Viel Theater über offene Fragen und Missverständnisse

„Max Stirner und der böse Bube“

„Der einzige Schüler, der ihn je verstanden hat, und das falsch!“, klagte Max Stirner am Schluss, und bezog sich damit auf Hegel, der das gesagt haben soll, über ihn, Stirner selbst – so hab ich´s jedenfalls verstanden, ich sag mal – ohne Gewähr, mir hat schon etwas der Kopf geraucht, was bestimmt mit dem Thema des Stücks zusammenhing, aber auch mit dem Umstand, dass ich es neben meiner Eigenschaft als Zuschauerin auch als Mama sowie Ex-Ensemble und -haushaltsmitglied ansah. Auf der Bühne des Hinterzimmertheaters im Adler in Hausen jedenfalls hat der Schüler Richard-Anton – in echt Anton, mein Sohn – seinen Privatlehrer Max Stirner – in echt Peter Burri, sein Papa – falsch verstanden und Schlüsse gezogen, die vom Lehrer so nicht beabsichtigt waren. Ich persönlich hätte mich über dies Missverständnis nicht sonderlich gegrämt, es gibt schlimmere. Aber das kann und soll jede*r Zuschauer*in am Ende selbst entscheiden.

Max Stirner, las ich hinterher auf Wikipedia, war ein deutscher Philosoph, Journalist und Schriftsteller und lebte von 1806 bis 1856. „Hegelianer“ war er, und um die Befreiung aus der Unmündigkeit ging es ihnen beiden. Ich habe sowohl von Max Stirner als auch von Hegel keine Ahnung. Ich hätte das Thema des Stücks grob mit „Das Individuum und die Gesellschaft“ beschrieben, und in welchem Verhältnis die zueinander stehen. Durchaus aktuell. Und da gibt es sehr viele Missverständnisse, schlimmere, für mein Empfinden.

Wenn ich das derzeit tobende Drangsalieren und Bekriegen im Namen der Götter betrachte, komme ich um den Schluss nicht herum, dass dies ganze Religionsgedöns eine einzige Geschichte des Missverständnisses und Missbrauchs ist.

In Bayern und Hessen hat die CDU/CSU die Landtagswahlen gewonnen, und die Afd hat an Stimmanteilen zugelegt. Die „deutsche Kultur“ wollen sie alle schützen, und ich frage mich, worin die deren Meinung nach bestehen soll. Ich hätte sie selbst auf jeden Fall auch in der Aufklärung verortet. Aber vielleicht geht’s auch um Maßbier, Fussball, Malle und BMW. Was die Schwarzen so verkörpern, ist heuchlerisch und verlogen, und der Eigennutz ist über alles gestellt. Und das ist im Grunde auch die Strategie, in der man sich mit den ultrarechten, nationalistischen Braunen gut versteht. Christlich – und das soll ja ebenfalls als Teil einer deutschen Kultur gelten – ist das nicht.

In Bayern kam die CSU auf 37%, die Afd auf 14,6%. In Hessen hat die CDU 34,6, die Afd 18,4%. In Aschaffenburg, das zu Bayern gehört, aber irgendwie eher hessisch ist, hat die CSU 40,4, die Afd 17,4%. Da sind Schwarz und Braun addiert am stärksten. In Aschaffenburg wird ein Mal im Monat von sog. Querdenkern und Rechten protestiert, und die Forderungen sind flexibel und krude, je nach aktuellem Anlass geht’s halt um Unzufriedenheiten im Persönlichen und Allgemeinen, und bisweilen gewähren Demonstranten auch ehrliche Einblicke: „Der Klimaschutz geht uns am Arsch vorbei – wir wollen Wohlstand.“ Und der ist qua System nie genug, der braucht immer „mehr“. Das sieht man in anderen Parteien ganz gleich – am Ende siegt die Wirtschaft und geht es um die eigenen Annehmlichkeiten. Die FDP, meines Erachtens nach eine Partei der Porschefahrer, lädt in einem hiesigen Autohaus zur Diskussion um E-Fuels, die unbestritten eine gute Technologie sind, aber eben nicht für den massenhaften Individualverkehr geeignet, da auch nicht mehr klimaneutral, und nur zum steuerlich subventionierten Vergnügen eben jener Porschefahrer eingesetzt.

Missverständnisse über Missverständnisse, eine Kultur des Eigennutzes und mitnichten von aufgeklärter Eigenverantwortung geprägt. Und alle berufen sich auf irgendwelche Definitionen von „Freiheit“, die gegen das Gemeinwohl ausgespielt wird. Ich selbst stelle Eigennutz und Gemeinwohl nicht in Widerspruch zueinander, sondern sehe meine Freiheit durch das Gemeinwohl sinnvoll begrenzt, fürs Ego habe ich ausreichend Spielraum. Ich habe auch nichts gesellschaftliche Strukturen, in die ich mich füge – solange ich sie mit bestem Wissen und Gewissen annehmen kann, und natürlich, solange sie nicht zu starr sind. Wo grundlos gemauert wird, hole auch ich die Spitzhacke raus. Und ich empfinde eine tröstliche Demut im Bewusstsein von Höherem als der eigenen Existenz.

Und da bin ich wieder am Theaterstück. Mal diskutierten Lehrer und Schüler, mal Lehrer und Gräfin. Es schaukelte sich so hoch. Ist jedes Sich-Fügen Selbstaufgabe und Zwang geschuldet, wie Stirner es ausführt, und tut man nicht alles ohnehin aus Eigennutz? „Alle wollen Hirte sein, keiner Ziege“, so sagte er. Stirner besteht auf umfassende Eigenverantwortlichkeit ohne alle Vorgaben. Aber was bedeuten dann „Gesellschaft“ und „Gemeinwohl“? Da scheiden sich die Geister. Und wenn jeder Hirte ist – will dann nicht einer zwangsläufig den Oberhirten geben? Und gibt es überhaupt eine alle umfassende, übergeordnete Menschenliebe? Die Gräfin, sehr glaubwürdig und toll gespielt von Anneliese Hirsch, findet „ja“ und ist damit nicht mehr auf einer Linie mit dem von ihr engagierten Privatlehrer Stirner – eben Peter Burri, aus dessen Feder das Stück stammt, und der also mit gescheiten Gedanken und souveränem Spiel auch mich – und ich bin durchaus vorbelastet – überzeugte. Von seinen Händen stammt natürlich auch das Bühnenbild, das sich stimmig und ansprechend in den stets bezaubernden Charme des Adlers fügte. Richard-Anton – also mein Sohn Anton, und auch da bin ich voreingenommen, aber absolut einer Meinung mit allen meinen Mitzuschauer*innen – war klasse: selbstbewusst, sicher und präsent. Ich hätte zehn weitere Vorhänge klatschen wollen. Tochter Martha war die süßeste Hausmaus, die man sich vorstellen kann, und auch damit war ich nicht alleine – man hätte sie gerne öfter gesehen.

Unter den Mitzuschauerinnen war auch Ika Sperling, die derzeitige Stadtschreiberin, die in Comics erzählt und zeichnend sieht. Sie hat permanent im abgedunkelten Zuschauerraum „halb blind“ mitgezeichnet. Das beigefügte Bild besteht aus Ausschnitten davon. An dieser Stelle herzlichen Dank, dass ich´s hier verwenden darf. Ihre Bilder-Geschichten sind toll.

Richard-Anton hat Stirner falsch verstanden. Der echte Anton sagt, er habe den Inhalt so ziemlich komplett kapiert. Ich weiß es nicht. Ums eigenmächtige Lernen ging es. Und da denke ich – Lehren kann nur Angebote machen, was wer lernt, entscheidet in der Tat jeder selbst. Und natürlich wird da herausgepickt, was passend erscheint. Ich wage zu behaupten, man verzeihe die Wortwahl, in jedem steckt ein kleines Arschloch und ein Held. Meistens bewegt man sich so mittendrin, aber man hat die Wahl, welchem Licht man folgt. Darum plädiere ich persönlich für eine bestmögliche Herzensbildung, dann pickt man wenigstens nicht ganz verkehrt. (Sind wir wieder bei der allgemeinen Menschenliebe, die der echte Max Stirner, so lese ich im Internet, auch empfunden hat. So fand ich folgendes Zitat: „Ich liebe die Menschen auch, nicht bloß einzelne, sondern jeden. Aber ich liebe sie mit dem Bewusstsein des Egoismus; ich liebe sie, weil die Liebe mich glücklich macht, ich liebe, weil mir das Lieben natürlich ist, weil mir´s gefällt.“ Auch okay.)

Die Premiere, die also auch Uraufführung war, war gut besucht und ein voller Erfolg. Ich für meinen Teil will die Hausmaus nochmal sehen und Richard-Anton brillieren, und will nochmal den Vorbehalten der Gräfin und den Stirnerschen Gedanken folgen. Ich will nochmal hin!

Weitere Vorstellung gibt es im Hinterzimmertheater im Adler in Hausen am Samstag, den 21. Oktober, und an den Samstagen des 4. und des 18. November, jeweils um 20 Uhr.

Übers Glück zu Zeiten der Afd

Summerfeeling 2023

Manche Wochenenden tragen durch die ganze folgende Woche. Das vorletzte Wochenende war ein solches. Ich habe es die ganze Woche hindurch gespürt. Der Samstag am Mädelesbrunnen – ein Kinderfest und Bowlepicknick. So schön war es und der Ort so perfekt, dass jemand sagte, „das erzählen wir nicht weiter, sonst wird das hier überrannt“, und ich: „trotzdem! Der Platz ist wunderschön, und er hat mehr Aufmerksamkeit verdient“. Das ist ja mitunter Sinn und Zweck solcher Einladungen – diese Plätze zu beleben.

Junge Mädchen und alte Herren saßen auf Bänken verteilt und plauderten, die Kinder planschten, Grüppchen saßen auf Decken, überall stand Essen und lagen Spielsachen verteilt, die Bowle schmeckte lecker, alle waren fröhlich beschwingt und unter den riesigen Kastanien ließ sich die Hitze gut aushalten. So einfach und heiter kann alles sein; das Schwere war an diesem Tag leicht. Wer vorüberging, lächelte. Ein Unfall, Scherben, Blut und Notaufnahme Krankenhaus. Zum Glück ist eins in der Nähe. Herrje. Da gibt man sich so viel Mühe und stößt mit der Nase doch immer wieder auf Unvorsichtigkeiten, „nicht aufgepasst! Dies Risiko hätte man sehen können“. Das ist eine Erinnerung, die weh tut im Bild. Aber es gab ein anderes, wie ein Mann sich vor einer Frau niederwarf, deren Unterschenkel umarmte, sich anschickte die Füße zu küssen und sich überschwänglich bedankte „merci merci merci“. Da hat sicherlich die Bowle ihre Wirkung gezeigt, aber das Bild hat trotzdem was.

Sonntags genoß ich das Nachklingen des gelungenen Festes. Wir mussten nicht aufstehen, aber der Sommermorgen lockte.

Im Sommer ist das Aufwachen anders. In der Frühe zwitschern die Vögel ein Konzert, und wenn sie dann schweigen, scheint die Sonne, und frischer, leicht angewärmter Wind weht zum Fenster rein. Im Sommer ist das Anziehen reiner Spaß.

Nachmittags war der Bub verabredet, das Mädel machte einen Mittagschlaf.

An solchen heißen Sonntagen brütet die Stadt still vor sich hin. Dann und wann wird die Stille unterbrochen von Autos, Rollern und dröhnenden Motorrädern. Ich mag diese Unterbrechungen. Auch bei uns geht Lebensfreude mit Geräusch und bisweilen Lärm Hand in Hand. Nur wenn´s ZU laut wird, nervt´s. Die Tunerszene ist mir von daher lästig.

Ich traf eine Freundin und ging zu den Gemeinschaftsgärten im Nägelesgraben, wo Livemusik angesagt war. Ich war mir nicht sicher, ob ich mich vertan hatte. Kaum wer schien unterwegs, der Busbahnhof glühte menschenleer, und der Spielplatz nebenan war unbespielt. Ihm fehlt der Schatten. Musik war auch keine zu hören. Erst als wir schon ganz nah waren, klang leise Stimmengewirr und eine unaufdringliche Gitarre, schließlich Gesang zu uns herüber. Wir setzten uns in den Schatten und lauschten. 

Ich kann Elena Seeger nur empfehlen. Witzige Texte voll warmherziger und kluger Beobachtungen und Gedanken, wunderbar unterlegt und sehr sehr schön gesungen.

Abends habe ich mir die gekaufte CD angehört, gekocht und die Hausaufgaben der Kinder begleitet, festgestellt, dass die Kombi so nicht geht, den Freund zu Hilfe geholt, der Mathe besser erklären kann, und mich selbst wieder Musik und Spaghetti zugewandt. Vor dem Fenster stand die Hitze in der Straße, die Nachbarin sonnte sich im Fenster mit Lockenwickler in den Haaren. Und ich weiß nicht wieso, aber mir fiel der Sommer in Sydney ein, wo Sonntagabende mit BBQ und einem Konzert im Pub das Wochenende beendeten. Jahrzehnte her. Das war eine wundervolle Leichtigkeit des Seins.

Dabei bin ich gar kein Grill- Fan. Man kann das essen, und es geht ja auch veggie und ohne Fleischberge, aber ich brauch das weiß Gott nicht die ganze Zeit. Eigentlich mag ich nur das Brimborium drum herum, oder den Anlass. Eine Freundin hatte neulich Besuch aus Amerika und ihm zu Ehren gab es also ein Sonntagabend-BBQ. Ich habe swabian potatoesalad mitgebracht, und eine der Amerikanerinnen sagt, she usually doesn´t like potatoesalad, but she likes „this one“. Hat mich sehr gefreut.

Das Schöne am Reisen ist auch Leute zu treffen und Neues zu erfahren. So gesehen lassen sich selbst die Reisen von anderen  genießen. Der Nationalfeiertag wird in den Staaten riesig gefeiert, mit Paraden, Feuerwerk und rauschenden Festen. Das ist sicher schön, aber im Grunde ist mir ganz schnuppe, dass man das hier so nicht handhabt. Mir ist dieses Nationalgedöns unangenehm. Ein europäisches Fest wäre vielleicht ganz schön.

Den Kindern würden die amerikanischen Halloweenbräuche gefallen. Die sind hier regelmäßig enttäuscht, weil sie oft barsch abgewiesen werden. Man könnte sagen, dafür gibt es bei uns das Maienstecken. Aber auch da verstehen sehr viele keinen Spaß mehr. Dabei sind auch in Amerika die Halloween-Regeln überarbeitet worden. „Some bad people did bad things“, sagte die amerikanische Freundin meiner Freundin. Deshalb ziehen die Kinder jetzt durch die Straßen, solange es noch hell ist, und wer keinen Besuch und nichts geben möchte, stellt eine umgedrehte Schüssel raus oder ein Schild, „Sorry, no candy“, und wird in Ruhe gelassen.

Die Arbeits- und Schulwoche hatte Höhen und Tiefen. Nicht immer lief alles glatt und rund, aber mit Sommer im Gemüt ist das leichter zu nehmen.

Der Bub kann den Beginn der Sommerferien kaum erwarten, das Mädel besucht Freundinnen und Freunde, und ich bin überrascht, wie viele einen Pool im Garten haben. Wenn dies ein neues „Normal“ sein soll, finde ich´s wenigstens komisch. Sie ist neun. Sie kann schwimmen. Und es gibt ein öffentliches Freibad.

Ich freu mich mit dem Mädel über ihren Spaß und will niemandem den persönlichen Luxus neiden, aber wir reden über Wasserknappheit und Klimawandel, und bevor auch nur ein Freibad schließt, plädiere ich für ein Verbot der Pools. In manchen europäischen Ländern und Regionen sind sie das bereits.

Die CDU/CSU hat das EU-Renaturierungsgesetz scheitern lassen, an dem sie zuvor mitgewirkt hatte. Plötzlich ist es nun realitätsfern und „zu viel Naturschutz“. Fragt sich, wer da realitätsfern ist. Oder wer als real nur die eigenen Vorteile anerkennt.

Und weil in Thüringen ein Afd-Fascho Landrat wurde, hetzt Merz nun umso mehr gegen die Grünen. Man fasst es nicht. Dieser Widerling zeigt der Afd noch den Weg und hilft auch den blödesten Populismus hoffähig zu machen. Der hat den Schuss nicht gehört.

Die CDU ist ein Haufen scheinheiliger, auf Eigennutz bedachter Karrieristen, denen nur der eigene Arsch heilig ist. Da hält man Bierseligkeit für Erleuchtung, und damit ist man sogar noch ätzender als die FDP, die im Feiern wenigstens mehr Fantasie zulässt. Im Übrigen handhabt man in der FDP Politik natürlich ebenfalls rein als Lobbyarbeit für die eigene Sache, und die größte Sorge dieser selbstverliebten Yuppies besteht darin, dass die Party irgendwann vorbei sein könnte. Mit weniger zufrieden sein, ist etwas, das sie prinzipiell nicht können.

Ich glaube, viele vergessen, dass das Wirtschaftssystem in Deutschland nicht „freie“, sondern „soziale Marktwirtschaft“ heißt. Und das ist erwiesenermaßen ein Erfolgsmodell.

Ich will mich nicht aufregen.

Ich habe einen Leserbrief als Antwort auf einen nach Afd-riechenden, anderen Leserbrief geschrieben, welcher sich unter anderem über fehlenden Anstand „der anderen“ im Land ausgelassen hatte. Mein Vater bekam daraufhin Anrufe von Leuten, die nach mir fragten, und er hat Telefonnummern aufgeschrieben, wo ich zurückrufen soll, „wenn ich mutig sei und mich der Diskussion stellte“. Und ich wundere mich. „Wenn ich mutig sei“ – was ist denn das für eine Ansage? Über eine freundliche Bitte um einen Austausch hätte ich evtl nachgedacht. Aber so eine Anmache? Aber sich über fehlenden Anstand von anderen mokieren.

Jedem seinen eigenen Vogel, sag ich immer. Auch ich habe meine Macken und Schäden, ganz bestimmt. Aber ich projiziere sie nicht auf andere, sondern mache sie zu meiner eigenen Aufgabe. Das sehe ich als Teil des vielfach eingeforderten Rechts auf Eigenverantwortung. Im Grunde nämlich fehlt die in den Vorstellungen dieser blöden Afd-Schädel.

Am Donnerstag war ich auf der Demo gegen den Aufmarsch der Afd-Faschos in der Stadthalle. War schon beeindruckend – so viel Polizei, so viele Demonstranten, und alles dabei von jung bis alt und unkonventionell bis gutbürgerlich, wenigstens da kann man sich also einig sein.

  • Und so viele Leute, die in die Stadthalle gingen.

Anderntags traf ich einen Bekannten, der auch auf der Demo gewesen war. Wir waren betroffen darüber, wie viele doch hinein gegangen sind. Vielleicht muss man nicht so sehr erschrecken, wenn man sich vor Augen führt, dass dieser Landkreis und die benachbarten locker eine sechsstelligen Bevölkerungszahl umfassen und eine volle Stadthalle dann kein Prozent ausmacht. Trotzdem – die Selbstverständlichkeit, mit der man da zu den Faschisten geht, war krass. Und „einfach mal anhören“ ist keine Begründung. Es genügen ein paar Zitate und Fernsehbilder um zu wissen, wes Geistes Kind man in der Afd ist.  „Wir sollten eine SA gründen und aufräumen“, Andreas Geithe, „Bescheidenheit bei der Entsorgung von Personen ist unangebracht“, Jörg Meuthen, „Immerhin haben wir jetzt so viele Ausländer im Land, dass sich ein Holocaust mal wieder lohnen würde“, Marcel Grauf, „Ich wünsche mir so sehr einen Bürgerkrieg und Millionen Tote. Frauen, Kinder. Mir egal. Es wäre so schön. Ich will auf Leichen pissen und auf Gräbern tanzen“, ebenfalls Marcel Grauf, oder „Wir müssen ganz friedlich und überlegt vorgehen, uns ggf. anpassen und dem Gegner Honig ums Maul schmieren, aber wenn wir endlich soweit sind, dann stellen wir sie alle an die Wand…“, Holger Arppe, alle Afd. Da kann ich doch nicht Offenheit signalisieren, auch nicht Gesprächsbereitschaft. Einfach nur NEIN! Bei allem Verständnis für durchaus nachvollziehbare Unzufriedenheit mit so manchem im Land – es geht hier nicht um „richtige“ und „falsche“ Themen, es geht um eine ganz und gar unmögliche, weil böse Grundhaltung.

Den einen oder anderen, der hinging, hat man gekannt. Und der Bekannte und ich fragten uns „wie gehen wir damit um?“

Faschistoide Weltbilder und Rassismus nicht salonfähig machen, heißt die Aufgabe. Und jetzt, ein paar Mal drüber geschlafen, ist mir sonnenklar – dann öffnen wir nicht die Salons dafür, keine gute Stube. Ich setze mich nicht an einen Tisch damit. Und wo es sich nicht vermeiden lässt, lasse ich mich nicht auf eine Diskussion ein, die auch nur ansatzweise das Gedankengut diskutiert. Es nährt sich von Zorn und Verachtung, und diesen Weg gehe ich nicht mal gedanklich mit. Und das müssen sie wissen. „Hier nicht“ – wenn Ihr so reden müsst, dann tut das anderswo, unter euch, hier hat das keinen Platz. Was haben die für einen Schaden? Was ist da so verkehrt gelaufen?

Ich kenne Sympathisanten und Anhänger. Und manche stehen mir nah, und damit rückt mir auch ihre politische Gesinnung näher als mir lieb ist – es sind alles Männer.

Einem fehlt jegliches Vertrauen in seine Mitmenschen. Das mag etwas mit seinem Start ins Leben zu tun haben, der nicht eben geeignet war, Vertrauen zu schaffen. Nun fügt er dem eigenen Misstrauen noch das der einschlägigen Internetforen hinzu, greift jeden Zweifel und jede abstruse Erzählung auf, die da kursiert und hält das für „selbst gedacht“.

Einer war früher in der CDU, gut gestellt und hatte die besten Chancen. Leider ist es ihm nicht gelungen, wirklich etwas draus zu machen, und er hat sich auch für keine der vielen tollen Frauen, mit denen er zusammen war, entschieden, nie irgendwie „ja“ gesagt. Heute ist er alleine und verbittert, findet, früher war alles besser, und er schwärmt von osteuropäischen Frauen, die die besseren, weil „noch echte“ Frauen seien.

Einer hat als Kind immer auf den Deckel bekommen, bis er gebückt lief und heute dem eigenen Kopf nicht traut, und so greift er jede Parole auf, die seine Emotionen anschwingt, und denkt nie weiter als bis zu dieser, nie in Zusammenhängen und Kontexten.

Einer hat im Leben schon mal komplett die Kontrolle verloren und ist dazu übergegangen, allen anderen dafür die Schuld zu geben, die ihn „wo reingeritten“ hätten. Er schüttet Hass und Verachtung kübelweise aus. Für den ist die Afd wie gemacht: toben, Schuldige suchen, das eigene Wohl als Schuld von anderen einfordern, und fertig ist das politische Konzept.

Die Afd spricht wenig Intellekt an. Aber konzeptionell ist diese  Partei schon verteufelt geschickt aufgestellt. Medien werden diffamiert, aber für die eigene Aufmerksamkeit missbraucht. Begriffe werden verdreht. „Widerstand“, „Faschismus“ – völlig verkehrt belegt. Sie betreiben Angriff als Verteidigung – noch bevor sie sich auf erwartbaren Vorwürfe selbst verteidigen müssen, werden diese dem Gegner gemacht.

Mit „Freiheit“ meint man Freiheit von den Zumutungen dieser Demokratie und Gesellschaft. Als gäbe es einen in sich geschlossenen „Volkswillen“. Der Wille Aussenstehender oder nicht Anerkannter gilt nichts. Das reaktionäre Frauen – und Familienbild bedeutet auch für die Freiheit von Frauen nichts Gutes. „Meinungsfreiheit“ nimmt man in Anspruch und fordert sie ein. Aber es existieren Pläne, wie im Falle einer Machtergreifung Presserechte beschnitten und Journalisten behindert würden. Der Paragraph der Volksverhetzung, dazu gedacht, Minderheiten zu schützen – die Afd verdreht ihn und führt ihn an, wo sie ein völkisches Ehrgefühl geschützt sehen will. Die „wehrhafte Demokratie“ soll wehrhaft sein, wo undemokratische Bewegungen sie angreifen. – Und die Afd benutzt die Wege der Demokratie, um sie zu zerstören. Man will nicht bessere Politik machen als andere Parteien. Man will ein anderes Deutschland. Eines, in dem die Gewaltenteilung  ausgehöhlt wird, die Justiz nicht mehr unabhängig ist, die Legislative dem eigenen Willen gehorcht und die Exekutive Unliebsames beseitigt.

Eine Demokratie muss auch aushalten hinterfragt zu werden, kritisiert, auf den Prüfstand gestellt. Ja.  

Aber selbst wenn diese Un-Partei unter Vorspiegelung falscher Tatsachen, falschen Zorn schürend und falsche Stimmungen verbreitend, die halbe Bevölkerung irreführend, eine Wahl gewänne und eine Mehrheit fände – man dürfte sie doch nicht durchkommen lassen damit. DA muss die Demokratie wehrhaft sein. Es gibt gute Gründe, weshalb dieser Staat gebaut ist, wie er es ist, und es gibt gute Gründe, ihn zu verteidigen.

Zorn, Frust und Verachtung dürfen nicht regieren, nicht im Kleinen, nicht im Großen.

Ich will es mir vom Leib halten. Ich bin nicht mehr auf Twitter, das mir zu nervig wurde. Irgendwie haben sie einen Algorithmus geändert oder was  – ich war so schnell drin in den „bubbles“, mit denen ich interagierte. Das war wie Co-Abhängigkeit – ich konnte mich kaum entziehen. Voll anstrengend. Wenn ich was kommentierte, was ich falsch fand, bekam ich ganz viele ähnliche FalschFindTweets angezeigt – viel mehr als ich Sachen angezeigt bekam ähnlich derer, die ich gelikt hatte. Nicht gut.

Der Populismus ist eine Gefahr für die Demokratie. Der Klimawandel läuft ungebremst. Es ist zum Heulen. Aber ich will nicht. Wir tun das unsere dazu, damit nicht alles ungebremst in die Katastrophe rauscht, aber erste Aufgabe heißt „Freude“. Die Kinder sollen freudig ins Leben gehen. Ein bisschen Fasnet das ganze Jahr „jedem zur Freude, niemand zum Leid“. Und zur Freude „Liebe“. Ich sei eine Glucke, wurde mir neulich gesagt. Mag sein. Ich werd auch irgendwann aus dem Nest schicken, aber dann mit so viel Nestwärme im Bauch, dass es für ein ganzes Leben reicht.

Im Mai war der Sommer so unendlich weit weg, wie ein vergeblicher Traum. Jetzt so viel Sonne und Hitze. Ich weiß, es ist viel zu trocken. Die letzten Sommergewitter habe ich gefeiert. Es geht nichts über den Geruch von einem Wolkenguss auf heißem Asphalt. Und ich weiß, es müsste lange und ausdauernd regnen, damit die Erde möglichst viel aufnehmen kann. Aber wenn die Wolken sich verziehen, freue ich mich doch, wenn die Sonne wieder rauskommt.

Wir genießen diesen Sommer.

Ein Musik-Tipp

Elena Seeger

http://www.elenaseeger.de

„Der Himmel ist nicht geerdet!“

„Probleme werden da anders gefixt“,

– auf dem Kongress des ChaosComputerClub, der über einen eigenen Himmel verfügt, erzählte die Frau des Leiters vom kleinen Zelt beim Kulturufer in Friedrichshafen, nämlich „sofort, kollektiv, technikbegeistert und zielorientiert“. Engel gibt es viele auf diesen Kongressen; sie sind zuständig für Müll und allerhand andere Logistik, die es braucht, wenn 30.000 Leute technikbegeistert und zielgerichtet Probleme fixen. Und die Engel haben ihre Base, wie kann es anders sein, im „Himmel“, der ein Zelt ist, das wiederum kein geeigneter Zufluchtsort ist bei einem Unwetter. Wenn es blitzt und stürmt, muss man raus, denn der Himmel ist nicht geerdet. So war es auch bei Gisbert zu Knyphausen und dem Pianisten Kai Schumacher, die ihr Konzert im großen Zelt in Friedrichshafen abbrechen mussten, und das, obwohl man ihnen hätte eigentlich dankbar sein müssen. Kai Schumacher hatte den Regen beschworen. Erst war da nur Wind gewesen, dann legten Schumachers Hände sich auf die Tasten und lockten, und erst kamen vereinzelte Tropfen, und wie die Hände schneller und schneller und schneller wurden und endlich wie wild geworden über die Klaviatur rasten, so prasselten schließlich auch die Tropfen aufs Zeltdach, Klavier und Sturm wurden eins. Magic. Wenigstens den „Leiermann“ von Schubert hat es vor Abbruch noch gegeben. Gisbert von Knyphausen – mega.
 
Der Himmel-Satz begleitete mich tagelang, an den Jongleuren, Akrobaten und Feuerspeiern vorbei, ins Klezmerkonzert, wo die Luft schwül waberte und die Klänge virtuos ins Ohr schwammen, zu Fred Wesley, einer Funk-Legende, die so schräg wie cool war. Bestimmt lag es an meinem Blickwinkel. Ich stand, weil ich nicht vorne sitzen wollte, seitlich in den oberen Rängen und sah ihn von schräg oben. Steinalt und in sich zusammengesunken auf einem quietschroten Küchenhocker sitzend, schwarze Waden über knallgelben Schuhen. Das dunkle Hemd über den rostbraunen Shorts spannte an der Brust und stand ab dem Hosenbund offen auseinander, was einen stattlichen Bauch vermuten ließ; „vielleicht hat er einen Buckel“, dachte ich. Ein hell leuchtender Heiligenschein umgab das schwarze Gesicht. Voll schräg, und soo cool. Er animierte das Publikum zu Lippenakrobatik, „back to the boogie“ oder so ähnlich, mit so vielen Bs aneinandergereiht, dass die Lippen sich verhedderten, später im Wechselgesang „bake a bread with my mom“ und „pass the piece“. Das Publikum erhob sich von den Stühlen, irgendwann standen, tanzten und sangen alle. Auch Fred Wesley stand, alt, aber nicht steinalt, der heiligenschein waren weiße Haare, der Küchenhocker war ein recht schickes Designermöbel, und Wesley hatte keinen Buckel und war auch gar nicht dick. Im Stehen war er weniger schräg, aber immer noch total cool.
Manchmal liegen Himmel und Erde schon sehr nahe beieinander. Das Leben kann so schön sein. Liebe und Wein, See und Sommer, vor der Wohnwagentüre eine Schlemmermeile, Musik, Theater und Straßenkunst, und jeder Quadratmeter birst schier vor Lebensfreude. Den Kindern würde das gefallen, dachte ich, dies Lager am Bodenseeufer, die Wiese mit den vielen Zelten, in denen sie werkeln und basteln, bauen und spielen. Kurz dachte ich an den letzten Tag vor der Abreise, an Rottweils „Ferienzauber“. Die Tochter und ich haben uns mit einem ganz gleichen Duo dort getroffen. War sehr schön; wir kennen uns lange genug um zu wissen, wie wir eine gute Zeit zusammen haben können, egal wo. Der Fahrradparcours im Kinderbereich war bereits abgebaut, die Spielgeräte belagert, im Zelt gab´s Schmetterlingsbasteln. Wir haben unsre Kinder genötigt, „macht mal!“, damit sie wenigstens Etwas im Kinderbereich gemacht hatten. Ferienzauber war schon ein großes Kinderspektakel mit Werkeln, Bauen, Tanzen und so gewesen – bevor Party und Bands vollends übernahmen und es nun reine Location war, mit eher weniger Zauber. Sei´s drum.
Mittlerweile sind beide Kinder in ihren jeweiligen Sommerlagern. Ich habe bis jetzt nichts gehört, demnach ist wohl alles okay. Beim Großen konnte ich nur noch hinterhergerufen „viel Spaß!“, und schon war er weg. Die Kleine war hin und gerissen zwischen Nähe und Abstand, die Tränen so dicht hinter dem Auge, dass jede Berührung die Dämme einzureißen drohte. Besser nicht dem Weinen nachgeben, dachte sie wohl. Nach ner halben Stunde im Zug war´s bestimmt eh vergessen. Wir sind ganz getrennt, fern voneinander. Ich hoffe, es geht allen Familienmitgliedern so gut wie mir gerade.
Ich habe, nachdem die Kleine verabschiedet war, noch zu meiner Freundin gesagt „hoffentlich geht alles gut“. Mir war schon etwas schwer ums Herz. Und sie, deren Kinder jahrelang dabei waren: „es sieht chaotischer aus, als es ist, sie bringen´s immer hin, und wenn nicht gleich, dann etwas später. Und was soll´s – sonst erfahren sie auch nur, dass auch mal was NICHT klappt und glatt läuft, sie erfahren, dass Dinge auch scheitern, und das lernen sie eigentlich viel zu wenig“.
Stimmt. Auch Scheitern will gelernt sein.
Ich weiß nicht, weshalb es mir jetzt einfällt. Als große Träume kläglich scheiterten….

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Übers Runterkommen, Familie, Krieg und Frieden

Runterkommen ist schwerer als rauf. Bergsteiger wissen das. Der Abstieg lässt nicht so prusten, aber er geht mehr in die Beine. Als Radfahrerin bevorzuge ich das Bergab. Seit ich ein EBike habe, ist es eigentlich ziemlich schnuppe, das ist das Schöne daran, jeder Berg wird flach. Trotzdem hat es sich in mir festgebrannt – lieber bergab, und so brauchte es nun eine Weile, bis mir klar wurde, weshalb ich mich so wundere und schwertue dieser Tage. – Weil mir das Runterkommen schwerer fällt als raufwärts.

Als familienbedingt das Leben plötzlich so voll wurde, dass jeder Tag zu kurz wird und die Woche zu wenig Tage hat, ging es leicht, mich drauf einzustellen. „Das ist jetzt so.“ Basta. Dann wird anders geplant und jeder Leerlauf rausgeschnitten. Dann gibt es keine Minute mehr ohne „dringend“. Ohnehin verschieben sich die Prioritäten; das Notwendigste zuerst. Alles, das warten kann, tut das auf unbestimmte Zeit. So geht´s.

Aber irgendwann merke ich dann doch, dass es mir zuviel wird. Wenn sich rechts und links meiner Strecke zu viel anhäuft, wenn all das Liegengebliebene, Wartende, anfängt auf mich runterzuschauen. Dann schiebt es sich in die Nächte und drückt auf die Laune. Dann werde ich unduldsam in Momenten, die das weder verschuldet noch verdient haben. Mein darauf folgendes schlechtes Gewissen macht die Lage nicht besser. Spätestens dann weiß ich, es muss was geschehen.

……

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Immer wieder montags

Sie waren im Grunde an mir vorübergezogen, die Montagsspaziergänge. Ich bleibe so leidlich meinem Neujahrsvorsatz treu und schiebe die geballte Wucht der Krisen öfter mal beiseite. Aber neulich saß ich montags um kurz vor sechs an der Bushaltestelle und wunderte mich über den Menschenstrom, der sich Richtung Schwarzes Tor und Fußgängerzone bewegte. Ich habe einige Leute darin gekannt, nette, friedliche Leute, die mit rechts null und nichts und null am Hut haben. Es dauerte, bis ich kapierte, dass sie wohl Teilnehmer des Protest-Demo-Spaziergangs waren.
Über die wird jetzt gestritten. Muss das sein und wieso und geht das nicht auch anders und weshalb sind sie gegen was eigentlich und vor allem mit wem. Mancherorts gibt es Gegendemonstrationen, und dann wird gestritten, wer sich falscher verhält. Den einen gehen die Maßnahmen nicht weit genug, andere lehnen sie alle rundum ab. Und zwischen den Gegensätzen „NoCovid“ und „Gar keine Maßnahmen“ ist viel Wut und Unverständnis und anscheinend „Spaltung“.
Ich mag dies Trennen in „geimpft“ und „ungeimpft“ und den Druck, der darauf aufgebaut wird, auch nicht. Aus Infektionsschutzgründen mag das die am nächsten liegende Lösung sein, aber mit etwas mehr Mut und Willen hätte es vielleicht doch auch andere Wege gegeben. Hin wie her – spalten tun wir wenn, dann selbst. Wir sind es, die auf die jeweils andern schimpfen und uns entzweien. Die Politik kann kaum besser sein als die Bevölkerung, über die sie regiert. Wären wir nicht so leidenschaftlich bereit zu streiten und uns zu entzweien und wären wir toleranter gegenüber anderen Haltungen und nachsichtiger bei Fehlern, die es überall gibt, wo gehandelt wird, würde sich nichts und niemand spalten. Wir sind mitunter schrecklich kleinmütig…..

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„Zwischen den Jahren“

Ein Blick zurück, vor und ein Mal ringsum

Es fühlt sich nicht „dazwischen“ an, sondern mitten drin.  Meine Mutter erzählt, früher haben sie gearbeitet bis HeiligAbend vier Uhr. Bis dahin musste alles gemacht sein. Dann war geschafft, vorbereitet und das Haus blitzblank. Dann kam Waschen und Umziehen, und die Weihnachtszeit begann. Und der Rest des Lebens ruhte. Das Vieh wurde versorgt, sonst nichts. Vielleicht war da „zwischen den Jahren“ echt Auszeit und ein Dazwischen.

Egal. Weihnachten ist vorbei, und es war schön, so, wie es sein soll, mit Frieden, Freuden und Kuchen. Über Konsumrausch und Völlerei lässt sich streiten, aber trotzdem finde ich wundervoll zu wissen, dass zeitgleich Menschen überall auf der Welt die Liebe und den Frieden feiern und kindliche Unschuld, die der Stern sein soll, an dem man sich orientiert. Ich schenke gern zu diesen Ehren und meine, wenn das überall geschieht, dann ist das Christkind so als Idee doch auch ziemlich real, auch ohne Frömmigkeit.

Und nun steht Silvester vor der Tür. Ich habe eine Weile getüftelt, bis ich einen Rahmen beisammen hatte. In diesen kontaktreduzierten Zeiten scheinen sich allmählich auch Umfeld und Freundschaften zu verändern. Vor Corona ließen sich viele Kontakte nebenbei halten. Man traf sich an Fasnet, Ferienzauber, Stadtfest und Weihnachtsmarkt, Geburtstage wurden groß gefeiert, man traf immer wieder aufeinander. Der Kreis der Nächsten scheint kleiner geworden. Wenn wer ausfällt, fällt schnell auch die Party flach, es müssen ja Groß und Klein zueinander passen, und außerdem will ich mich schon einigermaßen an die Kontaktbeschränkungen halten, nach einigem Dafürhalten interpretiert, das schon, aber nicht negiert.

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Mein Linksrutsch

Ich rutsche nach links

weil das Land nach rechts rutscht

Es ist nur eine Frage der Wahrnehmung. Je weiter rechts jemand steht, desto früher beginnt links. Für die CDU ist die FDP schon Teil eines Linksrutsches. Das wäre witzig, wenn es nicht so bitter wäre.Deren Steuerprogramm entlastet die Spitzenverdiener von allen am meisten. Was gerade geschieht, ist nicht ein Linksrutsch, sondern einer nach weit rechts. Vergangene Woche war Kanzlerkandidat Armin Laschet in Rottenburg und beklagte zwar Hass und Hetze, welche die Afd in die Parlamente und die Gesellschaft trüge, und „die Afd muss weg“,aberin der CDU hat halt auch ein Maaßen Platz, der in Thüringen Direktkandidat ist – mit guten Aussichten, weil es keinen passenden CDU-Mann gibt, und Maaßen klingt wie von der Afd, was dort gut ankommt. Die Afd und die Werteunion stehen sich nahe. Sie haben ähnliche ´Werte´. Mit „Wir“ meint man nur sich selbst. „Freiheit“ steht für Egoismus und Rücksichtslosigkeit, und „normal“ ist wie „wir“ nur das eigene. Und was einem nicht passt, das gibt es nicht. Nach rechts ist die CDU offener, als sie behauptet. Und das ist es, was diesen den Weg bereitet.

Jedem seine eigene Panik. Die einen fürchten Corona, die anderen die Maßnahmen. Die einen den Klimawandel, die anderen den Verzicht. Man hat zum Wegwerfen, aber ´weniger´ ist keine Option. Die einen werfen Greta Thunberg vor, sie schüre Panik, die aber ist nichts gegen die Panik in manchen Chefbüros vor einer auf Nachhaltigkeit geeichten Politik. Und die einen fürchten rechten Nationalismus, die andern Rot-rot-grün. Eine Partei, die die Flagge der sozialen Gerechtigkeit hochhält, mit einer, die die für Klima und Umwelt trägt, mit einer, die die krass auseinanderklaffende Schere zwischen Arm und Reich schließen möchte. Kompromisse machen müssen alle. Aber für Leute, die in den Jahren des geruhsamen Vor-sich-hin-Regierens gelernt haben, wie man die entstandenen Netzwerke zum eigenen Vorteil ausnutzt und seine Schäfchen ins Trockene bringt, und denen es ein großes Anliegen ist, das nicht zu verlieren, denen ist DIES ein ärgerer Horror als so ein Ausländer-raus-Deutschland-den-Deutschen-und-Klimawandel-gibt-es-nicht-Ding? Geht’s noch?

Ich will die SPD nicht in Schutz nehmen. Cum-Ex geschah unter Scholz´ Ägide. Aber die Skandale bezüglich Korruption und Machtmissbrauch betreffen fast samt und sonders die CDU/CSU. Worum geht es denen?

Die Linken wollen umverteilen. Was daran ist verkehrt? Ein paar Handvoll Leute sind so reich, dass sie die Politik kaufen können, die sie gerne hätten. Und wir tun ihnen den Gefallen und wählen so, dass sie auch in der nächsten Legislaturperiode die altbekannten Büros aufsuchen und weiter ihren Deals nachgehen können? Wieso??

Die Linken hadern mit der Nato und der Aussenpolitik. Sie haben dafür gute Gründe. Diese ganzen Kriege, die da geführt werden, sie sind lang, und teuer, grausam und meist vergeblich. Und wenn man nach Arabien guckt, sieht man Europa vor 100 Jahren: die Kriege hören erst auf, wenn alle komplett am Arsch sind und keiner mehr kann. Frieden ist nur die Pause zwischen zwei Kriegen. Sobald eine neue, kräftige Generation herangewachsen ist, soll diese wieder losziehen wegen irgendeinem anderen Irrsinn, der genauso daneben ist. WOZU? Die Frage nach den Wegen zum und im Frieden darf gestellt werden! Diese Haltung ist in einer globalisierten Welt sperrig, und eine Regierung würde unklug handeln, wenn sie einfach so Bündnisse aufkündigte. Das wissen die Linken auch. Es geht aber auch nicht um Umsturz und Revolution. Es geht um neue Akzente und Diskussionen. Die Grünen haben schon mit einer ähnlichen Haltung in einer Koalition mitregiert. Und die Welt ist nicht untergegangen. Noch nicht mal in Baden Württemberg, wo die Grünen seit 2016 am Ruder sind.

Ich finde dies Rechts-Links-Ding, „die Rechten“ und „die Linken“, perfide, zumal mit der doch sehr antiquierten Belegung „recht = gut, link = heimtückisch“, (in seiner ganz gehässigen Form ein Relikt aus dem Nationalsozialismus; ursprüngl. von linkisch – ungeschickt und also falsch. Weil überwiegend mit rechts besser gearbeitet wird. Aber das ist Übungssache. Linkshändern wird eine bessere Vernetzung ihrer beiden Gehirnhälften nachgesagt, und das ist sicher kein Nachteil). Ursprünglich kommt die politische Unterscheidung in Rechts-Links-Spektren aus der französischen Nationalversammlung 1789. Rechts saßen die Freunde der Monarchie, links die Republikaner.

Wer wofür steht, wer was zu verantworten hat, was da recht und richtig, was falsch ist, sei dahingestellt. Die französische Revolution kam jedenfalls nicht aus dem Nichts; es bestand da ein absurdes Verhältnis zwischen Adel und Volk.

Rechts war (und ist! Anders ist das Selbstbild zb der Werteunion nicht zu verstehen), mit bestem Wissen und Gewissen, „elitär“. Viele Strömungen des Liberalismus sind es auch. Man findet eine Ungleichheit in der Gesellschaft richtig und wichtig. Das sporne an zu Leistung und fördere die Ausbildung von – eben – Eliten, welche die Geschicke dann lenken. Freiheit wird in diesem Zusammenhang als das Recht zur freien Entfaltung angesehen. Was ich als nichts anderes verstehe denn als ein „Recht des Stärkeren“. Dass ´Talent´ dem widersprechend dann auch Herkunftssache ist, weil besser ausgebildet wird wo besser verdient, wird hingenommen. Ein in-/akzeptables Maß an Ungleichheit ist nicht definiert.

Links war, und ist, „egalitär“. Alle Menschen sind gleich, allen dieselben Rechte. Keine Gruppe darf systematisch benachteiligt werden. Keine Gruppe darf dauerhaft über eine andere herrschen.

Egalité! Ganz klar! Was sonst. Die Freiheit des einen hört bei der des anderen auf.

Dies ´rechts-links´-Schema bildet nur einen Bruchteil ab. Ich stehe in unterschiedlichen Aspekten auf unterschiedlichen Positionen dieser schlichten Skala. Es wollen sowieso alle ´Mitte´ sein. Dabei geht es auch um die, die am Rand stehen, oder außerhalb. Die gar nicht reinkommen – dürfen.

Die Rechten wollen nicht mehr rechts heißen. Die Linken nennen sie aber gerne links. Wenn es von ganz rechts kommt, sind´s oft Tiernamen aus dem Reich der Gattungen, die die Menschen schnell als Plage empfinden. Das kann nur den einen Grund haben: man IST gar nicht republikanisch gesinnt. Man ist eigentlich elitär und empfindet das Ende der Monarchie – und wenn es nicht König heißt dann halt Führer oder was in der Art – jedenfalls ein feststehendes Oben und Unten – als einen großen Verlust. Und die, die das Untere auch mal nach oben holen und das Obere nach unten, die für maximalen Chancengleichheit eintreten, die sind dann Plage und Gefahr.

Und dann fragt man sich, woran die Demokratie krankt. Daran! Daran, dass Leute gar nicht verinnerlichen wollen, wofür sie angeblich stehen.

Was ist so verwerflich am Links-sein? Sozialen Ausgleich zu wollen, ist erstmal nicht aggressiv. Und linksextrem ist auch nicht gleich rechtsextrem. Natürlich gibt es Leute, die hin und her switchen zwischen beidem. Ich kenne welche. Das ist aber weniger politisch als Wesenszug. Die brauchen den größtmöglichen Aufruhr. Bei denen, die eine politische Haltung haben, ist es anders. „Extrem“ drauf sein übersetze ich mal mit „notfalls mit kaputtmachen“. Aber bei den Linksextremen sind es Sachen, bei den Rechtsextremen Menschen. Das ist ein großer Unterschied. Und damit will ich nicht relativieren. Ich bin nicht für ´extrem´. Ich bin für konsequent und mutig. Es gibt bessere Wege. Ausgleich. Teilen. Integrieren. Es haben nicht alle denselben Weg hinter sich, deshalb kann man trotzdem an einem Tisch sitzen.

Es geht um Krieg oder Frieden. Der Weg zum Frieden geht über Frieden. Und das schließt Gesellschaft, Wirtschaft, Politik, alles mit ein. Welchen Preis ist man bereit, für den Frieden zu zahlen. Frieden gibt es nicht umsonst. Wie die Kriege auch nicht. Einige verdienen sogar gut daran. Dem Rest erzählt man, dass die Kosten durch wirtschaftliche Vorteile aufgewogen würden. Demnach wird der Krieg von alleine und von anderen bezahlt; vom Gegner, ´danach´. Das schließt den nächsten Krieg gleich mit ein. Frieden kostet vorher, und den Preis bezahlt man selbst. Alle bezahlen. Etwas. Und alle gewinnen – den Frieden. Das ist immer billiger.

Die Afd wird im Osten vermutlich stärkste Kraft, und die CDU beschwört einen Linksrutsch. Gute Güte. Da muss man mal drauf kommen. Für Laschet stand die SPD immer „auf der falschen Seite“, in Wirtschafts – und Finanzpolitik. Mindestlohn und Grundrente – falsche Seite. Verhinderung von Transparenzregeln in der Korruptionsbekämpfung, Verhinderung einer Vermögenssteuer für große Vermögen – richtige Seite. Ah ja. Wer viel Geld für viele Aktien hat, hält öfter auch welche der Rüstungsindustrie im Portfolio, oder die von großen Konzernen, die es mit der Fairness eher lax handhaben und denen Nachhaltigkeit hinderlich ist. Da mag man anders wählen.

Aber bitte, diese Panik vor einem Linksrutsch – die ist lächerlich.

#reclaimthesestreets

In London dauern die Proteste wegen der Ermordung einer jungen Frau namens Sarah Everard an. Sie war auf dem Nachhauseweg entführt und ermordet worden. 

Männer werden öfter Opfer von Gewaltverbrechen. Aber ich glaube, sie werden anders behandelt: wer Opfer, wer Täter ist, ergibt sich aus Hergang und Schaden und ist weniger eine Frage von Moral und Inanspruchnahme persönlicher Freiheiten.  Unter dem Hashtag #reclaimthesestreets rumort es jetzt in England auf Straßen und Plätzen, an Küchentischen und in den sozialen Netzwerken. Man redet über Gewalt an Frauen und wie die Gesellschaft damit umgeht. Und ich meine, das ist gut so.

Was mich aufstört, ist weniger der Umstand, dass Sarah Everards Mörder Polizist ist. Er hätte auch Bäcker, Nerd oder Steuerberater sein können. Überall gibt es solche und solche. Polizisten sind keine besseren Menschen. Was mich aufstört ist, wie die Polizei gegen die demonstrierenden Frauen vorging. Es hätte um die Durchsetzung von Coronaregeln gehen können, ums Abstandhalten und Mundschutz tragen. Aber dazu muss man nicht auf den Boden drücken und gewaltsam abführen. Nein, es war gegen die Frauen gegangen. Und diese Gewalt ging leicht von der Hand – das Feindbild lag nahe. Die, die ihre Verbundenheit mit dem Opfer demonstrierten, weil jede wie Sarah Everard Opfer hätte sein können, die waren plötzlich die Schuldigen. Und das ist eine Erfahrung, die Frauen als Opfer immer wieder machen. Vielleicht kam die Härte der Polizei daher, dass der Täter ein Kollege war und man sich persönlich auf den Schlips getreten fühlte. Damit man selbst nicht am Pranger steht, stellt man andere hin. Angriff als Verteidigung, ein gängiges Prinzip. Ich weiß es nicht, und es ist auch egal.  Es kann nicht Aufgabe der Opfer sein, die Motivation der Täter zu begründen. Sicher weiß ich, dass in der Abwehr die Londoner Polizei so manches verkannte, und ganz bestimmt, dass das Verhältnis zwischen Polizei und Frauen kein unbelastetes, von Lauterkeit getragenes Terrain ist, sondern ganz im Gegenteil eine schwierige Geschichte. Und deshalb wäre in heiklen Momenten deutlich mehr Vorsicht geboten. Das ist so in London, und in Deutschland, und in Rottweil auch. Das weiß ich aus eigener Erfahrung……

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https://www.rottweil-ist-ueberall.de/magazin/topthema.php/?conid=110

Good vibrations – eine Sammlung

Ich bin noch immer befasst mit meiner Übung, gute Momente zu sammeln, jeden Tag mindestens einen festzuhalten.  Es gibt Tage, da gelingt das ganz locker. Wenn ich morgens aufwache, und das Erste, das ich höre, ist „ich liebe dich“. Ist mir vergangene Woche passiert. Kann ein Tag besser beginnen? So eindeutig ist es freilich selten. Neulich habe ich lange gegrübelt und wusste am Schluss wenigstens, was ich NICHT wollte – es ging um Zwischenmenschliches. Vielleicht gilt auch das als ´gut´. Schlecht und Gut liegt ja mitunter verblüffend nah beisammen. Mal wieder die Stadt von oben gesehen. Das war gut. Zum arabischen Essen eingeladen gewesen und im Gespräch auf Weltreise gegangen. Auch gut. In einer Situation ruhig und überlegt geblieben, in der ich schon aus der Haut gefahren bin. Super! Bin ich stolz drauf. An anderen Tagen muss ich mich sehr anstrengen. An Tagen wie diesem heute zum Beispiel, wenn ich alleine aufwache und die komplette Trostlosigkeit des Daseins zuschlägt, mit Schneeregen im März, wo das Herz nach Frühling verlangt, und stattdessen eine Wettervorhersage die Sonne auf Tage hinaus hinter die Wolken verbannt….

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Kontakt

Gedanken zum und am 8. März

Bin ich also ein Gutmensch.

Manchmal lasse ich mich auf Facebook -Diskussionen ein. Meist vermeide ich es oder blockiere solche Posts.  Weil sie so ätzend sind und das Diskutieren darüber so müßig. Und weil es sich halt auch scheiße anfühlt. Manchmal mach ich´s. Weil ich etwas nicht so stehen lassen will und den Nerv übrig habe, meine Wohlfühlblase zu verlassen.

Diesmal war es eine Fotomontage,  eine auf den Betrachter zu fliehende Menschenmenge und darüber der Spruch, bald müsse man selbst flüchten.  Darunter zig Kommentare, bei denen einem übel werden konnte.  ´Wir´ und  ´die´. Die nichts schaffen wollten, die kriminell seien, und wir, die wir so fleißig seien, es verdient besser hätten, die wir nichts zu sagen hätten – dieser ganze Rotz. Mir dreht sich da der Magen rum, und ich will eigentlich bös werden. Aber das bringt auch nichts. Also deutlich, aber höflich gehaltene Kommentare und Richtigstellungen meinerseits. In dem Zusammenhang eben dann der ´Gutmensch´ und ob ich einen Teddy wollte.

Danke. Ich habe einen.

(Eben wollte ich ein Foto von diesem Kommentar  machen, so eine Art Auszug aus einem screenshot. Da war der ganze Post weg. Ich habe nachgefragt und erfahren, dass er auf Mahnung von Facebook entfernt wurde).

Also einmal ´wir´.

Wir haben in all diesen globalen Deals Vorteile auf unserer Seite und nutzen und genießen sie.  Wir  genießen Wohlstand und Frieden und eine Gesellschaft, die uns weitestgehend sein lässt was wir sein wollen. In Kriegen wird geraubt und vergewaltigt, und das systematisch,  das machen alle Kriegführenden so, und je länger jemand damit lebt oder aufwächst, je mehr lernt er das. Und wir produzieren fleißig die Waffen, mit denen anderswo Krieg geführt wird.  Wir machen Profit und halten den Wohlstand für verdient. Ja haben denn die, die da in Not sind, ihr Los ebenfalls verdient? Das unterstellen wir damit doch. Nein!  Und  wir drehen uns weg, wenn wir mit den Folgen  unserer Privilegien konfrontiert werden und bilden uns noch ein, was Bessres zu sein.

Das ist absolut ekelhaft.  

Und es sind nicht nur die krätzigen Rechten, die sich daran noch laben. Wir sehen alle zu wie Leute an der Grenze zur EU um ihr Leben ringen. Wir sehen zu und getrauen uns nicht das Richtige zu tun. Aus Angst vor den krätzigen Rechten. Oder aus Feigheit, weil wir Angst haben was zu verlieren.

Verlieren kann man immer was. That´s life. Deshalb müssen wir uns doch aber nicht vor Angst in die Hosen machen. Wir sind doch fleißig, und schlau! Außerdem haben wir im Überfluss und können abgeben, ohne dass irgendwer hier Not leiden müsste. Und wer sagt überhaupt, dass immer dieselben die Reichen sind? Oder die Mächtigen. Gibt es da ein göttliches Recht oder was?

Das ist rassistisch, wenigstens feudal. Wie dieser abgebrührte Kaiserenkel, der Besitztümer zurückfordert und Wohnrechte und ernsthaft denkt, das wäre ehrlich erworben und stünde ihm zu, als ´Enkel von´, einem wohlgemerkt, der am Drücker war, als ein ganzer Kontinent und eine ganze Generation dem Erdboden gleich gemacht wurde, und als Neffe von einem, der beim nächsten noch schlimmeren Kriegen und Treiben auch auf der Seite der Macht war. Dieser Enkel lässt sich noch als kaiserliche Hoheit anreden und will Schlösser zurück. Geht’s noch? Soll dankbar sein, dass es ihm noch so gut geht, dass es zu goldenen Wasserhähnen und diesem ganzen restlichen herrschaftlichen Luxus  reicht.

Solche Machtfülle und solcher Reichtum ist NIE ehrlich verdient. Kann es nicht sein. Es gibt keine Stundenlöhne, mit denen man es aus eigener Kraft zu Milliarden bringen. Das ist immer auch Ellbogen und Hartherzigkeit, und  die Rücken anderer. Und wenn man am Schreibtisch sitzt und Geld aus Geld macht, dann auch. All das ist Schläue, keine reale Leistung.

Schlau darf man sein, zweifellos. Das ist eine Gabe. Aber wer sagt, dass sie berechtigt alle anderen aufs Kreuz zu legen, Leute, die andere Talente haben?

Teilen. Einfach helfen.

Hier wird gefastet. Und bis in ein paar Wochen gedenkt man Kreuzigung und Auferstehung und so, für den, der für uns gestorben ist. So heißt´s. Ich will überhaupt nicht, dass wer für mich stirbt. Keiner, damals nicht und heute nicht.  Ich will meine Nächsten lieben und auch die weiter weg und überhaupt den ganzen Planeten. Jawohl, so ein Gutmensch bin ich. Weil – was ist denn das Gegenteil davon? Wie lautet das? Und ist das etwas, das man ernsthaft und guten Grundes wollen kann?

Ich sähe gerne, wenn Rottweil  zum sicheren Hafen würde. Ich bin sicher, wir hätten gewonnen. Weil man einfach das Richtige tut und nicht verkorkst das Egoistische verteidigt.

Einfach das Richtige tun. Weshalb tut man sich damit so schwer? Und weshalb mitunter gerade die, die Recht und Ordnung und Werte und all das so plakativ vor sich hertragen?

Frieden wollen heißt nicht nur, aber auch, bereit sein zu teilen.

Und zum internationalen Tag der Frauen

In Portugal ist der ganz klasse. Da ist Feiertag und der ganze weibliche Teil einer Familie, alle Generationen und Verwandtschaftsgrade, feiern miteinander.  

Ich war gestern mit den Freundinnen weg.

Wir haben einander Neuigkeiten erzählt und allerhand beratschlagt. Es ging unter anderem  um Frauen im Job, und Männer dazwischen, die streiten, und Frauen, die den Streit übernehmen und einander nicht beistehen. Und es ging darum, welche davon als Feministin gelten und weshalb. Es ging um die Frage „Was ist für uns Feminismus“.

Selbstbestimmung, klar. Und Gleichheit aller. Und Solidarität. Feminismus bedeutet, dass Frauen einander beistehen.

An der Grenze zu Griechenland sitzen auch Frauen fest, im Matsch, und Mädchen, und Mütter, die ihre Kinder auch in Frieden und Geborgenheit großziehen wollen, Frauen, die jetzt auf offenem Feld schlafen, zwischen Männern, die auch nicht mehr wissen, wo ihnen der Kopf steht.

Seien wir solidarisch. Helfen wir.