„Alles gut“ – Jedem seinen eigenen Vogel

Das Fest ist gefeiert, und eigentlich wäre jetzt durchatmen und die Pause „zwischen den Jahren“ genießen schön, wenn alles einen Gang runterschält. Es ist ja so im Großen und Ganzen irgendwie doch „alles gut“. Weshalb es also nicht einfach mal gut sein lassen. Aber im Detail steckt halt doch ein Ringen um ebendies „gut“ darin. So geschieht mein „zwischen den Jahren“  im seltsamen Nebeneinander von Slo-mo und Zeitraffer, und ich weiß nicht, ob mir nur alles so dichtgedrängt vorkommt und ich mit meinen Erwartungen und Plänen daneben liege, oder ob es wirklich so ist. Anscheinend aber bin ich nicht die Einzige, die so empfindet.

Für Vorweihnachtsfreude hatte ich wenig Sinn dieses Jahr. Das Weihnachtsfest der Maxi-Kolbe-Schule war ein rarer, schöner Moment. Das Mädel singt im Chor, und ich war hinterher ganz dankbar darum, dass ich quasi gezwungen gewesen war, hinzugehen. Ich fand´s toll. Mit viel Gesang und zauberhaften Lichtspielen. Voll schön. Es ging um Licht und Liebe, darum, dass kein Kind zur Welt kommt und weiß, was Hass ist – den lernt es unter ungünstigen Umständen erst später – dass jedes aber sofort Liebe erkennt. Liebe ist der Natur des Menschen viel näher. Das ist ganz  meine Parole. Mit Liebe ist alles besser. Manche finden „Bitte“  sei das Zauberwort. Meines ist „trotzdem“. Trotzdem lieben. Jeder hat seinen eigenen Vogel, sag ich immer, mindestens einen, viele mehrere. Solange die nicht gemeingefährlich sind, ist das halb so wild. Wobei nicht jede Zumutung als „gefährlich“  gelten kann. Die Zumutungen gehören mitunter zum „trotzdem“. Nicht alles läuft immer rund und ist trotzdem gut. Ich habe mich mit einer Mitmutter unterhalten darüber, wie schwer die Hilflosigkeit zu ertragen ist, mit der wir das Altwerden der Eltern hinnehmen müssen, auch da, wo sich tragische Elemente hineinschieben. „Je oller je doller“, das gilt auch für die Vögel. Und an Weihnachten fliegen auch sie gerne himmelwärts und richtig hoch. „Das Fest wird schön werden, so oder so!“ haben wir uns einander Mut zusprechend verabschiedet. Und das war es dann auch, schön, aber nicht rund.  

Weihnachten war anders dieses Jahr. Oma kommt unsere Treppe nicht mehr hoch, deshalb waren wir mittags dort. Das war chaotisch, aber auch sehr nett, und das obwohl es just an diesem Heiligen-Abend-Tag einen innerfamiliären Bruch gab, mit dem ich so auch nicht gerechnet hätte. Die liebe Familie – manchmal bin ich überrascht, was da alles möglich ist.  Ich hatte gedacht, ich kennte die Vögel meiner Nächsten. Das war ein Irrtum. Von manchen hatte ich keine Ahnung. Und wer weiß, was da noch alles brütet.

Da wirft einer an Heilig Abend aus der Ferne einen Bettel hin, von dem ich behauptet hätte, dass der gar nicht hinzuwerfen ist, so wie ich ja nun immer zb „Eltern“  bin, egal was passiert und wie ich dazu stehe. Weil ihm seine eigene Geschichte heuer im Weg ist und jetzt alle so tun sollen, als wäre sie nie geschehen, und weil die Eltern eine Türe aufmachen, die er streng verschlossen hält, durch die er einst aber selbst gekommen ist. Unsere Eltern haben IMMER anderen die Türe aufgemacht, das hat sich nicht geändert und muss es auch nicht, an Festen, bei denen es um Gastfreundschaft geht, schon gar nicht. Und dann regt er sich auf, dass keiner mitzieht. „Wer nicht für mich ist, ist gegen mich“ – find ich blöd, und selbst die Bibel hat nicht in allem Recht. Auch als loyal Liebende muss ich nicht bei jedem Mist dabei sein.

Ich habe mich über Opas Dickfelligkeit und Ignoranz schon so aufgeregt, dass ich in einer Lautstärke hätte schreien wollen, die man am Nordpol noch hört. Hier fand ich diese Dickfelligkeit nun ganz brauchbar – wir nehmen zur Kenntnis und warten ab, was die Zukunft bringt.

Von den Großeltern ging´s zum Familiengottesdienst in der Predigerkirche, wie in eigenen Kindertagen. Ich hatte es mit den Kindern vor einigen Jahren mal versucht, was ein Desaster gewesen war. Es war nicht unsere beste Zeit gewesen, und den Kindern mangelte es an Aufmerksamkeit und Sitzfleisch. Es hat mich eigentlich gewundert, dass wir nicht hochkant rausgeflogen sind. Die mitleidigen Blicke der Banknachbar*innen haben allerdings Bände gesprochen, und eine Frau vor mir hat sich umgedreht und mir sanft zugeflüstert, ihre Enkelin habe sich schon übergeben, so überdreht sei sie gewesen. Und ich schluckte und dachte „prima, das also ist die Kategorie, in der wir uns hier bewegen“. Fortan haben wir die Geschichte mit Gästen zuhause selbst gespielt. Jetzt aber war Zeit für einen neuen Versuch. ….

weiterlesen auf https://www.rottweil-ist-ueberall.de/magazin/topthema.php?conid=236&p=2

Werbung

Eine Woche im Oktober

Das Stück hieß „Pure Scheiße“, und es lief tagelang, fast zwei Wochen. Dabei war ich in die erste relaxt und voll Vorfreude gestartet, weil wir an ihrem Ende ein Fest feiern wollten.
Es fing damit an, dass ich krank wurde. Eine Erkältung eigentlich nur, wenngleich stärker als gekannt. So schlapp fühle ich mich sonst nicht. Die Tests waren negativ, aber es fühlte sich alles positiv an, oder andersherum – ich war ein bisschen verwirrt über diesen Zustand. Und ich konnte der Müdigkeit auch nicht allzuviel Platz einräumen; es liefen ja die Festvorbereitungen, viel mit Maske.
Und dann war der Kater weg, ging abends nochmal raus, eine letzte Runde, und kam nicht wieder heim. Ich habe nach der ersten Nacht gewusst, dass etwas nicht stimmt. Aber es konnte ja immer noch alles ein gutes Ende nehmen. Er war so neugierig und ging durch jede offene Türe. Vielleicht war er irgendwo eingesperrt. Ich leierte die Suche an mit Plakaten und geteilten Profilen, Tierschutzorganisationen und sogar einer Art Katzenschamanin. So eine Ungewissheit quält. Aber wir wollten hoffen…..

weiterlesen auf https://www.rottweil-ist-ueberall.de/magazin/topthema.php?conid=230&p=2

Von guten und nicht so guten Mächten

und allerhand Nebensächlichkeiten

Ich fühle mich etwas zweigeteilt, zerrissen: Krisen – und Katastrophenmodus versus Lebensfreude. Und so viele Aufgaben und Baustellen, die es zeitgleich zu koordinieren gilt – ein permanentes Multitasking. Eigentlich überhaupt nicht mein Ding. Wenn ich in einer konstanten Betriebstemperatur bleibe, unabhängig von der jeweiligen Aufgabe, geht’s – aber wehe, es wird mal fiebrig oder unterkühlt, dann ist sofort der Wurm drin.
Temperament und Emotionen zu kontrollieren empfand ich als junger Mensch als eine Zumutung. Dessen ungeachtet verlangt das Dasein es trotzdem ab. Ich bin froh, dass ich in der Lage bin zu lernen. Ich kenne eine Frau, die von Dauerpsychosen gemartert wird und immerzu fragt, ob sie „durch Arbeit an der Krankheit hinter diese kommen könne“. Sie könnte bestimmt Erleichterung erfahren, denk ich. Nur leider scheint die Krankheit eben diesem Arbeiten und Lernen im Weg. Das ist bitter. Das Schicksal kann einem schon übel mitspielen.
Ein Grund mehr der Lebensfreude nachzugehen. Verzweiflungsprophylaxe. Es ist Sommer, so richtig satt und heiß, und das schon morgens beim ersten Schritt vor die Türe. Ich schiebe den Gedanken an Klimawandel beiseite und genieße die Luft an den Beinen. Ich habe mein Rad verändert. Statt Friseur. Mir war nach Stilveränderung. Es waren Stunden meditativen Bastelns inklusive kindischer Anwandlungen. Das Rad ist jetzt blau, dekoriert mit glitzernden Delfinstickern, vornedran gibt eine einbeinige und zur Meerjungfrau umgebaute Barbie die Galionsfigur und um den Korb ist ein Fischernetz. Mein Rad ist ein Schiff, der Asphalt das Meer und ich bin die Kapitänin auf hoher See. Ein Segel täte mir noch gefallen.

weiterlesen auf https://www.rottweil-ist-ueberall.de/magazin/topthema.php/?conid=198

La dolce vita

und ein Hauch von Ewigkeit

Im Urlaub scheinen die Tage länger. Erstmal. Randvoll gefüllt mit neuen Eindrücken sind sie jedenfalls intensiver, so dass im Erleben mir bereits am Montag ist, als wäre der Samstag, der Tag der Ankunft, ewig her. Das ist kein Fehler, in dieser sogenannten „Ewigen Stadt“, in der man durch mehr als zweitausend Jahre Geschichte läuft. Rom. Was war das nur für eine Schnapsidee, so weit zu reisen für nur eine Woche, und die noch zweigeteilt in Stadt und Strand. Die Woche darauf bin ich krank und der Kopf schafft es selbst im Nachhinein kaum, die Eindrücke zu sortieren. Im Grunde genieße ich das. Das ist eine Form des „dolce vita“ – die Süße der Gedankenlosigkeit. Ich will mich dennoch an einem Ordnen versuchen.
Da war zuerst mal der Dom, den ich hätte sehen wollen bei dem Zwischenstopp in Mailand. Eine der größten Kirchen der Welt, 12.000 qm Fläche, Platz für 35.000 Leute. Im 14. Jahrhundert begonnen und erst im 19. fertiggestellt. Wir waren nicht dort. Bis wir vom Bahnhof zur Unterkunft gefunden haben, ist es zu spät, und Mailand ist halt doch größer als gedacht und der Dom keineswegs grade mal so um die Ecke. Und da rächt sich auch zum ersten Mal, dass ich mich mit dem Handy zu wenig auskenne und weder mit Googlemaps bewandert bin noch mit diversen anderen Apps und Portalen, so dass sowohl das Finden als auch das Einchecken in die AirBnB-Unterkünfte jedes Mal eine kleine Herausforderung ist. Ich habe mich kaum je so viel verlaufen wie in dieser Woche. Mittlerweile habe ich Googlemaps installiert und versuche mich am Wandern mit Kompass. In Mailand sind wir erstmal froh, drin in der Unterkunft zu sein, ich stehe auf dem Balkon und blicke auf Dreharbeiten unten auf dem Gehsteig, auf den trotz später Stunde noch tosenden Verkehr und auf das Lichtermeer. Eine Stadt, eine richtige, große, quicklebendige Stadt.
Mailänderinnen sind wie Römerinnen schicker. Die Tops sind knapper, die Röcke kürzer, die Nägel länger, Haare schwärzer, die Absätze höher; Frau geizt nicht mit Reizen. Zurück in München fällt mir das erst so richtig auf, als die Mädchen wieder Jeans und Sneakers tragen – und die Jungs Schlabbershorts und blöde Tshirts, statt Hemd. Den Männern täte eine Prise italienischen Chics mitunter nicht übel, meine ich.
Die ersten Eindrücke in Rom sind allerdings andere………………..

weiterlesen auf https://www.rottweil-ist-ueberall.de/magazin/topthema.php?act=contup&conid=192#property

Und es kommt doch

Unsere Sorgen ums Christkind

„Kommt es oder kommt es nicht?“ „Kann es überhaupt?“ Wochenlang trieb die Kinder die Sorge um, ob das Christkind dieses Jahr kommen kann. Und wochenlang sagte ich „natürlich! Ganz sicher! Das Christkind kommt!“ Ich habe konsequent Vorbereitungen getroffen, damit das dann auch stimmt. Ich habe für die Großen, die es zu beschenken gilt, ein paar Kleinigkeiten im örtlichen Einzelhandel und auf der abgespeckten Version des Weihnachtsmarktes gekauft, support your locals,  aber das meiste,  die Hauptgeschenke für die Kinder, das Oberste der Wunschliste – die es in einem Faller oder Merz hätte geben können, die  jetzt, da es keinen Faller oder Merz mehr gibt, in der Stadt heuer aber ohnehin nicht zu bekommen sind  – bestellt. Frühzeitig. Es war ja leicht sich auszumalen, dass Versandhandel und Lieferservices mehr als ausgelastet wären. Ich dachte, ein paar kleine Sächelchen noch und alles ist beisammen. Das Christkind kommt! 

Letzte Woche, da war die ursprünglich verkündete Lieferzeit bereits um ein Mehrfaches ausgeschöpft, hätte das Paket kommen sollen, dann Anfang dieser. Da kam eine Mail, „morgen“ und tags darauf nochmal „morgen“, und dann kam da auch nichts, und abends war da eine Mail – „zugestellt!“ Hä? Ich ging runter, kein Paket, guckte in den Briefkasten, keine Karte, fragte die Nachbarn, die hatten nichts. Das war nun also doch Anlass zur Sorge. Eine unruhige Nacht. Am andern Morgen beim Lieferdienst angerufen, mich mit diversen automatischen Hotlines herumgeplagt, die, sobald die Sendungsnummer eingegeben war, behaupteten „zugestellt“, daraufhin online mich über einen automatischen Chatpartner geärgert, der freundlich fragte „was ist dein Problem?“. „Ich habe kein Paket erhalten.“ „Ich lerne noch. Bitte benutze andere Worte.“ “Kein Paket.“ „Bitte benutze andere Worte.“ „Es hat keine Zustellung stattgefunden.“ “Bitte benutze andere Worte.“ „Keine Zustellung.“ „Bitte benutze andere Worte.“ „Depp!“

Bei so was weiß ich immer überhaupt nicht wohin mit meiner Wut. Megafrustig. Man ist so komplett aufgeschmissen. Ich will das Telefon an die Wand schmettern, aber das trifft mich nur selbst. Ich will den Chat aus der Steckdose ziehen und die Worte aus ihm schütteln, mit denen er was anfängt. Sonst zeig ICH IHM, womit ICH was anfange. Eine Frechheit. Wie kann man „zugestellt“ behaupten, wo nichts ist? Geht’s noch? Mittags die Paketshops abgeklappert, da lag nichts, aber ich bekam einen Tipp, wie eine echte menschliche Stimme an die Strippe bekomme. Tatsächlich daraufhin eine echte Frau gesprochen, Trost und Hoffnung erfahren, „wir kümmern uns drum!“. Wiederum eine Mail erhalten, „Bearbeitungszeit zwischen einer und drei Wochen“! Endgültig Zeter und Mordio geschrieen. Und so was will Götterbote sein. In der Not aufs Küchenbuffet gedonnert. Die Hand tat mir weh. In Panik geraten. Und das in diesem Lockdown. Alles ist zu. Was jetzt? Dem Götterboten eine Mail geschickt. ….“Machen Sie Witze? In einer Woche ist Heilig Abend. Die Bestellung liegt 4 Wochen zurück. Ich habe keine Ahnung, wie es geschehen kann, dass eine Sendung als zugestellt gilt, die nirgends liegt, bzw ein Vermerk dazu. Seriös ist das nicht, auch nicht in ´diesen Zeiten´, in denen Sie, das ist mir bewusst, extrem viel zu tun haben. Es macht es nicht einfacher und schneller, wenn solche Verwicklungen geschehen. Gerade wenn viel los, muss es korrekt laufen. Klar, nicht wahr?…“ Die Logik stimmt zwar, es waren nun zwei Kundenservices mit dem Paket befasst, plus Anfragen in drei Paketshops inklusive Gespräche mit diversen Fahrern, die es auch eilig hatten. trotzdem ist mir diese krätzige Ansprache im Nachhinein doppelt peinlich. Die folgende Nacht nahezu schlaflos verbracht, im Geiste Briefe  des Chriskinds an die Kinder formuliert, es tue ihm so leid, es sei leider doch nicht gegangen, hier Lieferengpass, da Quarantäne, dort geschlossene Grenzen und Überlastung, selbst das Christkind scheitert an Corona. Das von der Tante kommt zu OmaOpa, hoffentlich, und die Freundin hat´s mir auch schon gegeben, ausserdem habe ich stets ein paar Sächelchen deponiert, Übrigbleibsel irgendwelcher früherer Bestellungen, die dann doch aussortiert wurden, oder Second-Hand-Zeug, das unangemeldet ins Haus kam und für ein Geschenk taugt. „Hier ein paar Kleinigkeiten, ihr Lieben, damit ihr wenigstens was zum Auspacken habt, aber seid gewiss, Eure Wünsche sind gehört und sollen in Erfüllung gehen“. Irgendwie so. Und Schokoladenfondue statt ausgiebiger Bescherung, oder ein neues Spiel. Aber selbst die beste Idee wäre eine Notlösung, und dies freudige Aufwachen am ersten Weihnachtsfeiertag, wenn alles noch unterm Baum liegt und jetzt also ausgiebig bespielt werden kann, das würde fehlen. Ich war übermüdet und übellaunig. Kein Funke adventlicher Vorfreude. Es fehlte nicht viel, und ich wäre bereit dieses Fest aus dem Kalender zu streichen für dieses Jahr.

Es geht ja nicht bloß um die Geschenke. Da ist die kranke entfernte Verwandte, die verdreht und planlos von Hochrisikogebiet zu Hochrisikogebiet durch die Lande zieht, ohne Vorstellung davon, was an Vorsichtsmaßnahmen weshalb wie wo eingehalten werden soll, die einen Platz zum Leben sucht, überhaupt ihr Leben sucht, das ihr unter den Füßen zerronnen ist, und die immer wieder bei den alten Eltern eincheckt. Die hatten für Leute in Not stets eine offene Türe, und das ist gut so, aber das Abwägen der Risiken muss man mittlerweile für sie mitübernehmen – im Alter verändert sich der Blick  – und dann wäge ich ab und habe es doch nicht in der Hand.

Da ist der Job, den ich so gerne mache. Kaum einmal hat es einen Tag gegeben, da ich ungern hingegangen bin. Ich bin gerne mit den Leuten ´meiner´ Wohngruppe zusammen. Und jetzt will ich eigentlich dort sein, um die Lage etwas aufzuhellen, und will doch nicht, weil es so deprimierend ist und ich mit dem Gefühl heimgehe, ich kann keinem mehr gerecht werden. Wer sich ´draussen´, im ´normalen´ Leben, aufregt über Coronaregeln und Einschränkungen, der hat keine Vorstellung davon, was ´Besuchs – und Ausgangssperre´ und ´Quarantäne´ bedeuten fürs Dasein in einem psychiatrischen Pflegeheim, und wie es die trifft, die von ihrer Verfassung her ohnehin nicht die Möglichkeiten haben, mit denen wir ´Normalos´ uns so über die Runden retten. Das Wort ´Fest´ nimmt man schon gar nicht in den Mund, es wird keines geben. Und sie werden sehr alleine sein.

Es ist niederschmetternd. Dieses Kack-Virus. Man straft die, die man schützt. Es gibt überhaupt kein ´richtig´.

Ein Rechtstaat braucht Regeln, damit funktioniert er, mit Rechten, und deren Kehrseite, gegen die man auch klagen kann. Das kann ich verstehen, das finde ich auch gut. Um dauerhaft akzeptiert zu werden, braucht es trotzdem Spielraum und Mut – damit Platz ist für gute Geschichten.

Ich habe einen alten Freund wieder getroffen. Jahre, Jahrzehnte her ist das letzte Treffen. Rottweil ist ein guter Ort zum Zurückkommen. Ich bin nicht die Einzige, die das entdeckt hat. Dieser Freund stand mir nah, die ersten Ausflüge und später Urlaube ohne die Eltern unternahm ich mit ihm. Ein Mal waren noch eine Freundin und ein weiterer Freund dabei, der immerzu sagte „in der Ruhe liegt die Kraft“. Der sagte das so oft, dass wir es aufgriffen, es zum geflügelten Wort wurde, bei jeder Gelegenheit wiederholt, was den Verursacher mitunter furchtbar aufregte – das war einer, der alle Mühe hatte mit der Ruhe und deren innewohnenden Kraft.  In der Ruhe liegt die Kraft. Das sag ich mir jetzt auch. Tief durchatmen.

Ich sinne auf Notlösungen, in denen freilich so viel ´Not´ drin ist, dass sie als Lösung kaum mehr durchgehen. An Heilig Abend gibt es also auch in der Wohngruppe eine kleine Bescherung, und Musik aus der Konserve, und süße Düfte. Und am zweiten Weihnachtsfeiertag rücke ich mit Punsch und Bredle und Vorlesegeschichten an. Besser als nichts. Auch für die Verwandte habe ich ein Domizil gefunden, wo ich sie zur Not unterbringen kann. Die Tante sagt unseren Besuch bei ihr ab, das ist sehr schade, kommt aber nicht unerwartet. „Ihr mit Euren Zahlen!“, in Rottweil, sagt sie, das klingt wie eine Schuldzuweisung. Nachvollziehen kann ich die Absage, als sinnvoll ansehen auch. Der Kreis Rottweil hat derzeit die höchste 7-Tage-Inzidenzrate im Land. Im Ranking der besuchfähigen Landkreise haben wir damit den Schwarzen Peter. Ich bin mir keiner Schuld bewusst. Der Landrat sagt das, was alle sagen, die sich an hohen Zahlen stören: das hängt mit den vielen Tests zusammen. Finde ich großartig.

Und dann gibt es doch noch Platz für eine gute Geschichte:

Mittlerweile war ich im Schwarzwald-Baar-Center gewesen. Dort, hatte eine Bekannte mir gesagt, der ich das Desaster mit dem Götterboten geschildert hatte, habe der Supermarkt eine gut sortierte Spielwarenabteilung. Ich verstehe den Frust des Einzelhandels, das ist voll unfair. Das ist voll fies – ich bin trotzdem hin, war froh, dass dieser Bereich nicht abgesperrt war, und habe eingekauft, jedem ein kleines und ein etwas größeres Geschenk und war beruhigt. Das Fest ist gerettet. Und dann telefonierte ich mit dem Opa wegen des Christbaums, und der sagte ganz nebenbei „hier steht übrigens noch ein Paket für Dich.“ Oh. „Von wem?“ „Mieiehtoohiehs“, in Zeitlupe. „Mytoys!“ Das ist es! Und da fiel´s mir ein. Ich hatte vom selben Unternehmen vor Jahren mal zu ihnen schicken lassen. Das Christkind ist ein zauberhaftes Wesen, das es schafft, in einer Nacht überall gleichzeitig zu sein. Aber von diesen Lieferungen sollten die Kinder nach Möglichkeit erstmal nicht wissen,  damit sie nicht vor der Zeit entdecken, dass  das Christkind eben auch Menschen aus Fleisch und Blut ist. Das muss man erstmal zusammenbringen. Jetzt hab ich Geschenke zuhauf und noch was übrig für den Osterhasen. Dem Lieferdienst habe ich eine weitere Mail geschickt: „Tut mir sehr leid. Jetzt hab ich alle jalous gemacht und an anderer Leute Seriosität und Korrektheit gezweifelt, wo ich selbst es versemmelt habe. Wenn man mal ein Beispiel braucht für ´peinlich´- das wäre eins. Ich bitte um Entschuldigung, bade in Asche und wünsche schöne Weihnachten.“

Das Christkind kommt. Und Oma und Opa werden kommen. Das Krippenspiel machen wir wieder selbst und OmaOpa geben die weisen Könige.Und statt zum gemeinsamen Singen vor dem Rathaus werden wir zusammen auf den Friedhof gehen und Kerzen anzünden. Und wenn wir wieder da sind, werden wie von Zauberhänden, die dem Nachbarn gehören, die Geschenke unterm Baum liegen, und es wird ganz bestimmt ein frohes Fest.

In diesem Sinne – allseits schöne Weihnachten. Machen wir das Beste draus.

Ich steige aus

Ich steige aus. Ich habe keinen Nerv mehr, nicht für diesen zweiten Lockdown, nicht für die Wahl in Amerika, nicht für den Vorsitz der CDU, den ein eitler und von sich eingenommener Gockel unbedingt meint haben zu müssen, nicht für die stümperhafte und komplett ignorante Art und Weise, wie mit den Krisen dieser Welt umgegangen wird.

Da wird regelmäßig das Artensterben festgestellt, in immer größerem, dramatischerem  Ausmaß, einen Rückgang der Fluginsekten um bis zu 97%, das muss man sich mal geben, und Bauernpräsident und Landwirtschaftsministerin beglückwünschen einander für den prima new Deal, der die EU-Subventionen weiter nahezu auflagenlos und störungsfrei fließen lässt, wie immer ohne Rücksicht auf Verluste. Und dann ein schwindendes Ansehen beklagen. Ja soll  man denn noch dankbar sein?

Der Vergleich ist überspitzt, zugegeben, aber das kommt mir vor wie der züchtigende Lehrer von vorvorvorgestern, der Respekt und Dankbarkeit einfordert, weil die Schläge es anscheinend ja nur gut meinen. Diese Agrarindustrie ist nicht das Treiben einer verantwortungsvollen Bauernschaft, sondern es schädigt das Land, auf dem wir alle leben.

Und in Rottweil denkt man darüber nach, für die Landesgartenschau ein paar weitere Grünflächen für neues Wohnen zu versiegeln, dort, wo die Insekten am Liebsten sind, am Wasser und in Hecken. Der Leerstand in der Stadt bleibt was er ist, Fasnetwohnungen, Baustellen bis zum Warten auf die Abrissgenehmigung, oder einem Handel vorbehalten, der dem Wandel hinterher hechelt; neues Wohnen in der Stadt ein Fragezeichen.

Was muss eigentlich geschehen, dass Politik mal umsteuert? Dass neu gedacht wird? Ich fass es nicht.

Der Irrsinn ist maßlos. Ein komplett verquerer amerikanischer Präsident, Diktatoren in der Türkei und in Osteuropa, Kriminelle an der Macht in Südamerika. Und in der arabischen Welt verwechselt man Täter mit Opfern. Ich verstehe diesen Aufruhr nicht. Opfer, in Frankreich, sind ein französischer Lehrer und drei christliche Kirchenbesucher. Täter sind jeweils islamistische Fundamentalisten. Punkt. Und so lange die nicht als Täter gelten und dafür verurteilt werden, solange die wie Helden hochgehalten werden, auch und gerade von arabischen Politikern und Klerikalen, denke ich mir, so lange kann es kein friedliches Zusammenleben geben, nicht aus bösem Willen nicht, sondern wegen fehlender Kompatibilität. Frankreich ist eine abendländisch –westliche Demokratie, die strikt zwischen Kirche und Politik trennt und viel auf Meinungsfreiheit gibt, was in dieser Kultur Karikaturen einschließt über allerhand Würdenträger von Göttern, Propheten, Engeln und Teufeln, Kaisern und Königen bis hin zu Präsidenten und sich selbst überschätzenden Männern. Das ist in Frankreich so und in Deutschland auch. Das muss wissen und aushalten, wer da lebt. Im andern Fall, wenn man das nicht akzeptieren kann, wäre man gut beraten, darüber nachzudenken, ob man nicht in ein Land gehen will, in dem die Werte und Gesetze herrschen, die man sich wünscht. In Arabien dürfen Karikaturen verboten sein. Deren Sache. Aber keiner kann schließlich seine eigenen Regeln mitbringen und sie dem Land, in das man geht, überstülpen wollen. Was ist das für ein Unfug? Das müssten die arabischen Herrscher ihren Leuten sagen. Das tun sie nicht und also heizen sie selbst immerzu weiter auf. Von wegen, sie seien einer Hasskultur ausgesetzt. Auch da wird Ursache und Wirkung verwechselt. Gute Güte, das kann doch nicht so schwer sein zu kapieren. Hier herrscht neben Meinungsfreiheit auch ein anderes Verständnis von Respekt. Ein Witz gilt nicht unbedingt als Respektlosigkeit, sondern als kritische Auseinandersetzung, und er ist Selbstschutz – worüber ich lachen kann, dem fühle ich mich gewachsen. Ich will keine Götter, die mich niederknüppeln. Wer das will – bitte. Der Glaube ist frei.  Aber das muss schon jeder für sich selbst entscheiden dürfen.

Überhaupt – dieses ewige Rumgeflenne über verletzte Gefühle. Und das beileibe nicht nur von Muslimen – das ist universell en vogue. Alle sind andauernd gekränkt, wegen irgendeiner Lappalie. Gute Güte. Wenn jeder wirklich so empfindsam wäre, wie er da behauptet und sich selbst so verhielte, wie die zarten Saiten es demzufolge nahelegen, dann sähe die Welt anders aus.

Charlie Hebdo – keep it up! Ich bin mit Euch.

Zu uns ins Haus kommt manchmal eine Frau zu Besuch, die jedes Mal was rumzustänkern hat, und die sich dann beschwert, dass es stinke. Jetzt wird unentwegt gelüftet, und es zieht wie Hechtsuppe. Die rümpft die Nase, meint, sie sei was Bessres und weiß sich dabei noch nicht mal einigermaßen zu benehmen. Wer macht denn so was – in fremde Häuser gehen und sich mokieren, was alles nicht gefällt? Kein Verstand, kein Benehmen. Aber Respekt einfordern. Das hat man ja gern.

Meine eigene Laune war schon mal besser, zugegeben. So gesehen ist es ganz okay, jetzt in den Lockdown zu gehen und mich zurückzuziehen. Aber es nervt mich auch. So viele Einrichtungen haben so gute Hygienekonzepte entwickelt, und jetzt sollen die allesamt nichts wert sein. Theater, Konzerte, Kinos, Hotels und Restaurants sind dicht, während die Infektionen anderswo stattfinden. Ich versteh´s nicht. Kontakte reduzieren, ja freilich, aber doch eher dort, wo es keine Hygienekonzepte gibt, im Privaten, im öffentlichen Verkehr, in Bussen, Zügen und Flugzeugen, und bei der Arbeit, wo eben doch auch Köpfe zusammengesteckt werden und der Mundschutz häufig am Kinn hängt. Mundschutz, sagen einige, sei wie ein Maschendrahtzaun als Fliegengitter – komplett wirkungslos. Ich weiß es nicht. Ich denke, eine gewisse Wirkung wird´s schon haben. Und es tut mir nicht weh. Wenn es nur ein kleines bisschen hilft, soll´s recht sein. Die Wut dagegen und der Umstand, dass dieses Stück Stoff als Inbegriff fehlender Freiheit gilt,  das scheint mir doch reichlich überzogen. Jetzt ist eine Querdenkendemo ohne Maske genehmigt worden, das versteh ich auch nicht. Wir waren im Schwimmbad in Überlingen, da gibt es einen Strudel, in dem man sich im Kreis herumtreiben lassen kann, die Kinder lieben ihn. Den gab es diesmal nicht, weil, wie der Bademeister sagte, es schwierig sei, unter diesen Bedingungen den Mindestabstand einzuhalten. Die Kinder waren enttäuscht, aber uns war das vollkommen logisch. Und das soll auf einer Querdenkendemo anders sein? Dort ist Abstandhalten dann ganz easy? Ich bin gespannt.

Da wird einerseits so beherzt regiert und dann gekuscht vor irgendeiner blödsinnigen Wut. So kommt man nicht durch Krisen. Mit seiner Wut muss jeder selbst fertig werden. Wut ist wie Angst ein mieser Ratgeber. Und wenn einer tobt ohne Sinn und Verstand, dann muss man ihn toben lassen. Man kann ihm doch nicht darin folgen! Auseinandersetzung kommt besser ohne aus. Siehe oben. Und mir geht auch dies Geschwafel vom ´Aufwachen´ auf den Zeiger. Es sind doch eher diese völlig verquer Denkenden die Tiefschläfer, die nicht aufwachen und sehen wollen. Irgendwas an dem Traum, den sie träumen, ist offenbar zu geil. Sie träumen sich ja geradezu in eine Diktatur. Sie träumen sie herbei und sich hinein, und sie stritten ab, etwas damit zu tun zu haben, wenn der Traum sich anschicken wollte, in Erfüllung zu gehen. Manche Träume gehen nämlich in Erfüllung, gerade die schlechten tun das. Wenn einer vom Unfrieden träumt, dann bekommt er ihn leicht. Und seltsamerweise lassen sich solche Träume ziemlich detailgetreu träumen, wie Bausätze quasi. Was andersherum weniger funktioniert – die guten Träume tun sich schwerer. Eine auf Nachhaltigkeit ausgerichtete Politik – komplette Fehlanzeige. Nur ein Beispiel. Und man sieht es auch an der Sache mit den Märchenprinzen und Traumfrauen. Unzählige Male geträumt und so selten gefunden. Ein Sechser im Lotto ist vermutlich häufiger.

Wir denken überhaupt nicht mehr gemeinschaftlich und setzen Freiheit mit Eigennutz gleich. Wir fürchten um eine Wirtschaftsform, die produziert um der Kapitalvermehrung willen, nicht für den Bedarf. Und wir sind unfähig umzudenken und die Politik unfähig umzulenken.

Ich geh jetzt in den Lockdown und reduziere. Kein Problem. Und ich werde das Netz durchkämmen auf der Suche nach Karikaturen, die mich lachen lassen und mir die Qual nehmen angesichts des Irrsinns dieser Wel. Und wenn ´s die Götter sind, die mich lachen lassen.

Und hier noch ein Link zum Text einer mir lieben und teuren Bloggerfreundin, Lachmitmaren, über die fehlende Kommunikation in dieser Corona-Politik

https://wordpress.com/read/blogs/163593389/posts/611