit dem ich so auch nicht gerechnet hätte. Die liebe Familie – manchmal bin ich überrascht, was da alles möglich ist.  Ich hatte gedacht, ich kennte die Vögel meiner Nächsten. Das war ein Irrtum. Von manchen hatte ich keine Ahnung. Und wer weiß, was da noch alles brütet.

Da wirft einer an Heilig Abend aus der Ferne einen Bettel hin, von dem ich behauptet hätte, dass der gar nicht hinzuwerfen ist, so wie ich ja nun immer zb „Eltern“  bin, egal was passiert und wie ich dazu stehe. Weil ihm seine eigene Geschichte heuer im Weg ist und jetzt alle so tun sollen, als wäre sie nie geschehen, und weil die Eltern eine Türe aufmachen, die er streng verschlossen hält, durch die er einst aber selbst gekommen ist. Unsere Eltern haben IMMER anderen die Türe aufgemacht, das hat sich nicht geändert und muss es auch nicht, an Festen, bei denen es um Gastfreundschaft geht, schon gar nicht. Und dann regt er sich auf, dass keiner mitzieht. „Wer nicht für mich ist, ist gegen mich“ – find ich blöd, und selbst die Bibel hat nicht in allem Recht. Auch als loyal Liebende muss ich nicht bei jedem Mist dabei sein.

Ich habe mich über Opas Dickfelligkeit und Ignoranz schon so aufgeregt, dass ich in einer Lautstärke hätte schreien wollen, die man am Nordpol noch hört. Hier fand ich diese Dickfelligkeit nun ganz brauchbar – wir nehmen zur Kenntnis und warten ab, was die Zukunft bringt.

Von den Großeltern ging´s zum Familiengottesdienst in der Predigerkirche, wie in eigenen Kindertagen. Ich hatte es mit den Kindern vor einigen Jahren mal versucht, was ein Desaster gewesen war. Es war nicht unsere beste Zeit gewesen, und den Kindern mangelte es an Aufmerksamkeit und Sitzfleisch. Es hat mich eigentlich gewundert, dass wir nicht hochkant rausgeflogen sind. Die mitleidigen Blicke der Banknachbar*innen haben allerdings Bände gesprochen, und eine Frau vor mir hat sich umgedreht und mir sanft zugeflüstert, ihre Enkelin habe sich schon übergeben, so überdreht sei sie gewesen. Und ich schluckte und dachte „prima, das also ist die Kategorie, in der wir uns hier bewegen“. Fortan haben wir die Geschichte mit Gästen zuhause selbst gespielt. Jetzt aber war Zeit für einen neuen Versuch. ….

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Über die Sehnsucht nach adventlicher Besinnlichkeit, Tierschutz und über fleischloses Essen an Rottweils Schulen

Mir war schwer ums Herz. Der November ist der eigentliche Trauermonat; im Dezember soll der Advent das Gemüt mit Frohlocken erhellen. Aber noch wirkt der nicht, wie er soll. Es läuft alles, aber es holpert auch. Es läuft schwerer als es meiner Meinung nach müsste. Manchmal legen wir Zweibeiner uns schon unnötig Steine in den Weg und machen einander das Leben schwer. Ich bin bisweilen ein bisschen aggro. Eine Freundin vermutete schon wechseljahrsbedingte Stimmungsschwankungen. Aber ich weiß nicht. Die Wechseljahre sind bis dato symptomlos an mir vorübergezogen. Dagegen sehe ich stets den Auslöser meines Zorns, der den Zorn wohl rechtfertigt. Aber ich müsste halt auch nicht ganz so aufdrehen. Ich tu es trotzdem – und brauche hinterher so viel Nerven mich abzuregen und mir den eignen Zorn zu verzeihen, wie ich vermutlich gebraucht hätte, ihn zu unterdrücken.

Et kütt wie et kütt, und manchmal kütt et einfach über mich.

Am Morgen früh aufgestanden und Holz geholt für die geplante Katzenkletterwand, dann die Werkstatt organisiert, in der ich´s  sägen und schleifen kann. Anschließend einkaufen. Ich habe den ganzen Tag gefroren. Die Heizung war aus. Ich war ja eh kaum zuhaus, da tut´s zur Not auch ein kurzes Brot mit kalten Fingern im Stehen. In früheren Wintern ging das leicht. Ich spüre gerne die winterliche Kälte im Treppenhaus, Atemfahnen am Morgen und sehe Eisblumen an den Fenstern. Ich habe immer gerne so gewohnt, dass man im Winter die Jahreszeit auch beim Wohnen spürte. Diese wohltemperierten 24 Grad jahrein jahraus finde ich tröge. In diesem Krisenwinter neige ich bisweilen dazu, die Kälte als Zumutung zu empfinden. Das finde ich von mir selbst bescheuert.

Da kam der Anruf. Das Tierheim sagte ab. Der Termin zum Abholen hatte schon gestanden. Jetzt dies – wir sind kein Haushalt, in den man Katzen geben kann. Das saß.

Ich habe sofort in meinen Gedanken das Mädel herzzerreißend weinen und wehklagen gehört und in vorauseilendem Mitleiden selbst ungebremst mitgeheult, mit ihren Worten, „ach, wär doch nur Jazz noch da.“

Der Tag war längst entglitten. Aber was sein muss, muss sein. Ich musste mich beeilen. Auf dem Friedhof war noch der Kürbis vom Oktober. Ich hatte Grabschmuck und Kerzen gekauft, es dunkelte schon. Jetzt aber los. Ich ging an dem Grab vorüber, das ich stets passiere, gleich bei der Aufbahrungshalle. Ich gehe, obwohl es viele Wege gäbe, immer diesen und guck auf dieses eine Grab – ein Einzelgrab mit schlichtem, schon verwittertem Holzkreuz, das Foto einer alten Frau daran, die blanke Erde mit traurigem Unkraut fleckig bedeckt, dazwischen ein paar dünne Rosenzweige eines Strauches, der nicht recht weiß, ob er wachsen will oder nicht. Und immer denke ich an die junge Frau, die mal davorstand, so schmerzerfüllt und verzweifelt heulte und in einer mir fremden Sprache der Frau im Grab viel zu erzählen hatte. Ich verstand nicht den Inhalt, aber es klang nach Trauer, riesigem Schmerz und schwerer Schuld….

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„Gekippt“  sei sie, in dieser Zeit,

sagte eine Bekannte, die ich die ganze Coronazeit über nicht getroffen hatte. Wir teilen ein Hobby, über welches wir uns mitunter schon recht nahe gekommen sind.  Sie ist gebildet, hat Witz und Esprit, ist gesellschaftlich engagiert und finanziell gut gestellt. Sie steht noch immer mit beiden Beinen fest in ihrem Leben, nur anders, und es ist ein anderes Leben als zuvor, eines, das auf mehr Abstand konzipiert ist. Der Umgang mit Corona habe sie schwer enttäuscht, sagte sie. In Wissenschaft, Medien und Politik hat sie ihr Vertrauen verloren.  Und das ist natürlich übel. Ohne Vertrauen ist alles scheiße, jedes Leben, ich behaupte, selbst das nobelste. Die Diskussionen um die Impflicht haben ihr zugesetzt, und WIE dann geimpft wurde – „alles, was einen Arm hinstrecken konnte“, Schwangere, Kranke, alle. Jede Vorsicht, die beim Impfen stets gegolten hatte, war obsolet. Ich muss dazu sagen – sie ist Medizinerin und weiß, wovon sie spricht. Die Rigorosität der Politik, die mitunter drangsalierte, was sie zu schützen vorgab, die Medien, die keinen Diskurs mehr zuließen und Zweifeln, Ängsten und konträren Positionen meist nur so viel Raum gaben, dass sie sich gleichzeitig diskreditieren ließen – entsetzt war sie schließlich, als sie mitbekam, wie renommierte Wissenschaftler, die andere Thesen vertraten, Ämter und Reputation verloren, Thesen, die auch nicht von Pappe waren.

Das stimmt schon – diese verkürzten Diskussionen, bei denen es nicht mehr um Argumente geht und man sich mit dem gegnerischen Standpunkt tatsächlich auseinandersetzt, sondern Meinungsvielfalt zum Schlagabtausch verkommt, in dem unterschiedliche Positionen wüst und wild aufeinander eindreschen, die sind voll übel. Ich bekomm´s auf Twitter mit, das wegen jedem Mist hyperventiliert,  und ich find´s echt krass. Von „gesinnungsethischer Intoleranz“ sprechen Precht und Welzer in ihrem Buch „Die 4. Gewalt“.  Ich will mich der Medienschelte nicht anschließen. Mir will scheinen, in diesen krisengeschüttelten Zeiten haben alle das Bedürfnis nach Schulterschluss und klarer Position – „pro oder contra“ – Bürger, Politiker, Wissenschaftler, Journalisten und die *innen, alle. Polarisieren, weil in dem Dazwischen  so viele Unabwägbarkeiten stecken und das dann so anstrengend, wenn nicht zermürbend wird. Keine gute Entwicklung. Aber in der öffentlichen Diskussion müssen halt alle Stimmen abgebildet sein. Manche sind mir zu blöd für eine wirkliche Auseinandersetzung, weder ist die Erde eine Scheibe, noch sind wir von Aliens unterwandert, und den Großen Reset muss ich auch nicht unbedingt durchhecheln. Das sag ich dann auch. Aber „Politik und Öffentlichkeit“ sollte zu Ängsten, Zweifeln und Anliegen dennoch Stellung beziehen, so dass auch sie Gegenstand der öffentlichen Debatte sind. 

Das Gespräch kam, wie die Zeit eben auch, von Krise zu Krise, von Corona zum Krieg. „Wer jetzt im Krieg in der Ukraine zu Vorsicht mahnt, gilt sofort als Freund Putins“, monierte die Bekannte. Ich bin mit „Schwerter zu Pflugscharen“ und „Make love not war“ aufgewachsen. Mit dieser Kriegstreiberei tue auch ich mich schwer.

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Eine Woche im Oktober

Das Stück hieß „Pure Scheiße“, und es lief tagelang, fast zwei Wochen. Dabei war ich in die erste relaxt und voll Vorfreude gestartet, weil wir an ihrem Ende ein Fest feiern wollten.
Es fing damit an, dass ich krank wurde. Eine Erkältung eigentlich nur, wenngleich stärker als gekannt. So schlapp fühle ich mich sonst nicht. Die Tests waren negativ, aber es fühlte sich alles positiv an, oder andersherum – ich war ein bisschen verwirrt über diesen Zustand. Und ich konnte der Müdigkeit auch nicht allzuviel Platz einräumen; es liefen ja die Festvorbereitungen, viel mit Maske.
Und dann war der Kater weg, ging abends nochmal raus, eine letzte Runde, und kam nicht wieder heim. Ich habe nach der ersten Nacht gewusst, dass etwas nicht stimmt. Aber es konnte ja immer noch alles ein gutes Ende nehmen. Er war so neugierig und ging durch jede offene Türe. Vielleicht war er irgendwo eingesperrt. Ich leierte die Suche an mit Plakaten und geteilten Profilen, Tierschutzorganisationen und sogar einer Art Katzenschamanin. So eine Ungewissheit quält. Aber wir wollten hoffen…..

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Mein Städtle von außen, Potsdam hin und zurück

Potsdam, Herz hohenzollern-preussischer Lebensart und Macht. Ich war vier Tage dort einen Jugendfreund besuchen, mit dem ich nicht immer einen sehr regen, aber wenn, dann überaus schönen Kontakt pflege. Wir sind uns einig, Rottweil ist ein Ort, den man mal verlassen haben darf. Aber, auch das war Thema, und das betone ich ihm gegenüber, es ist auch ein Ort, an den es gut ist zurückzukommen. Es waren denn auch dies Mal wunderbare Tage. Ich mag die Havel und den Freund, sein Restaurant und das Reisen mit dem Zug. Potsdam selbst geht mir mitunter auf den Zeiger. Ich habe kein einziges Foto von der Stadt gemacht. Prachtbau an Prachtbau an Prachtbau, dazwischen mal eine Kirche, oder ein Schloss, oder ein Triumphbogen, und sonst wieder Prachtbau neben Prachtbau neben Prachtbau. Stein gewordene Großkotzigkeit. Im Park Sanssouci dasselbe in Grün: das Schloss Sanssouci selbst, dazu die Orangerie, und die wurde umgebaut zum Gästeschloss, und also brauchte es ja wieder eine Orangerie, und also noch eine solche, und das Gästeschloss war auch zu klein, so brauchte es ein weiteres, das dann „Neue Kammern“  heißt, die freilich nicht Kammern sind, sondern prächtige Säle mit vergoldeten Bildhauereien an den Wänden, und das reichte immer noch nicht, und also brauchte es das neue Palais, das so groß ist wie die andern zusammen, und hinter diesem noch Communs – Wirtschafts-und Verwaltungsgebäude, mit Bogen verbunden, auch irgendwie ein Schloss, und dann natürlich noch kleine Bauten für die schöne Aussicht, das Fernweh, die Fantasie, die Lust – was weiß ich, die eigene Selbstherrlichkeit. Friedrich der Große war aufklärerischen Idealen verbunden und mag mitunter Großes geleistet haben. Eine aggressive Politik verfolgt hat er trotzdem, und es haben für seine Größe viele Leute geschuftet, gelitten und ihr Leben gelassen. Da ist Dankbarkeit gemischt mit Groll. Nun hat er nach einigem Umbetten seine letzte Ruhestätte in seinem Lieblingsschloss gefunden. Anscheinend liegen aus Dank dafür, dass er Brandenburg die Kartoffel gebracht hat, immer solche auf der Platte, hat mir ein Einheimischer erzählt, ich war selbst nicht drin. Der „Alte Markt“ im Stadtzentrum, an Landtag und Nikolaikirche, ist ein  großer Platz ohne einen einzigen Grasshalm, ohne einen Blumenkasten, nicht mal ein Baum im Kübel, nichts, nur Stein – ein Manifest fehlenden Bewusstseins der Klimakatastrophe. Ein paar Straßen weiter hängt ein Transparent zwischen Bäumen, und der Freund erklärt mir, dass der Wohnkomplex dahinter, Sozialwohnungsbau, mitsamt den Bäumen abgerissen werden soll. Man wartet noch auf einen Investor, der da dann schick und neu baut. Das ist aus gentrifizierungs – und ökologischen Gründen NoGo. Die Tafeln haben wegen steigender Energiepreise um moderne Kühlgeräte gebeten, Kosten 25.000 Euro. Potsdam verfügt über eine hohe Promi-und Reichendichte. Viele spenden und sponsern – hier ein Bild, da eine Skulptur, einer hat gar 23 Millionen für das Kupferdach überm Landtag springen ließ. Bis jetzt fühlte keiner sich veranlasst, bei den Tafeln unterstützend tätig zu werden. Das regt mich auf.  Wie kann das sein? Wie kann es geschehen, dass Reichtum und Macht so losgelöst sich um sich selbst drehen?  Da will ich dagegen anrennen wie die Franzosen 1789 gegen die Bastille. Natürlich sehe ich die Großartigkeit in diesen Kunstwerken und Bauten, ihre Ästhetik, Glanz und Genie. Aber der Preis ist zu hoch, und er wird von Leuten entrichtet, die nichts davon abbekommen. Da sind mir Künstler lieber, die nicht das ganz Große brauchen und es doch erfassen.

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Die Qual der Wahl II und III

und was Alice damit zu tun hat

Teil II

Es ist ja nun nicht so, dass wir nicht eine gewisse Erfahrung hätten mit dergleichen Situationen. „Welchen nehm ich?“. Einen Vertrauensvorschuss gewährt man immer. Wem traut man was zu? Nimmt man die Nummer sicher, den, der eine auskömmliche Zeit erahnen lässt, soweit die diversen Krisen es zulassen, mit Neuerungen, aber ohne weitere Aufreger? Oder wagt man den energetischen Fremden, der eine großartige Bilder an die Wand malt? Oder den herzerwärmenden, von Idealismus Getragenen, dessen Vorstellungen von zeitgemäßer Lebensqualität man kennt und teilt, der in die Schuhe hineinwachsen muss und würde, mit dem man dann aber gerne mitgeht?

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Und Teil III

Ein Wochenende mit viel Kultur und Lokalgeschehen – das war ziemlich viel „Rottweil“ aufs Mal. Gleich darauf das neue Schuljahr, was der eigentliche Jahresanfang ist; dazu eine Wahl – das will sortiert sein.

Am Freitag war ich mit der Tochter im Musical im Festsaal der Gymnasien, in„Alice im Wunderland“ – eine Premiere, eine Uraufführung sogar. Wir fanden´s toll; Musik, Text, Gesang und Darbietung – alles ganz ganz klasse und richtig viel Wunderland. Da gab es eine Unterwasserwelt mit bunten Fischen und wogenden Quallen und einen Garten mit Riesenpilzen. Die Raupe gefiel uns und die Schildkröte, der Schmetterling, der über unsere Köpfe hinwegflatterte, und dann die singenden Karten -. Das Mädel stand mehr als es saß, und sie staunte und lauschte mit offenem Mund. Und ich staunte auch – wie viele Effekte da mit im Grunde doch einfachen Mitteln auf die Bühne gezaubert wurden, und wie fantastisch Leute singen, die doch als Amateure gelten. Wir waren mit bei den Ersten, die am Ende aufstanden und im Stehen applaudierten, (wobei das Mädel die Länge des Klatschens für übertrieben hielt. „Ja, my love, so ist das – wenn es richtig klasse ist, müssen die Hände heiß werden und kribbeln“). Im fahlen Vollmondlicht liefen wir heim und zählten auf, was alles beeindruckt hat: wie die Darsteller*innen versteinert still standen, nicht die kleinste Bewegung war zu sehen, und wie gemein die Herzkönigin war, die sich für die Schönste hielt und es doch gar nicht war, dann das Elend der Pik Sieben und das des Küchenjungen, der doch so schön gesungen hat; der Hutmacher mit Hase und Haselmaus, die so lustig getanzt haben,…, und natürlich Alice, die sich mit den vielen Müssens im Schulalltag quält und viel lieber Abenteuer erleben möchte. Das kennen wir, das konnten wir beide gut nachvollziehen.

Das Mädel singt im Schulchor und mag überhaupt Musik, Rhythmus und Tanz, und ich würde nicht ungern sehen, wenn sie Lust bekäme mitzumachen. Aber da winkt sie ab, „soo viel üben, wie man da muss – das ist ihr zu viel“. Prima. Und was folgt daraus nun? „In jeglichem Ding steckt ein Sinn“, so singt die Herzogin im Stück. Die Moral von der Geschicht wurd in Sprichwörtern im Stück virtuos besungen. Wenn einer eine Grube gräbt, fällt man, den Spatz in der Hand, nach einer Lüge mit kurzen Beinen, weil aller guter Dinge drei sind, wie der Apfel nicht weit vom Stamm… am Ende selbst hinein. „Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen“, sag ich zur Tochter, und denke doch an Alice, die singt „Aus den Fehlern unsres Lebens, da lernen wir etwas dazu. Und aus den Früchten unsres Strebens, macht man einer ein Ragout“ – so kann´s halt auch gehen, auch wenn dann nicht so heiß gegessen wird wie gekocht. Vielleicht hat sie Recht, Alice wie auch das Mädel……

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Die Qual der Wahl




Ich habe einen schweren Kopf, bin lange bei einer Housewarmingparty gewesen und habe dort in einen Geburtstag reingefeiert. Zwei Partys in einer; eine Nacht ist zu kurz für so was. Und dann die Themen – Männer, Kinder, Kirche, Gas, Job, …, und natürlich die OB-Wahl. Es ist meine erste. Und ich bin unentschlossen. Ich find´s echt schwer. Dabei ist tröstlich, dass es anderen genauso geht. Keine der Frauen gestern wusste ohne Zögern, wen sie wählen wird.

Den Herrn Dr. Ruf, den kennt man nun schon, hat ihn öfter gesehen, und immer war er freundlich, nie ist er unangenehm aufgefallen. Der macht seinen Job vermutlich ganz famos, als Bürgermeister bestimmt. Es bleibt halt die Frage, wie das mit dem Wechsel von Verwalten zu Gestalten so klappen würde. Er kommt auf den Plakaten ein wenig lockerer daher, das steht ihm gut. Aber trotzdem – so richtig den inspirierten Macher mit frischen Ideen seh ich halt nicht in ihm. Außerdem stelle ich mir vor, dass die Kontakte schon stehen/ die Verbindungen, und dass in den vergangenen Jahren schon so viele Gespräche geführt sind, die alle ihre Resultate gebracht haben, so dass „anders“ nur bedingt drin liegt. Und dann redet er halt doch wieder von neu auszuweisenden Baugebieten, und das geht halt gar nicht. Irgendwann, will ich meinen, muss man mal aufhören mit zubetonieren und mit dem Vorhandenen schaffen.

Das gefällt mir an Kai Jehle-Mungenast nicht schlecht, der ein sehr reserviertes Verhältnis zu Abriss und Neubau zu haben scheint, der mit ressourcenschonender Politik tatsächlich genau dies zu meinen scheint….

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